2. Leseabschnitt: November bis Dezember (Seite 71 bis 138)

Literaturhexle

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2. April 2017
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Das Buch hat mich eindeutig am Haken! Auch wenn immer neue Figuren eingeführt und deren Geschichte erzählt wird, habe ich das Gefühl, ein zusammenhängendes Buch zu lesen. Einziger Wermutstropfen: Am Ende jedes Kapitels bleibt ein Cliffhanger, von dem ich hier und da hoffe, dass er noch aufgelöst wird.

Im November begegnet uns die unsypathische Mutter von Diana, die Schulsekretärin, wieder. Dieses Mal hat sie selbst ein Problem: Ein sich langsam vergrößerndes, blutunterlaufenes Etwas am Brustbein. Der Hausarzt vermutet sofort etwas Ernstes und weist sie ohne Vorbereitung ins Krankenhaus ein. Ich gebe zu, dass sich mein Mitleid mit ihr in Grenzen hält, obwohl ihre Gedanken ziemlich glaubwürdig geschildert werden. Erneut treten zudem an mehreren Stellen ihre Vorbehalte gegenüber Ureinwohnern zutage. Sie möchte "zum guten sauberen russischen Service" ihrer Hausarztpraxis zurückkehren:confused:.

Beim Warten resümiert sie über ihre "Zusammenarbeit" mit dem Polizeiinspektor. Sie scheint sich da in ihren Spekulationen über den Entführer der beiden Mädchen ziemlich aus dem Fenster gelehnt zu haben. Ich war erschrocken, wie sie in ihrer Phantasie Zusammenhänge (Korruption) herleitet, so dass schließlich der Vater der Kinder in Verdacht gerät (nachdem es ein Tschadschike oder Usbeke gewesen sein muss) ...
Auf dem Weg zum KKH wurde sie noch informiert, dass der Schulleiter sie erreichen wollte. Das scheint sie zu beunruhigen. Ob er sie rügen will, weil sie ihre Kompetenzen übertreten hat?
Als Privatpatientin wird sie im KKH eindeutig bevorzugt, sie marschiert an den Wartenden vorbei. Allerdings muss sie nackt in den OP marschieren, das wirkt etwas skurril auf mich. Andere Länder, andere Sitten;)

Der Dezember bringt uns die Kusinen Ksjuscha und Alisa näher, die in Petropawlowsk studieren. Beide gehören zu den Ureinwohnern. Ksjuscha hat sich ein Stipendium erarbeitet. Sie hat einen festen Freund daheim in Esso, den Russen Ruslan. Sie fühlt sich ihm gegenüber minderwertig, kann gar nicht glauben, dass er sie liebt (das hatten wir bei dem Bären-Pärchen auch schon mal). Ruslan kontrolliert seine Freundin, schickt laufend Nachrichten, ruft an und wird von ihr angerufen. Angefangen hat das alles mit dem Verschwinden der beiden Mädchen. Ruslan will K. ja nur "beschützen". In Folge bleibt sie außerhalb der Uni nur zu Hause. Bis Alisa ihr eine traditionelle Trachtengruppe nur für Ureinwohner schmackhaft macht und auch geschickt das Einverständnis Ruslans einleitet.Endlich kommt sie mal raus aus dem Bau!
Dort beim Tanzen lernt K. Tschander kennen, dessen Familie vom Fischfang im Norden des Landes lebt. Zwischen den beiden entspinnt sich eine Freundschaft auf Augenhöhe. Mit niemandem kann K. so ehrlich und vertrauensvoll sprechen wie mit ihm.
(Falls bei manchem von euch die Kitsch-Alarmglocken angesprungen sind: bei mir nicht! Ich empfinde den Verlauf der Beziehung glaubwürdig geschildert. Die Unterschiede zwischen den beiden Männern werden gut herausgestellt.)
Aus Freundschaft wird Liebe, heimlich tauschen sie erste Zärtlichkeiten aus. große Freude in der Tanzgruppe: Ende Dezember soll es für ein paar Tage nach Wladiwostock auf ein Tanzfestival gehen. Tschander und Ksjuscha planen ihre erste gemeinsame Nacht im Hotel...
Da taucht Ruslan, vermutlich von der verräterischen Kusine alarmiert beim Training auf. Hier wird es etwas kitschig, als K. ihrem Ruslan vor versammelter Mannschaft lefzend in die Arme fällt, um nicht entlarvt zu werden.

