2. Leseabschnitt: S. 102 bis S. 176

MRO1975

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Ich war überrascht, wie gut er es dann doch wegsteckt, ich glaube, das ist seiner Liebe zu seinem Bruder geschuldet.
Die angebliche Verletzung seiner Ehre hat ihm schon ganz schön zu schaffen gemacht. Am Ende hat er aber richtig erkannt, dass er an der Situation nichts mehr ändern kann. Der „Schaden“ war angerichtet. Die einzig richtige Entscheidung war daher, seinem Bruder und seiner Schwägerin zu verzeihen. Es bringt ja nichts, in einer solchen Lage noch die Familie zu spalten. Dennoch war das für ihn ein großer Schritt und zeigt, dass er Charakter hat.
 

Momo

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Das hat mich sehr überrascht. Chinesische Kollegen meines Mannes haben dagegen gesagt, dass sie an der Physiognomie erkennen könnten wer Japaner, Chinese oder Koreaner ist.
Ich gehe aber davon aus, dass die Autorin Recht hat und rein vom Äußeren (abgesehen von der Kleidung) kein Unterschied zu erkennen ist. Nur am Akzent, an der Sprache und was ganz bestimmt der Fall sein wird: am Namen.
Ich bin bespannt wie Sunjas Söhne mit der Situation umgehen werden. Werden sie sich als Japaner ausgeben, wollen sie das oder geht das gar nicht?

Für uns Europäer ist zunächst mal nicht nachvollziehbar, warum die Japaner die Koreaner so verachten. Aus dem Buch erfahren wir, dass Japaner zu der Zeit offensichtlich viel fortschrittlicher und reicher waren und sie waren Besatzungsmacht. Vielleicht fühlen sie sich auch traditionell von ihrer Kultur her überlegen.

Ich habe in meinem ganzen Leben eine einzige Chinesin gesehen, wie ich sie damals nur aus Büchern kannte. Sie hatte richtige Schlitzaugen. Es ist schon längst alles vermischt, dass man diese Unterschiede nicht mehr so leicht erkennen kann. Aber trotzdem macht man sie an Äußerlichkeiten fest. Ist hier in Europa ähnlich. Die Südländer werden hier ja auch alle dunkel beschrieben, während die Noerdländer alle hell. Wenn eine Südländer eine helle Haut hat, aber dunkle Augen, dann sind es die dunklen Augen, die ihn zum Südländer machen, ohne zu bedenken, dass es im Norden und in Mitteleuropa, vor allem auch in Deutschland, jede Menge Deutsche mit olivefarbener Hautfarbe und mit dunklen Haaren und Augen gibt. So ähnlich stelle ich mir das auch in den asiatischen Ländern vor.

Der Rassismus in dem Buch macht mir auch sehr zu schaffen, ohne dass bedacht wird, dass es unter Menschen nur eine einzige Rasse gibt. So weit war man damals noch nicht und so weit ist man vierlorts auch heute noch nicht.

Scheinbar brauchen das die Menschen, diese Einteilung in Rassen, damit die ethnische Gruppe, die sich als die bessere Gruppe bezeichnet, Menschen hat, über die sie sich stellen können, wenn man bedenkt, dass es früher dieses Kastensystem gegeben hat.
 
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Momo

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Die angebliche Verletzung seiner Ehre hat ihm schon ganz schön zu schaffen gemacht. Am Ende hat er aber richtig erkannt, dass er an der Situation nichts mehr ändern kann. Der „Schaden“ war angerichtet. Die einzig richtige Entscheidung war daher, seinem Bruder und seiner Schwägerin zu verzeihen. Es bringt ja nichts, in einer solchen Lage noch die Familie zu spalten. Dennoch war das für ihn ein großer Schritt und zeigt, dass er Charakter hat.

Doch, es hätte anders und schlimmer kommen können. Er hätte Sunja verstoßen können und den Bruder vor die Wahl stellen.
 

Momo

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Peinlich fand ich die Szene mit dem Geistlichen namens Shin, der Sunja in Gottes Namen als Sünderin hinstellt. Ist schon ungerecht, dass der Mann, der ja noch viel älter als Sunja war, da sie in dem Liebesakt noch minderjährig war, nicht belangt wird.

Der strafende Gott lässt grüßen, wo ich mich frage, wer hier der Strafende ist. Die Menschen, oder Gott selbst? Was ist das für ein Gott, der Minderjährige sühnen lässt, während der erwachsene und den sexuell erregte Mann ungesühnt weiter leben lässt?

Auf der Seite 116 wird Sunja von der Mutter gemaßregelt. Sie solle Isak dankbar sein, dass er ihr das Leben gerettet habe. da er sie zur Frau genommen habe. Umgekehrt hätte auch Isak Sunja dankbar sein müssen, dass sie ihn zum Mann genommen hat. Tuberkulose ist eine schwer zu heilende Erkrankung und zumal noch anstecktbar. Aber Isak weiß das auch, und glücklicherweise ist er Sunja für die Heirat dankbar. Erwarten tut es nur keiner von ihm.
 

