2. Leseabschnitt: S. 71 bis S. 144

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.488
50.100
49
Ich habe mich auch über diese Stelle gewundert und konnte sie nicht deuten. Dann bin ich mal gespannt.
Es ist ein besonderes Kreuz an einem besonderen Ort....
Jetzt im zweiten Abschnitt frage ich mich immer mehr, von wem der Brief stammt, den Tatjana vor einem Jahr bekommen hat. Auf den sie die ganze zweite Hälfte ihres Lebens gewartet hat.
Auch das ist ein wichtiger Cliffhanger, der erst ganz am Ende aufgelöst wird.

Ich finde es sehr interessant: beide Stellen hatte ich recht schnell wieder vergessen, weil mich das Weitere so gepackt hatte.
Gerade das Kreuz war völlig weg.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Zwischendurch habe ich den Verdacht, dass das Verhalten von Tatjana eine Masche ist. Sie ist zwar dement. Aber ihre Krankheit ist noch nicht besonders weit fortgeschritten. Und manchmal tut sie einfach nur so, als ob sie sich nicht erinnert. Vielleicht um ihr Gegenüber auf die Palme zu bringen. Oder vielleicht auch, um sich hinter der Fassade der alten, vergesslichen Frau zu verstecken. Wer weiß? Wundern würde es mich nicht. Denn sie scheint es faustdick hinter den Ohren zu haben.
Solche Gedanken hatte ich auch. Und das komische ist, das macht sie mir nicht unsympathisch. :);)
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Jetzt im zweiten Leseabschnitt bin ich mit der Geschichte schon besser zurechtgekommen. Allerdings wird der Roman nun auch interessanter und emotionaler.

Da ist einerseits Tatjana, die plötzlich das Problem hat, dass sie als Angehörige eines Kriegsgefangenen auch zu Hause in arge Nöte kommen kann. Man fiebert mit, ob ihr Trick aufgeht oder ob sie entdeckt wird. Das bringt Spannung in die Geschichte. Man ahnt, dass in der UDSSR zu Kriegszeiten, aber auch sonst sehr viel Unrecht begangen wurde und Tatjana noch eine Menge Schlimmes mehr wohl erleben muss.

Noch berührender fand ich den Teil um Lana und ihre Krankheit. Endlich erfahren wir, was Sascha so sehr belastet. Wie furchtbar, dass Alexander in der Zeit der Trauer auch noch so kritisiert und wenig unterstützt wird, sogar vom eigenen Vater.

Beim Lesen merke ich immer wieder, wie fremd Russland mir eigentlich ist. Vielleicht ist es tatsächlich ganz gut, dass ich mich nun durch den Roman mal intensiver mit dem Land und seiner Geschichte beschäftige.
Beide Charaktere wachsen mir immer mehr ans Herz und das Aufdröseln ihrer Geschichten bringt eine Spannung/einen Sog in die Geschichte. Bei Sascha habe ich fast genau so etwas vermutet, ein tiefes Trauma. Und ich bin mir immer noch sicher. Hier kommt noch viel mehr. Ich bleibe bei meinem Eindruck. Ein 5 Sterne Buch!
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Alexanders Schicksal mit seiner Frau ist extrem heftig, das hat fast was von der "Lovestory" - da hätte es ein bisschen weniger Dramatik für mich auch getan.... Interessant die Konflikte, die sich auftun: Ist es rechtens, eine hirntote Mutter an den Geräten zu lassen, um das ungeborene Kind zu retten? Der Vater bemüht Gott, der Priester ist liberal und betet für das neue Leben. Hier wird eine aktuelle Debatte angerissen, solche Fälle hat es vereinzelt ja schon gegeben.
Interessant, dass du hier die Dramatik ins Spiel bringst. Ich empfand es nicht annähernd an russisches/weißrussisches/ukrainisches Drama anknüpfend. Ich denke hier geht noch deutlich mehr. Ich fand es in der Intensität vollkommen ausreichend. Mehr wäre zu viel geworden.

Ebenso interessant finde ich die Konflikte, die sich hier auftun. Und ebenso interessant wäre es zu wissen, wie der Autor in seiner Heimat ankommt. Spricht er doch Dinge an, die für Kontroversen sorgen könnten, gerade in seiner Heimat.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Sehr interessant finde ich den Satz auf Seite 131
"Ich habe heute bei Solschenizyn gelesen, dass der Krebs die Menschen liebt, und wen er liebt, den lässt er nie wieder los."
Wenn man diesen Satz zu seinen Gulag Büchern in Bezug setzt, gewinnt der ganz neue Bedeutung zu diesem menschenfressenden Gulag-System.
 

