2. Leseabschnitt: Quentin (S. 33 bis S. 55)

Querleserin

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Quentin ist uns schon im letzten Kapitel begegnet. Auch dieses wird aus der Ich-Perspektive erzählt, allerdings beginnt Quentin zu erzählen, wie er zum Laufen gekommen ist. Er war als Polizeiausbilder in Afghanistan und hat dort damit begonnen. Desillusioniert kehrt er aus dem Krisengebiet zurück und jobbt fortan drei Tage Inder Woche in einem Burgerladen und trifft sich mit Mattias, seinem besten Freund, wie es scheint. Auch Quentin zeichnet das Bild eines jungen Mannes, der viele Ideen hat, und dessen Freundin „ihn sortierte“ (38). Das klingt, als ob Amber ihn Erden würde.
Die Idee gemeinsam ein kleines Café aufzumachen verfolgt Mattias hartnäckig, doch offenkundig ist er vorher verstorben. „Am Tag nach Mattias lief ich 11,2 Kilometer.“ (41) Das ist Quentins Weg mit der Trauer umzugehen ( erinnert mich gerade an Laufen).

Als er Amber im Park trifft, ist die Trauer wieder da. Nach einer Verletzung nimmt er ein ungewöhnlichen Job an. Er joggt mit einem Blinden. Was haltet ihr vom Schluss dieses Kapitels?
 

Literaturhexle

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An das Buch Laufen von Bogdan musste ich auch denken, obwohl ich es nicht gelesen habe ;)

Ich fand es sehr nachvollziehbar, dass Quentin doch noch bei Chris angerufen hat. Der Schmerz hatte ihn aus seinem Laufrhythmus geholt. Ohne Aufgabe wäre er verrückt geworden im Zimmer...

Für ihn ist das Training mit dem Blinden ein neues Projekt, das ihm zunächst nur Ablenkung bringt. Er empfindet wider Erwarten aber eine Kameradschaft zu dem jungen Mann, der seine Unterstützung zwar braucht, aber offensichtlich ein Ziel verfolgt. Ob es wirklich die Teilnahme an den Paralympics ist - das kann ich noch nicht sagen. Aber für Quentin könnte das schon ein neues Ziel sein. Zumindest beobachtet er die Gesichtszüge der beiden Laufenden im Video sehr genau. Das geht ihm zu Herzen. Ich interpretiere es "als die Geburt eines neuen Zieles" für Quentin.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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Das geht ihm zu Herzen. Ich interpretiere es "als die Geburt eines neuen Zieles" für Quentin.
Das passt! Die Szene im Video selbst hat mich berührt- wie der Begleiter abwartet, damit die Athlet in selbst hören kann, dass sie einen neuen Rekord gelaufen ist. "Er hat darauf gewartet"(55).
Da ich schon weiter bin,
passt diese Aussage und das Verhalten auch auf Mathias.
 
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milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Für Quentin ist das Laufen offenbar ein Ventil. Es hilft ihm in der frustrierenden Zeit in Afghanistan. Und es gibt ihm auch danach Halt. Aber obwohl er sich nach Mattias‘ Tod auf das Joggen stürzt und lange Strecken zurücklegt, geht es ihm nicht gut. Die Beschäftigung mit Chris ist da eine gute Ablenkung und gibt ihm das Gefühl, gebraucht zu werden. Er tut es nicht aus Nächstenliebe, sondern für sich selbst. Das ist zumindest mein Eindruck.

@Querleserin: „Laufen“ von Isabel Bogdan liegt bei mir auch noch rum. Kannst du es empfehlen?
 

parden

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Im vorherigen Abschnitt hatte ich das Gefühl, dass Quentin und Amber nicht gut aufeinander zu sprechen sind. Die Begegnung im Park war beiden offensichtlich unangenehm. In diesem Abschnitt scheint es so, als sei zwischen den beiden eigentlich nichts vorgefallen, aber durch die Begegnung wurden sie wieder auf den Tod von Mattias gestoßen. Im Laufen steckt so viel Verzweiflung, der Versuch einer Betäubung, das Weglaufen vor Gefühlen. Auch ich sehe im Training mit dem Blinden den Versuch von Quentin, sich auf eine neue Aufgabe zu konzentrieren. Das Leben geht weiter und führt weg von Mattias.
 

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Ich muss sagen, der Autor knallt mir hier wirklich meine eigenen Vorbehalte und Erwartungen um die Ohren! Als Quentin im letzten Abschnitt das erste Mal auftauchte, cool und vermeintlich als Besitzer eines geifernden Pitbulls, hatte ich einen Eindruck von ihm, der sich hier deutlich revidiert.

Er kommt mir vor wie jemand, der durchaus immer noch das Bedürfnis hat, Menschen zu helfen, auch wenn er seit Afghanistan und besonders nach dem Tod von Matthias anscheinend versucht, das zu unterdrücken. Ich kann verstehen, dass seine Erlebnisse in Afghanistan ihn desillusioniert haben, und auch der etwas böse Humor (die Taliban kriegen Bußgeld fürs Falschparken) ist mehr als verständlich.