Der Abschnitt gibt einiges über das Familien- und Frauenbild preis. Der Mann als Beschützer und Bestimmer. Dabei ist K. viel intelligenter als R.. An einer Stelle wird erwähnt, dass auch sie hätte von zu Hause weggehen mögen, bevor Ruslan sie erwählte (!).
Interessant auch die Schilderungen über die Sommerferien, die K. quasi als Nomadin in der Tundra verbracht hat. Die Landschaft wird liebevoll geschildert.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Die Beziehung ist seltsam ambivalent. Obwohl sich Ksjuscha bei Tschander sehr wohl fühlt, möchte sie Ruslan nicht aufgeben, sie fühlt sich nirgends so "sicher" wie bei ihm. Die Zeit, in der sie sich zwischen beiden Männern teilt, ist die schönste.

Ich frage mich, welche Bedeutung das "Sicherheitsgefühl" für Ksjuscha wohl hat. Obwohl sie die Zeit, in der sie das Nomadenleben der Eltern mitmachte, als Plackerei empfindet und eine Wiederaufnahme dieses Lebens für sie nicht in Betracht kommt, hat sie sich dort, in der Wildnis ausgesetzt, am sichersten gefühlt.

Mit Walentina werde ich nicht recht warm, sie macht einen recht zickigen Eindruck. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist sie mit einem Kollegen von Oksana verheiratet? Dem, den Oksana "Langweiler" genannt hat?
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Das Sicherheitsgefühl von dem @Die Häsin spricht, ist mir auch aufgefallen. Ich kann dies nur in Teilen nachvollziehen, da es auch einen enormen Kontrollzwang beinhaltet. Natürlich wog die Erfahrung mit dem vermissten, jungen Mädchen schwer, doch wenn Ksjuscha sich umsichtig verhält, besteht sicher kein größeres Risiko als woanders.
Was haltet ihr den von Alisa, der Cousine? Ob Sie Ksjuscha wirklich nur eine Freude machen wollte? Beim lesen Schwang ein kleiner Misston mit. Ging es euch auch so?
Dianas Mutter war mir im ersten Abschnitt schon unsympathisch und der Eindruck hat sich nur noch verstärkt.
Sie scheint sehr perfektionistisch angehaucht zu sein, stellt alles über ihre Prinzipien. Von einer intakten Ehe kann man wahrlich nicht sprechen, mehr noch, es ist ein Wunder, dass der Mann sich mit ihrer Art arrangieren kann und bei ihr bleibt. Und nun das. Bin gespannt, ob sie weitere gesundheitliche Einschränkungen haben wird, und wie sie damit umgeht
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Der Abschnitt gibt einiges über das Familien- und Frauenbild preis. Der Mann als Beschützer und Bestimmer. Dabei ist K. viel intelligenter als R.. An einer Stelle wird erwähnt, dass auch sie hätte von zu Hause weggehen mögen, bevor Ruslan sie erwählte (!).
Stimmt, das wird dort wunderbar deutlich. Und dann das krasse Gegenteil am Beispiel der Schulsekräterin, die nicht mal auf die Idee kommt in dieser Situation ihren Mann zu informieren, oder um sich von ihm Beistand zu holen. Schrecklich
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Mit Walentina werde ich nicht recht warm, sie macht einen recht zickigen Eindruck. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist sie mit einem Kollegen von Oksana verheiratet? Dem, den Oksana "Langweiler" genannt hat?
Ob es der Langweiler ist, weiß ich im Nachhinein auch nicht, müsste ich nachlesen. Aber beide, sowohl ihr Mann, als auch Oksana arbeiten im Institut für Vulkanologie. Könntest also richtig liegen:p
 
