2. Leseabschnitt: S. 88 bis S. 162

Barbara62

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19. März 2020
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Das dachte ich mir auch. Die Kinder könnten jede Art Unterstützung gebrauchen, aber sicher keine Nachthäubchen. Der gute Wille ist ja lobenswert. Wer sich aber so gar nicht für die wahren Bedürfnisse interessiert, macht das doch nur, um sein Gewissen zu beruhigen.
Ich weiß nicht, wie die besser gestellte häkelnde Dame um 1900 sich hätte informieren können. Die Aufrufe für die Mützchen kamen ja wohl aus kirchlichen Kreisen, die es natürlich besser wussten, aber die Häkelkränzchen damit beschäftigen wollten.
 

Die Häsin

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Rhönrand bei Fulda
Ich habe auch so meine Probleme mit dem Buch. Das Thema interessiert mich zwar sehr, aber ich müsste eigentlich ständig googeln, und ich mag ja nicht am Computer sitzend lesen.
Bin etwas unzufrieden; wenn es dem Autor daran gelegen war, diese unrühmliche Epoche deutscher Politik ins Gedächtnis zu rufen, dann hätte er das m.E. ruhig in etwas griffigerer Form machen können. Leider hänge ich im Moment nach, da ich Hausbesuch habe. Hoffe aber, euch wieder einzuholen... Am besten gefallen haben mir bisher die Schilderungen von Westrup: seine Bemühungen, die Nama-Sprache zu lernen, sein Mundharmonikaspielen und Jodeln im genau falschen Moment... Vorgestern war ich bis zu der Stelle seines Verschwindens gelangt, dann habe ich gemerkt, dass ich anscheinend einige Seiten nicht richtig gelesen hatte, und musste noch einmal zurück. Aber wie gesagt, ich finde hoffentlich den Anschluss wieder.
 

Emswashed

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Gorths Mutter häkelte Wollmützchen für die Afrikaner, an anderer Stelle heißt es, dass gehäkelte Betthäubchen nach Afrika geschickt wurden.

Das erinnert mich an das Versenden von Milchpulver in Hungergebiete, deren Bevölkerung hauptsächlich laktoseintolerant sind (als Erwachsene).

Gut gemeint ist eben noch lange nicht auch gut gemacht.
 

Emswashed

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Timm pflückt sich einzelne Pioniere der Kolonialherren heraus und erzählt deren Geschichte, gespickt mit Anekdötchen, die manches Mal an den Haaren herbeigezogen sind. Dadurch gibt er diese "Helden" der Lächerlichkeit Preis. Das gefällt mir ausgesprochen gut und ich amüsiere mich köstlich.

"An den Haaren herbeigezogen" denke ich bei Timm weniger. Er sieht die Dinge aus einer anderen Perspektive und kann wahrscheinlich aus Details Geschichten schreiben, die in "anderen" Dokumenten für die Deutschen wesentlich heldenhafter klingen.
 

Emswashed

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Toll fand ich hier das weiße Beet! Wenn es so einfach wäre, hätten das die Einheimischen sicher schon gemacht. aber der deutsche Herrenmensch denkt natürlich, er hat die Weisheit allein mit Löffeln gefressen. :D

Versuch macht "kluch", aber man hätte ja wirklich vorher mal fragen können.... ach nee, geht ja nicht, man kennt die Sprache ja nicht.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Ich habe auch so meine Probleme mit dem Buch. Das Thema interessiert mich zwar sehr, aber ich müsste eigentlich ständig googeln, und ich mag ja nicht am Computer sitzend lesen.

Och, nicht aufgeben! Aber auch nicht jedes Detail googeln, dafür sind wir ja hier. Und so wie ich Timm kenne, stimmts zum Schluss im Großen und Ganzen wieder.
(Oberflächliches Zusammengeschreibsel, einfach und griffig, können andere. Dabei geht aber eine Menge verloren.)
 

