Im zweiten LA tritt Mrs. Dalloway etwas in den Hintergrund und es geht zunächst um Peter Walsh, seine Erinnerungen an die gemeinsame Zeit (als er verliebt in sie war, sie aber an "Ich heiße Dalloway" verlor) und auch um Sally Seton, die er als recht vorlaut und nicht so ganz gesellschaftsfähig in Erinnerung hat. Die Autorin teilt kleine Seitenhiebe aus, über Mrs. Dalloways Ehe heißt es: "Doppelt so intelligent wie er, musste sie alles mit seinen Augen sehen - eine der Tragödien des Ehelebens." (Wer "Middlemarch" mitgelesen hat, erinnert sich vielleicht noch, wie die junge Dorothea die sinnlosen Forschungen ihres Mannes Casaubon weit besser verstand als er selbst, das aber rnicht mal vor sich selbst zugeben wollte!)
Mit Walsh selbst ist das Leben nicht sehr freundlich umgegangen. Er muss sich noch im reifen Alter nach Verdienstmöglichkeiten umsehen.
Sehr beeindruckt hat mich die Schilderung der depressiven Zustände und Angstattacken, unter denen Mr. Smith leidet. Sie kapseln ihn derart von der Außenwelt ab, dass er die Sehnsüchte und die Trauer seiner Frau nicht nachvollziehen kann; die gemeinsame Tragödie bringt sie nicht zusammen, sondern treibt sie auseinander: "Seine Frau weinte, und er empfand nichts; aber jedes Mal, wenn sie auf diese unstillbare, wortlose, hoffnungslose Weise schluchzte, tat er einen weiteren Schritt auf den Abgrund zu. Und jetzt senkte er mit einer mechanischen melodramatischen Geste und im vollen Bewusstsein seiner Unaufrichtigkeit den Kopf auf seine Hände. Jetzt hatte er aufgegeben." (S.161) Hier hat mich die Beschreibung dieser Geste, des "Bewusstseins der Unaufrichtigkeit", sehr beeindruckt. Selbst in seiner Bedrückung empfindet er sich als "falsch". Er empfindet sogar einen gewissen Stolz auf seine Ausgestoßenheit (s. 166). Das ist ein furchtbarer Zustand und sehr einfühlsam geschildert. Auch der Arzt kann ihm nicht helfen, Septimus scheint den Arzt sogar als Feind anzusehen (allerdings ist der Arzt auch wirklich nicht hilfreich, er redet mit seinem Patienten, als wäre er bescheuert!).
Ich muss immer sehr genau lesen, oft auch mal einen Absatz mehrmals, aber die Kunst, mit der dieses Buch geschrieben ist, kann ich nur einmalig nennen. Hut ab.