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Anjuta

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Der Abschnitt gibt einiges über das Familien- und Frauenbild preis.
Ich habe in diesem Dezember-Kapitel vor allem auch diese Gegenüberstellung von traditionellem Nomadenleben und Modernität/Stadt und dem damit verbundenen Frauenbild besonders geschätzt. Die Beziehungsgeschichte(n) zw. Ksjuscha und Ruslan bzw. Tschander sind Ausdruck davon. Als Frau in der traditionellen Gesellschaft der Eingeborenen braucht K vor allem einen Beschützer, an den sie sich anlehnen kann:Ruslan. In der modernen Welt taugt er allerdings wenig als Partner. Hier braucht K jemanden auf Augenhöhe, der mit ihr die Herausforderungen von Neuem und Veränderung aufnimmt: Tschander. Es steht für sie also weniger eine Entscheidung für bzw gegen einen der beiden Männer an, sondern es handelt sich vielmehr um eine Entscheidung hinsichtlich einer Lebensweise, eines Lebensentwurfs und einer Perspektive. Es ist für mich sehr glaubhaft, dass sie beide Männer und auch beide Lebensweisen liebt und sich nur schwer entscheiden kann.
 

Wandablue

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Zwei weitere Schicksale, von denen mir Walentinas Erleben am Nahesten ging. Wie erniedrigend sie im Krankenhaus behandelt wird. Unglaublich. Von Vorzugsbehandlung kann ich da nichts sehen.

Die Katjuscha lebt in einem Abhängigkeitsverhältnis, das mit Liebe nicht viel zu tun hat. Komisch, dass sie nicht merkt, wie sehr sie dominiert wird. Klar, sie hat - ganz klassisch - ihre Schlupflöcher gefunden. Aber auch das ist erniedrigend.

Ging es bei den ersten Entwürfen auch um Erniedrigung?
Die beiden entführten Mädchen: auf jeden Fall.
Die verschmähte Freundschaft: ja.
Die Sexsüchtige: Ich weiß nicht. Aber sie unterwirft sich dem intellektuell unterlegenen Partner.

Vllt geht es um das russische Frauenbild.
Selbst die weitgehend selbstbestimmte Walentina ist eine Entwürdigte, sobald sie mit dem System in Berührung kommt. Sobald man eine Schwäche zeigt ...



Insgesamt. Gefallen mir die Episoden wesentlich besser als bei Annette Mingels. ich mag die LEute mehr. Aber den Stil mit den vielen Hauptsätzen empfinde ich als ziemlich abgehackt. Und es nervt mich, wie lange die Autorin braucht, um auf den Punkt zu kommen, m.a.W. ich werde mit lauter Nebensächlichkeiten abgelenkt, was gegessen wird, was getrunken wird, gefüllte Kohlrouladen, Schweinefleisch, Zwiebel. Viel Füllsel, wenig Inhalt.

Was mich auch nicht überzeugt, ist, dass die Tradition zwar gezeigt wird (das Nomadenleben Katjuschas im Sommer), aber die Betroffenen bisher nicht darüber nachdenken. Es fehlt mir an Innenleben.
 
