2. Leseabschnitt: Seite 50 bis 100

Literaturhexle

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2. Leseabschnitt: Seite 50 bis 100

Letzter Halbsatz: "...die Ebene, das Weite, Kiefern- und Birkenbestandene."
 

Christian1977

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Ich gerate richtig in eine Art Rausch, wenn ich mich diesem Erzählton hingebe. Obwohl in den einzelnen Szenen gar nicht so wahnsinnig viel passiert, liegt trotzdem hinter jeder Begegnung, jedem kleinen oder größeren Ereignis so eine unterschwellige Spannung, dass ich gar nicht aufhören mag, zu lesen.

Einige Begegnungen und Ereignisse haben etwas Surreales. Die tote Möwe im Koffer oder dass Karsten den Koffer gar nicht los wird. Egal, wie sehr er sich bemüht. Das mit der Möwe waren wahrscheinlich diese Jungs mit den Steinen, aber wer weiß das schon so genau.

Ob der Insel-Burckhardt wohl wirklich der furchtbare Junge aus Wildenburg ist? Ich vermute mal, dass es keine Auflösung dazu geben wird. Die ungewöhnliche Schreibweise des Namen mit "ck" und "dt" mag das suggerieren, aber letztlich sieht Karsten den Namen des Mannes ja auch nicht geschrieben, sondern hört ihn nur.

Beeindruckend fand ich, wie der Ich-Erzähler versucht, die Flucht und das Ankommen im Westen auf S. 65f. möglichst lange herauszuzögern. Dort wirkt alles auf ihn beengend und wohl durch die alte Burgfestung wie eine Art Gefängnis - also eigentlich das genaue Gegenteil, was sich seine Familie von der Flucht in den Westen versprochen hatte.

Ansonsten finde ich, dass jeder Ort, jede Person und jede Begegnung etwas Magisches ausstrahlt. Nirgendwo ist es langweilig, durch die melancholische Atmosphäre bleibt auch mein Interesse gleichbleibend hoch. Besonders spannend wird natürlich das Treffen mit der ominösen Frau werden...
 

kingofmusic

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Ich gerate richtig in eine Art Rausch, wenn ich mich diesem Erzählton hingebe. Obwohl in den einzelnen Szenen gar nicht so wahnsinnig viel passiert, liegt trotzdem hinter jeder Begegnung, jedem kleinen oder größeren Ereignis so eine unterschwellige Spannung, dass ich gar nicht aufhören mag, zu lesen.
Da hast du meine volle Zustimmung! :cool: Lachen musste ich ja bei der Begegnung auf Inishmore, als der alte Mann sagte, dass er auf dem Foto von Synge zu sehen sei. "The Playboy of the western world" habe ich mir gleich mal bestellt - bin gespannt :cool:. Hach ja - Irland; zu lange ist mein letzter Aufenthalt dort her...
 

Literaturhexle

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Das Lesen bleibt für mich konzentrationsintensiv. Der Erzähler springt von Ort zu Ort, manchmal scheint nicht mal ein Absatz die einzelnen Handlungsstränge zu trennen. Zum Glück sind aber auch keine neuen Schauplätze hinzugetreten.

Allmählich wird deutlicher, warum Karsten seiner Heimat so hinterhertrauert. Dort war er einer von vielen und als solcher anerkannt. Auch er war einer von den "ewigen Einheimischen, denen keine Katastrophe etwas anhaben kann."
In Wildenburg ist er fremd, wird als aus der Zone stammend stigmatisiert, kommt aus der Abbruchstraße. Das muss hart sein. Mich wundert es, dass Ostbürger solch ein negatives Standing im Westen hatten. 1989 wurden sie doch gefeiert. Komisch.
Er wird wohl ein krasser Außenseiter, vermutlich ohne Freunde.