Renie

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Toll, wie Sunja mit dem Pfandleiher verhandelt! Hier kann sie ihre Selbständigkeit, die sie im männerlosen Zusammenleben mit ihrer Mutter gelernt hat, unter Beweis stellen
Osaka scheint Sunja gut zu tun. Hier kann sie sich ein paar Freiheiten nehmen, die sie in Korea, in ihrem kleinen Dorf, nicht hatte. Sie wirkt hier viel eigenständiger, auch wenn sie sich als Frau den Männern ihres Haushaltes unterwerfen muss. Doch sie findet mit ihrer Schwägerin immer noch Mittel und Wege, um sich ihre kleinen Geheimnisse zu bewahren und ihr eigenes Ding zu machen.
 

Renie

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Es war ja schon abstrus, dass Yoseb überhaupt die Schulden aufgenommen hatte: Er wollte dem jüngeren Bruder die Reise finanzieren, auch aus Gründen der Familientradition.
Da spielte bei ihm wohl ganz viel Stolz und Familiendenken eine große Rolle. Ich vermute, dass er aufgrund seiner Erziehung nicht anders konnte. Die Familie geht über alles. Da spielt es keine Rolle, ob man sich finanziell ins Verderben stürzt.
 

Literaturhexle

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Sie solle Isak dankbar sein, dass er ihr das Leben gerettet habe. da er sie zur Frau genommen habe. Umgekehrt hätte auch Isak Sunja dankbar sein müssen, dass sie ihn zum Mann genommen hat
Unterschätze die gesellschaftlichen Konventionen nicht! Es wird explizit geschildert, was die Geburt des unehelichen Kindes für Sunja und ihre Familie bedeutet hätte: Mutter und Kind hätten ihre Stellung und Ehre verloren u d selbst in das Logierhaus wäre niemand mehr gekommen. Mit anderen Worten: die Familie wäre ruiniert gewesen.
Isak hatte "nur" eine Krankheit...

Ich finde das nicht gerecht. Aber die Konventionen waren so und als "kleines Licht" kannst du nicht dagegen angehen.
 
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Momo

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Als Isak zusammen mit Sunja zurück zu seinem Bruder Yoseb
Unterschätze die gesellschaftlichen Konventionen nicht! Es wird explizit geschildert, was die Geburt des unehelichen Kindes für Sunja und ihre Familie bedeutet hätte: Mutter und Kind hätten ihre Stellung und Ehre verloren u d selbst in das Logierhaus wäre niemand mehr gekommen. Mit anderen Worten: die Familie wäre ruiniert gewesen.
Isak hatte "nur" eine Krankheit...

Ich finde das nicht gerecht. Aber die Konventionen waren so und als "kleines Licht" kannst du nicht dagegen angehen.

Keinesfalls möchte ich die gesellschaftlichen Konventionen unterschätzen, mir sind sie durchaus bewusst. Habe nur geschrieben wie ich es sehe, auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam machen wollen. Ich weiß selbst zu gut wie das ist, jedes Mal in Schubladen gesteckt zu werden oder für das Geradestehen müssen, was andere verbrochen haben .
 
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Momo

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Ich leide richtig mit mit den Figuren und hatte doch die Hoffnung, es fände im Laufe der nächsten Jahrzehnten noch ein gesellschaftlicher Wandel statt. Aber nein, meine Hoffnungen konnten nicht erfüllt werden. Sehr mutig von der Autorin und sehr versiert, diese politischen, gesellschaftlichen und persönlichen Problemen zu sprechen.
 

parden

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Der zweite Abschnitt ist nun gelesen - und ja, es ist plötzlich eine ganz andere Welt, da in Osaka. Anonymer zwar als auf dem Land in der Heimat, aber trotzdem eng gepfercht in Konventionen, Einteilung in Menschen verschiedener Klassen und klar vorgegebene Rollenbilder.

Ich mag den leisen Schreibstil und die liebevolle Zeichnung der Charaktere, und auch, dass Sunja unmerklich stärker wird, sich ihr Selbstbewusstsein nicht nehmen lässt. Das gefällt mir. Vermutlich wird sie das aber auch noch brauchen, da passiert sicher noch einiges...

Ich habe das Gefühl, dass die verkaufte Uhr noch Folgen haben wird. Immerhin wohnt Hansu in Osaka, der Sunja diese Uhr geschenkt hat - und der Pfandleiher hatte sofort eine Idee, wem er diese Uhr verkaufen könnte. Wenn das mal nicht noch zu Verwicklungen führt (die Familie braucht Geld, Hansu verlangt dafür einige Gegenleistungen o.ä.). Ich bin gespannt, ob Min Jin Lee dieselbe Idee hatte wie ich... ;)
 
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