Emswashed

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Das ist keine zeitgenössische Einschätzung, sondern Timms Zusammenfassung eines Kriegsgeschehens. Und verstörte mich deshalb doch ziemlich.
Das Buch verwirrt mich deshalb sehr und ich weiß wirklich noch nicht, was ich davon halten soll.

Das ist Timms Art, sich voll und ganz auf die Geschichte einzulassen und sich nicht auktorial zum Richter ernennen zu lassen. Jeder soll sich selbst seine Gedanken machen, was gut und was böse ist.
 

Renie

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"An den Haaren herbeigezogen" denke ich bei Timm weniger. Er sieht die Dinge aus einer anderen Perspektive und kann wahrscheinlich aus Details Geschichten schreiben, die in "anderen" Dokumenten für die Deutschen wesentlich heldenhafter klingen.
"An den Haaren herbeigezogen" trifft nicht ganz, was ich sagen möchte. Eigentlich meine ich Timms sehr lustige Übertreibungen und Ausschmückungen: die sprechenden Ochsen, Brüste groß wie Kürbisse. Oder Gorths Verlobte, die in Rüschenkleid, Lackstiefeln und Blumenhut auf einem Ochsen reitet.
Eine Frau, die ihren Verlobten in Afrika finden will - komme, was da wolle - ist schon sehr heldenhaft. Doch die Art, wie Timm diese Heldin darstellt, zieht ihr heldenhaftes Anliegen durch den Kakao. Und so macht er es mit allen anderen "kolonialen Helden" ebenfalls.
 

RuLeka

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"An den Haaren herbeigezogen" trifft nicht ganz, was ich sagen möchte. Eigentlich meine ich Timms sehr lustige Übertreibungen und Ausschmückungen: die sprechenden Ochsen, Brüste groß wie Kürbisse. Oder Gorths Verlobte, die in Rüschenkleid, Lackstiefeln und Blumenhut auf einem Ochsen reitet.
Eine Frau, die ihren Verlobten in Afrika finden will - komme, was da wolle - ist schon sehr heldenhaft. Doch die Art, wie Timm diese Heldin darstellt, zieht ihr heldenhaftes Anliegen durch den Kakao. Und so macht er es mit allen anderen "kolonialen Helden" ebenfalls.
Timm greift nicht wertend ein, aber durch seine zugespitzte Art der Darstellung wirken einige Figuren lächerlich. Er zeigt dabei auch, was es heißt, mit seinen europäischen Vorstellungen hierher zu kommen, statt offen für neue Erfahrungen zu sein. Z. B. der deutsche Missionar, der glaubt, barhäuptig durch die Welt gehen zu müssen, statt sich dem Klima anzupassen.
 

Mikka Liest

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@MRO1975 @Barbara62

Eine optische Hervorhebung hätte mir sicher auch geholfen! Aber je mehr ich lese, desto einfacher fällt es mir, mental "umzuschalten" zwischen den unterschiedlichen Arten der Erzählung.

@Barbara62

Ein bisschen frage ich mich ja auch, ob die Mützchen überhaupt WIRKLICH verschickt wurden, oder klammheimlich entsorgt – wenn es denn um die Beschäftigung der Damen ging...

Meine Oma hat früher in dem Damenkränzchen ihrer Kirche viel gestrickt und gehäkelt, aber die Sachen gingen dann wenigstens wirklich in Länder, wo es im Winter verdammt kalt werden konnte! Die Stricksachen plus Lebensmittel usw. wurden von dem Enkel einer der Damen zweimal im Jahr persönlich abgeliefert, so dass man sicher sein konnte, das sie auch ankamen.

@Die Häsin

Man gewöhnt sich an die rein faktisch orientierten Passagen, finde ich! Ich habe aber auch eine ganze Weile gebraucht, bis ich besser zwischen Roman und fast-schon-Sachbuch umschalten konnte.