Den Frust über den Tod seiner Mutter lässt er an Burckhardt aus, indem er ihm die geliebte Geige zerschlägt (falls im Kasten eine Geige drin war). Das finde ich fies, B. scheint ja auch eher ein Außenseiter zu sein. Er hat den Fehler gemacht, die Muttrer quasi umgebracht zu haben (solange es noch nicht ausgesprochen ist, ist es auch nicht geschehen...)
Gut möglich, dass B. der Mann von der Pier ist. Warum sonst der wütende Blick? Die Welt ist manchmal ein Dorf, solche Treffen kommen vor.

Die Szene um die Kamera meine ich schon einmal gelesen zu haben. War es in "Ein schönes Paar"? Mir kommt es fast so vor.

Die surrealen Szenen, wie Christian sie nennt, tauchen immer wieder auf.
Bei der toten Möwe zwingt sich der Gedanke an die beiden Tierquäler auf. Wie sie das gemacht haben?
Die Musik, die ihn verfolgt und aus den Mauern dringt.
Ganz eklig sind die Schnecken, die sich nicht vertreiben lassen.

Die Geschichte in Irland, Tiperary, kriege ich noch nicht eingeordnet. Dort fühlt sich Karsten wohl einigermaßen heimisch.

Ich lese gerne weiter, komme aber langsam nur voran;)
 
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Christian1977

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Den Frust über den Tod seiner Mutter lässt er an Burckhardt aus, indem er ihm die geliebte Geige zerschlägt (falls im Kasten eine Geige drin war). Das finde ich fies, B. scheint ja auch eher ein Außenseiter zu sein.
Ja, das ist fies. Allerdings ist Burckhardt schrecklich gemein zu Karsten. Er informiert ihn als Erster "offiziell" über den Tod Karstens Mutter, um ihn zu kränken. Das finde ich tatsächlich noch schlimmer als die kaputte Geige. Auch sonst verhält er sich total abweisend gegenüber dem Neuen.
(solange es noch nicht ausgesprochen ist, ist es auch nicht geschehen...)
Wie bei Amor ;)
 

Barbara62

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Mich wundert es, dass Ostbürger solch ein negatives Standing im Westen hatten. 1989 wurden sie doch gefeiert. Komisch.
Er wird wohl ein krasser Außenseiter, vermutlich ohne Freunde.
Wir haben in "Die Enkelin" gerade doch ganz Ähnliches gelesen: Auch dort wurde die Studentin aus der DDR sehr von oben herab behandelt. Schon der Ausdruck "Zone" ist eine unverzeihliche Diskriminierung. Die Bildzeitung hat "DDR" grundsätzlich in Anführungszeichen gesetzt, um den Staat abzuwerten. 1989 war der Staat dann untergegangen, da konnte man "den Sieg" feiern, die Überlegenheit der Bundesrepublik hatte sich eindeutig erwiesen.
 

RuLeka

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Die Szene um die Kamera meine ich schon einmal gelesen zu haben. War es in "Ein schönes Paar"? Mir kommt es fast so vor.
Dort resultiert aus dieser Kamera das Unglück der Eltern. In jenem Roman ist auch die Mutter erst als alte Frau gestorben.
Beeindruckend fand ich, wie der Ich-Erzähler versucht, die Flucht und das Ankommen im Westen auf S. 65f. möglichst lange herauszuzögern
Beeindruckend Ja, aber ob so ein Zehnjähriger tickt?
Mich wundert es, dass Ostbürger solch ein negatives Standing im Westen hatten
Mag sein, dass Menschen aus der „ Zone“ damals scheel angesehen wurden. Allerdings war in jenen Zeiten ein Zugezogener immer ein Fremder. Mein Vater kam Mitte der 1950er Jahre aus Bayern in ein kleines badisches Dorf und empfindet sich bis heute als nicht richtig zugehörig.
Dass der jeweilige Besitzstand maßgeblich war, war wohl ausschlaggebender. Leute aus der Siedlung hatten nichts, gehörten nicht dazu, deren Kinder waren nicht auf dem Gymnasium. Aber das gibt es heute noch. In vielen Städten gibt es Ecken, wo die sozial Schwachen wohnen. Heute leben dort meist Migrantenfamilien.
Ich gerate richtig in eine Art Rausch,
Das Lesen bleibt für mich konzentrationsintensiv
Ich bin hier mehr bei @ Literaturhexle, von Rausch spüre ich wenig.
 