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.869
7.759
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Abschnitt zwei ist gelesen - und irgendwie kommt der Roman gerade etwas anders bei mir an als bei den meisten hier. Ich finde ihn trotz der schweren Schicksale der beiden Hauptcharaktere irgendwie reichlich distanziert. Interessante Fakten, die hier zutage kommen und auch für mich neu sind, zweifelsohne. Aber zu den Charakteren kann ich bisher keine wirkliche Verbindung aufbauen. Ein Dilemma, ein fürchterliches Ereignis wird kurz angeschnitten, steht im Raum - und zerplatzt dann rasch wieder, weil man sich dem Hier und Jetzt wieder widmet. Das Thema selbst beschäftigt mich zwar weiter, aber die Emotionalität geht rasch verloren. Ich weiß nicht, ob ich mich hier deutlich ausdrücke, aber mir fehlt da irgend etwas. Naja, mal schauen - womögilch ändert sich das ja noch. :)
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.706
22.132
49
Brandenburg
Besonders perfide ist natürlich auch die Praxis derSippenhaft.

!!!

und Stalin erst kürzlich bei einer Umfrage wieder als „größte Persönlichkeit der Geschichte“ b

*kotz*
Dann erfahren wir Saschas Geschichte, den Tod seiner Frau und die sehr besondere Geburtssituation der Tochter. Auch sehr harter Tobak! Respekt vor Sascha, dass er diese Situation so bewältigt hat!

Kommt dir das Ganze nicht ein bisschen "too much" vor??
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.706
22.132
49
Brandenburg
Zwischendurch habe ich den Verdacht, dass das Verhalten von Tatjana eine Masche ist. Sie ist zwar dement. Aber ihre Krankheit ist noch nicht besonders weit fortgeschritten. Und manchmal tut sie einfach nur so, als ob sie sich nicht erinnert. Vielleicht um ihr Gegenüber auf die Palme zu bringen. Oder vielleicht auch, um sich hinter der Fassade der alten, vergesslichen Frau zu verstecken. Wer weiß? Wundern würde es mich nicht. Denn sie scheint es faustdick hinter den Ohren zu haben.

Weiß nicht. Sie ist einsam. That's all.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.706
22.132
49
Brandenburg
Auf Seite 101 gibt es einen Abschnitt, in dem das "Kreuz" im Fokus steht. Er ist sehr poetisch geschrieben. Und irgendwie verursacht er einen Bruch in der Handlung.
Was könnte es damit auf sich haben?
Uns begegnet zwar in dem Buch das Kreuz in unterschiedlichen Varianten, doch habe ich die Symbolik noch nicht verstanden. Kann mir jemand auf die Sprünge helfen?

"von unten getränkt mit dem Blut der Erde" erscheint mir der Abschnitt eine Abstraktion vom Erzählten, eine allgemeine Warnung, das Leid nicht zu verherrlichen ("dass die Leute ihn manchmal für einen Sonnenuntergang hielten und ihn versunken betrachten").

Solche Abstraktionen vom gerade Erzählten (der Story von Tatjana und Alex/Lana) finden sich immer wieder im Buch und machen es (für mich) wertvoll.
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.706
22.132
49
Brandenburg
irgendwie reichlich distanziert.

Das stimmt auch. Es wird zwar eine Story erzählt von zwei Menschen, aber die eigentliche Story ist die Geschichte des Landes. Wie es dort funktioniert oder eben nicht funktioniert m.a.W. die Unmenschlichkeit des Systems. Alex und Tatjana sind beliebige Opfer. Es könnten auch andere sein. Aber dass es Opfer geben wird bzw. gegeben hat, das ist sicher. Oder sogar geben muss.
 

kingofmusic

Bekanntes Mitglied
30. Oktober 2018
7.321
19.035
49
48
Mein Gott, das Buch hat mittlerweile so einen Sog entwickelt, dass man es kaum noch aus der Hand legen kann. Ich finde beide Storylines unfassbar traurig. Ekelhaft, was Regierungen und Krebs den Menschen antun können.

Beeindruckend fand ich auch den Satz von Lana auf S. 133: [zitat]Stell dich doch nicht so an! Wein doch einfach! Wenn man euch Jungs nicht von Anfang an verbieten würde zu weinen, dann ginge es auf dieser Welt viel harmonischer und freundlicher zu.[/zitat]
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.706
22.132
49
Brandenburg
Mein Gott, das Buch hat mittlerweile so einen Sog entwickelt, dass man es kaum noch aus der Hand legen kann.

ich frag mich, woran das liegt. Es ist die Schreibweise oder? Modern und unverkrampft. Mit Archipel Gulag hab ich mich seinerzeit so schwer getan, dass ich es abgebrochen habe.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.488
50.100
49
ich frag mich, woran das liegt. Es ist die Schreibweise oder? Modern und unverkrampft. Mit Archipel Gulag hab ich mich seinerzeit so schwer getan, dass ich es abgebrochen habe.
Es ist ziemlich dialoglastig und erzählt einfach schnörkellos eine spannende Geschichte, von der man wissen will, wie es weitergeht.
Im Grunde ein Schmöker mit ernstem Hintergrund und eingestreuten Quellen und poetischen Texten.
 

kingofmusic

Bekanntes Mitglied
30. Oktober 2018
7.321
19.035
49
48
ich frag mich, woran das liegt. Es ist die Schreibweise oder? Modern und unverkrampft. Mit Archipel Gulag hab ich mich seinerzeit so schwer getan, dass ich es abgebrochen habe.
Archipel Gulag würde ich gerne mal lesen wollen. Bin da durch eine Dokumentation auf Arte oder 3Sat drauf gekommen.