@Renie

Diese Geschichten mit den sprechenden Ochsen und Ähnlichem erinnern mich an afrikanische Volkserzählungen, was ja perfekt in die Thematik passt! Gefällt mir sehr gut, wie Timm das hier so nahtlos einfließen lässt.

@RuLeka

Bei dem barhäuptigen Missionar habe ich fast damit gerechnet, dass der schon nach kurzer Zeit an Hitzschlage stirbt...
 

Die Häsin

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Ich habe mich beim Lesen mehrmals gefragt, warum eigentlich Europäer in dieses Land kommen. Es wird immer wieder betont, wie wenig es für ihre Pläne geeignet ist: Das Klima ist mörderisch, es regnet viel zu selten, das Land ist steinig, es wachsen nicht mal Bäume. Wo es Wasser gibt, stellt sich heraus, dass es Salzwasser ist! Und dann noch diese irren Pläne wie Eishockeybahnen oder Solebäder. Gottschalks Vorstellungen von seiner Farm, die immer wieder erwähnt werden - die Pläne, die er zeichnet - kommen mir reichlich märchenhaft vor.

Kropotkins Buch "Gegenseitige Hilfe" kann man über Googlebooks übrigens z.T. einsehen. Ich habe letzten Winter ein wenig darin gelesen, nachdem ich in einem anderen (aus dem Russischen übersetzten) Buch darauf gestoßen war. Hineinschauen lohnt sich.

Das Kapitel Landeskunde 1 (mit Gorth und den Ochsen) hat mir sehr gefallen.

Ist euch übrigens auch die Stelle im Kapitel "Sich die Hände schmutzig machen" aufgefallen, als Gottschalk sich beim Rasieren plötzlich selbst nicht wiedererkennt? Mich hat das an eine Passage viel weiter vorn erinnert (im Kapitel "Wenstrups Verschwinden"), als Wenstrup das "Gefühl der Sinnlosigkeit" am Beispiel der täglichen Rasur erklärt. Es muss doch etwas bedeuten, dass Gottschalk dann ausgerechnet beim Rasieren bemerkt, wie sehr ihn der Aufenthalt in diesem Land verändert hat. "Ein Entsetzen über fehlendes Entsetzen".
 

wal.li

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Ich merke, dass es mir nach einem langen Arbeitstag schwer fällt, mich auf das Buch zu konzentrieren. Da bevorzuge ich doch die freien Tage.
Ich frage mich, ob wir je erfahren, was mit Wenstrup passiert ist. Das mit seiner Beförderung ist eine Posse. Das ist aber heutzutage auch nicht viel anders.
Den Teil mit dem Missionar Gorth fand ich etwas zu beschreibend. Da habe ich mich mehrmals beim Querlesen erwischt.
Schlimm fand ich die Aufzeichnungen zur Prügelstrafe. Aus heutiger Sicht weiß ich nicht, wie man überhaupt auf solche Bestrafungen kommt. Und so lange ist das noch garnicht her.
 

Die Häsin

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Die Prügelstrafe hat wahrscheinlich ihren Ursprung in der Sklaverei. Geld- oder Freiheitsstrafen sind keine Option, denn Sklaven haben weder Geld noch Freiheit. Mithin bleiben nur Körperstrafen wie Prügel oder Nahrungsentzug, wobei natürlich die Arbeitskraft des Sklaven (sofern er noch welche hat) erhalten werden soll; daher die Überlegungen im Tauende-Kapitel.
 

RuLeka

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Es muss doch etwas bedeuten, dass Gottschalk dann ausgerechnet beim Rasieren bemerkt, wie sehr ihn der Aufenthalt in diesem Land verändert hat. "Ein Entsetzen über fehlendes Entsetzen".
Beim Rasieren schaut man in einen Spiegel. Und da macht man doch wohl öfter solche Überlegungen, wie Wer bin ich ? Habe ich mich verändert ?
 
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