Literaturhexle

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Allerdings ist Burckhardt schrecklich gemein zu Karsten.
Ist er das wirklich? Er ist eklig mit seinem Rotz, argwöhnisch dem Fremden gegenüber, wird sich auf die Seite der Mehrheit geschlagen haben.
Aber Kinder platzen mit Neuigkeiten heraus und die Tragweite eines Todes wird ihnen zunächst nur über die Erwachsenen bewusst. Ich sehe da auch eine gewisse Bosheit aufblitzen, die aber das Zertrümmern der Geige nicht rechtfertigt. Dass erst mit dem Aussprechen der Tod real wird, ist ja eine Spinnerei unseres Protagonisten.
konnte man "den Sieg" feiern, die Überlegenheit der Bundesrepublik hatte sich eindeutig erwiesen.
Ja, das zum Einen und zum Anderen war man vielleicht weltoffener geworden, hat die Scheuklappen, wie auch RuLeka schreibt, ein Stückweit abgelegt. Früher hatten es alle Neuen tatsächlich schwerer, weil es so wenige gab. Heute sind sie gerade in der Nähe großer Arbeitgeber Gewohnheit.
Aber Karsten hätte vermutlich auch Schwierigkeiten gehabt, wenn die Umwelt ihn anders aufgenommen hätte. Er ist nunmal einer, der alles schwer nimmt. Als Mutterloser wird es gewiss nicht einfacher für ihn.

Dort resultiert aus dieser Kamera das Unglück der Eltern.
Toll, dass du das noch weißt!

Dass der jeweilige Besitzstand maßgeblich war, war wohl ausschlaggebender.
Es kommt halt alles zusammen bei Karsten. Bin schon neugierig, wie es nun weiter geht.
 

kingofmusic

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Das Lesen bleibt für mich konzentrationsintensiv.
Ein sehr schönes Wort für diese Lektüre :cool:.
eher ein Außenseiter zu sein.
Na ja, bei der Mutter wundert mich das nicht *hust*. Wenn sie unseren Prota nach Hause einlädt, um ihn zu begutachten, ob er es wert ist, neben ihrem Sohn zu sitzen...Wahrscheinlich hat sie alle Kinder so "begutachtet" :p:D.
Ich lese gerne weiter, komme aber langsam nur voran;)
Ist bei dem Buch nicht das Schlechteste. Ich lese auch pro Tag nur einen Absatz :).
Er informiert ihn als Erster "offiziell" über den Tod Karstens Mutter, um ihn zu kränken.
Dann muss der Lehrer in der Schule ja "geplaudert" haben, nachdem Karsten das Klassenzimmer verlassen hat, was ich auch nicht so ohne weiteres gutheißen kann...
 

Barbara62

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Dann muss der Lehrer in der Schule ja "geplaudert" haben, nachdem Karsten das Klassenzimmer verlassen hat, was ich auch nicht so ohne weiteres gutheißen kann...
Das ist immer ein Spagat. Wenn man es positiv sieht, wird die Klasse darauf vorbereitet, was mit Karsten geschehen ist, warum er vermutlich traurig sein wird in der nächsten Zeit, wie man mit ihm umgehen soll usw.

"Konzentrationsintensiv" trifft es haargenau, wobei @kingofmusic recht hat: Es wird einfacher. Es werden keine neuen "Baustellen" eröffnet, nur alte konkretisiert. Trotzdem wird mir der Zusammenhang zwischen der Flucht und den Erlebnissen in Italien und Irland noch nicht schlüssig erklärt, außer, dass ein einzelner Tag bei allen drei eine Rolle spielt.