Interessant fand ich, dass sich hier manches in ein anderes Licht rückt. Quentin war sich ebenso bewusst wie Amber, dass Matthias von einem zum anderen springt und nicht an einer Sache dranbleibt, und das mit dem Café war keineswegs eine gemeinsame Idee, sondern Matthias hat zwei Stunden monologisiert – auch wenn sich Quentin später hat überzeugen lassen.

Er hat auch einen sehr fairen Blick auf Amber. Er nimmt den bitteren Unterton zur Kenntnis, wenn Matthias von Amber spricht, aber er sieht vor allem auch, dass Amber Matthias erdet. "Trotzdem lebte er durch nichts so sehr auf wie durch sie."

Für Quentin ist das Laufen etwas, das ihm hilft, durch seine Trauer zu kommen, aber er betreibt es so exzessiv, dass er sich buchstäblich die Füße kaputtläuft. Dass er jetzt doch mit Chris läuft, wird hoffentlich für beide eine großartige Sache sein.

Ich musste da auch an die blinde Youtuberin Molly Bourke denken. Die joggte in einem Video auch mit jemandem, in einem anderen fuhr sie sogar Inline-Skates. Das muss unheimlich viel Vertrauen erfordern, sich darauf zu verlassen, dass der andere einen schon auf Hindernisse hinweist.
 
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ulrikerabe

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Quentin macht auf vordergründig harter Typ. Er pusht sich mit Laufen, genauso wie mit Selbstbefriedigung und Porno. Wie nahe ihm der Tod von Mattias geht, merkt man an der Szene im Park "In dem Moment war der Verlust wieder da. ich kam nicht dran vorbei, konnte nicht mehr drum rumrennen." (S.44)

Laufen von Isabel Bogdan fand ich übrigens großartig. Das Buch ging mir sehr nahe.
 

Sassenach123

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Im vorherigen Abschnitt hatte ich das Gefühl, dass Quentin und Amber nicht gut aufeinander zu sprechen sind. Die Begegnung im Park war beiden offensichtlich unangenehm. In diesem Abschnitt scheint es so, als sei zwischen den beiden eigentlich nichts vorgefallen, aber durch die Begegnung wurden sie wieder auf den Tod von Mattias gestoßen. Im Laufen steckt so viel Verzweiflung, der Versuch einer Betäubung, das Weglaufen vor Gefühlen. Auch ich sehe im Training mit dem Blinden den Versuch von Quentin, sich auf eine neue Aufgabe zu konzentrieren. Das Leben geht weiter und führt weg von Mattias.
Da Amber und Quentin sich kennen, hätte ich vermutet, dass die zwei sich zusammensetzen, und über Mattias reden. Oft hilft es den Menschen, aber vielleicht sind die beiden noch nicht so weit. Oder Mattias war wirklich die einzige Verbindung und die zwei hatten sich schon zu seiner Lebzeit nichts zu sagen, wobei ich nicht das Gefühl hatte, dass irgendwas zwischen ihnen steht oder sie sich gar nicht mögen
 

Sassenach123

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Ich habe nicht den Eindruck, dass Quentin jemanden hat, mit dem er wirklich über seine Gefühle sprechen kann... Aber mal schauen, wie sich das mit seinem Laufpartner entwickelt!
Die Idee, dass er und Chris Freunde werden könnten, kam mir auch schon. Und wenn er in ihm erstmal nur jemanden findet mit dem er über die Trauer sprechen kann, wäre ihm geholfen. Dieses grübeln und allein sein, täte mir in so einer Phase nicht gut. Verstehe aber auch, wenn man erstmal einiges mit sich ausmachen muss. Trauer ist so vielfältig,Mias wird jetzt schon ziemlich ersichtlich, obwohl wir erst 2 Kapitel gelesen haben
 

Sassenach123

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Quentin macht auf vordergründig harter Typ. Er pusht sich mit Laufen, genauso wie mit Selbstbefriedigung und Porno. Wie nahe ihm der Tod von Mattias geht, merkt man an der Szene im Park "In dem Moment war der Verlust wieder da. ich kam nicht dran vorbei, konnte nicht mehr drum rumrennen." (S.44)

Laufen von Isabel Bogdan fand ich übrigens großartig. Das Buch ging mir sehr nahe.
Ihr habt mich neugierg gemacht auf diesen Roman, er findet ja häufig Erwähnung hier. Um ehrlich zu sein, habe ich das Cover und den Titel gesehen und gar nicht weiter geguckt, da ich mit einer tiefergehenden Thematik gar nicht gerechnet habe
 

Literaturhexle

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wobei ich nicht das Gefühl hatte, dass irgendwas zwischen ihnen steht
Ihre Trauer stand zwischen ihnen. In dem Moment, als Quentin Amber trifft, "war sofort alles wieder da."
Amber gehörte für Quentin zu Mathias. Andere Berührungspunkte hatten sie offensichtlich nicht. Außerdem verdrängt Quentin die Trauer. Er ist noch nicht bereit zu Gesprächen.
 
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