Ingesamt wird meiner Meinung nach "Serge" besser. Ich finde die Dialoge zeitweilig authentisch und sehr gelungen und das Familiengeflecht hat sich etwas entwirrt. Es wird sicherlich nicht mein Buch, aber ich beginne zumindest mich für die Geschichte zu interessieren - das ist doch schon mal etwas.
Momentan sehe ich diesen Roman noch als Mischung aus unterschiedlichen Themen, allen voran die Familiengeschichte, also was den Umgang der Familienmitglieder miteinander betrifft; dann hätten wir das Vater/Tochter-Thema; das Thema "jüdische Identität" (wurde bisher nur angekratzt);
Thematisch finde ich es auch noch etwas umfokussiert und auch wenn ich manchmal (immerhin) schmunzeln muss, ist mir der ganze Roman doch etwas zu unelegant, zu wenig raffiniert. Ich habe es ja nicht so mit zu offensichtlicher Didaktik oder Kritik und da kommt die Auschwitz-Episode natürlich sehr transparent mit ihrem - natürlich absolut berechtigten - Anliegen herüber.
Ich kann außerdem leider nicht vermeiden in Gedanken "Serge" mit "Viktor" von Judith Fanto zu vergleichen (auch, wenn man das nicht tun sollte), wo es auch um die Suche und Erforschung jüdischer Identität, um KZ und Familiengeschichte geht, ein Text mit sehr viel Humor, aber einfach so gelungen.
Ich stimme der Kritik er Autorin zu, an diesem Gedenktourismus.
Ich teile diese Aussagen, denn es sind Dialoge, die klar, aber ohne erhobenen Zeigefinger geschrieben werden, dazu die Auschwitz besuchenden Touristen in Shorts und geblümten Urlaubshemden, das ergriffene Schaudern beim Anblick der Wand, eine klare Sprache, die einfach die einzelnen Eindrücke an den einzelnen Besucherpunkten in Auschwitz beschreibt, teilweise beinahe komisch und gerade deshalb so beklemmend und böse
In diesem LA bin ich ganz klar von dem Thema "Betroffenheits-Tourismus" angefixt. Die Schilderung des Auschwitz-Tourismus beschäftigt mich gedanklich sehr und wirft Fragen auf, bspw. was Betroffenheit ausmacht. Ab wann wird "erzwungene und aufgesetzte" Betroffenheit zu echter Betroffenheit?
Ich auch. Diese fast schon absurde Art der mit mehr oder weniger Betroffenheit reagierenden Touristen, das Ansinnen Fotos unter dem Lagertor zu machen - das ist verstörend, aber leider realitätsnah. Ich finde es auch interessant, dass die Frage nach angemessener Kleidung für den Besuch eines solchen Ortes aufgeworfen wird. Im Grunde war dieser Blick auf den Tourismus das bisher stärkste Element des Romans. Allerdings habe ich Schwierigkeiten eine solche Thematik mit der sonst mitunter sehr brachial daherkommenden Komik zu verbinden.
Bei der Schilderung des Lagerbesuch musste ich doch mit mir kämpfen, dass ich weiterlese. Zu ausgeprägt war mein Gefühl von Unangemessenheit, von unangebrachter Flapsigkeit.
Warum muss man an Orten des Schreckens fotografieren? Sprechen die Einrichtung, das Gelände etc. nicht für sich und formen "eigene" Fotos, die sich auf immer und ewig in unser Gedächtnis brennen?
Genau meine Gedanken in Anbetracht der Fotosession am Eingang zum Lager. Es gibt Orte, von denen ein "gedankliches" Foto reicht und sicherlich stärkere Wirkung hat als ein instagramtaugliches Selfie mit verschiedenen Versionen eines Lächelns...
Ich habe (als ich vor knapp 3 Jahren in Bad Berka zur Reha war) in Buchenwald nicht ein einziges Foto gemacht - die Erinnerung an das Gelände, die großartige Ausstellung, die Schreie der ehemaligen Gefangenen - das alles hat sich in meinem Kopf eingebrannt, dass ich überhaupt keine (digitalen) Fotos brauche, um mich an diesen Ort erinnern zu können.
Ich war vor fast zwanzig Jahren in Buchenwald, auch ohne Kamera. Ich hatte weder das Bedürfnis noch überhaupt einen Gedanken daran, dort Fotos zu machen. Aber die Stille, die Atmosphäre, der Berg Schuhe in der Ausstellung und noch einige andere Dinge sind auch bei mir eingebrannt. Wenn man einmal an so einem Ort war, vergisst man es nicht mehr.
Nein, man kann sich erst "ein richtiges Bild" machen, wenn man die Orte leibhaftig gesehen hat.
Ich glaube auch. Diese Orte lösen Gefühle aus, die Bücher und Berichte - auch wenn ich das geschriebene Wort sehr schätze - nicht unbedingt ersetzen können.