Alles, was mit der Flucht zu tun hat, lese ich inzwischen ausgesprochen gern, auch wenn ich mich in den Protagonisten nur schwer hineinzuversetzen mag, die anderen Teile wirken auf mich gewollt. Es wird mir nicht schlüssig erklärt, warum sie erzählt werden müssen. Mal sehen, ob sich das noch ändert.

Aber wie gesagt, der zweite Teil hat mir deutlich besser gefallen als der erste!
 

kingofmusic

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Es wird mir nicht schlüssig erklärt, warum sie erzählt werden müssen.
Vielleicht hat es mit seiner Arbeit als Reisereporter zu tun. Er macht sich ja auch immer wieder Notizen für den Artikel über "politische Orte" - und sowohl Italien als auch Irland sind (durchaus) politisch. Okay, eigentlich jedes Land, aber da hat er sich ja jeweils länger aufgehalten. In Italien (meine ich) mindestens 1 Jahr.
 

kingofmusic

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Wenn man es positiv sieht, wird die Klasse darauf vorbereitet, was mit Karsten geschehen ist
Kann natürlich auch sein. Aber ich glaube (ich will jetzt nicht wieder "schwarz" malen :D): bei "Außenseitern" wie Karsten ist es egal, was da in der Familie passiert - sie werden weiterhin traktiert. Zum Glück wissen wir es nicht ha ha ha.
 

Christian1977

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Aber Kinder platzen mit Neuigkeiten heraus und die Tragweite eines Todes wird ihnen zunächst nur über die Erwachsenen bewusst. Ich sehe da auch eine gewisse Bosheit aufblitzen, die aber das Zertrümmern der Geige nicht rechtfertigt.
Ich muss Karsten weiterhin in Schutz nehmen ;). Ich hatte schon das Gefühl, dass Burckhardt ihn damit verletzen wollte. Das war ja nicht die einzige Bosheit. Er machte sich auch gleich darüber lustig, dass Karsten vermeintlich von der Schule fliegt. Und mit seiner blöden Geige hat er sich auch furchtbar angestellt. Außerdem gebe ich zu bedenken, dass die Geigen-Aktion im November passiert - also 1,5 Jahre nach der Flucht. Wer weiß, was da alles an bösen Dingen gelaufen ist...
 

Literaturhexle

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Er machte sich auch gleich darüber lustig, dass Karsten vermeintlich von der Schule fliegt.
Moment. Karsten vermutet, dass Burckhardt das glaubt... Ich vermute, da wird irgendwas gelaufen sein. So eine Vermutung kommt ja nicht von ungefähr. Vielleicht erfahren wir noch mehr dazu. Ich bin eben erst auf Seite 100.
B. ist alles andere als ein Sympathieträger, keine Frage!
 

Literaturhexle

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Es wird mir nicht schlüssig erklärt, warum sie erzählt werden müssen. Mal sehen, ob sich das noch ändert.
Ich gehe davon aus. Loschütz ist ein literarischer Hochkaräter und am Ende fügt sich eins ins andere. Allerdings MÜSSTE man die Lektüre wahrscheinlich gleich noch einmal von vorne beginnen - sowas haben wir hier ja häufiger;)

wird die Klasse darauf vorbereitet, was mit Karsten geschehen ist, warum er vermutlich traurig sein wird
Genau. Hier dürfte auch der Ton die Musik machen. Dass der Lehrer es ansprechen muss, ist eigentlich richtig. In der Situation braucht ein Kind Empathie. Ob die von DIESEM Lehrer allerdings erwartbar ist:confused:???
 

Barbara62

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Wir erfahren über ihn nur aus der Sicht von Karsten. Die Geige an sich ist kein Minuspunkt (Stichwort "blöde Geige" @Christian1977, junge Geiger können auch sehr nett sein...;)). Hat Karsten sich um ihn bemüht? Ich vermute eher nicht. Er wollte alles nur doof finden.