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Literaturhexle

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Das Sicherheitsgefühl von dem @Die Häsin spricht, ist mir auch aufgefallen. Ich kann dies nur in Teilen nachvollziehen,
Das Gefühl der Unsicherheit wird doch von außen herangetragen. Ein Typ wie Ruslan nimmt das entführte Mädchen gern zum Anlass, seine Freundin zu schützen (ich würde es eher kontrollieren nennen, denn wie kann er durch Handy Anrufe ernsthaft Schutz gewährleisten?). Die Frauen nehmen das hin. Vermutlich ist die Gesellschaft auch so ausgelegt, dass man sich vor (betrunkenen?) Männern eher in Acht nehmen muss.
sondern es handelt sich vielmehr um eine Entscheidung hinsichtlich einer Lebensweise, eines Lebensentwurfs und einer Perspektive. Es
Wobei sich Ksjuscha nicht zuletzt deshalb bei Tschander wohlfühlt, weil er einer von ihnen (den Ureinwohnern) ist. Tschander berichtet ja von seiner russischen Exfreundin, mit der es nicht funktioniert hat. Er würde sich nicht mehr in eine Russin verlieben wollen... Also auch da ist ein trennendes Element möglich.
Wie erniedrigend sie im Krankenhaus behandelt wird. Unglaublich. Von Vorzugsbehandlung kann ich da nichts sehen.
Empfindest du das so?
Sie marschiert ein, schaut sich die Wartenden abschätzig an und wird sofort ins Behandlungszimmer geführt. Es kommt schließlich eine Ärztin, gegenüber der W. auch Vorbehalte hat, weil sie eine Frau und klein ist. Diese Frau ist ebenso kurz angebunden wie W. und schickt sie in den OP. Für mich passte das. Ich denke, dass es in russischen Krankenhäusern so zugehen könnte. Mit der Menschenwürde haben sie es da nicht so:D
Vllt geht es um das russische Frauenbild.
Selbst die weitgehend selbstbestimmte Walentina ist eine Entwürdigte, sobald sie mit dem System in Berührung kommt. Sobald man eine Schwäche zeigt ..
Ja, das ist ein interessanter Gedanke.
 
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Da ist sie wieder: Walentina, Übermutter und Kontrollfreak, mit einem Toleranzproblem. Hat sie tatsächlich Krebs? Es würde mich nicht wundern, wenn es nicht so wäre. Denn Walentina gehört für mich zu dem Typ Mensch, der selten eine Ahnung hat, aber immer eine Meinung. Genauso wie sie sich in die Ermittlungsarbeit des Polizisten einmischt, wird sie den Ärzten erzählen, was ihr fehlt. Im Moment ist ihre Angst dabei aber noch ein Hemmschuh.
Mich hat gewundert, dass der Polizist sich von ihr sagen ließ, was genau bei der Ermittlung im Fall der verschwundenen Mädchen zu tun ist. Warum hat er sie nicht in ihre Grenzen gewiesen?

Im Dezember haben wir es mit Ksjuscha und ihren Männern zu tun. Wieder gibt es eine Frau, die als Freundin durchgehen könnte, die sich aber als falsches Luder herausstellt. Das mit den besten Freundinnen scheint in diesem Roman so eine Sache zu sein und entwickelt sich zu einem durchschaubaren Muster, was mich ein bisschen enttäuscht: Fast jedes Kapitel handelt von einer Frau mit einer guten Freundin, die am Ende des Kapitels doch nicht so gut ist.
Die Dezember Ksjuscha hat sich einen echten Russen-Macho angelacht. Dieser Rushan ist der Typ Mann, der Frauen schlägt. Solange Ksjuscha funktioniert wie er möchte und sich von ihm dominieren lässt, hat sie noch Ruhe. Aber wehe, wenn sie ihren eigenen Kopf entwickelt. Ich wundere mich immer wieder, dass es für manche Frauen eine Selbstverständlichkeit ist und das Normalste der Welt, sich der Kontrollsucht ihres Mannes zu unterwerfen. Und das beobachte ich bei Ksjuscha. Andere Länder, andere Sitten? Oder alles nur eine Frage der Erziehung?
Dieser Tschander ist mir auch nicht ganz geheuer. Im Vergleich zu Rushan scheint er ja mehr der sensible Typ zu sein. Aber am Ende will er ihr auch nur an die Wäsche.
 

Renie

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Ich war erschrocken, wie sie in ihrer Phantasie Zusammenhänge (Korruption) herleitet, so dass schließlich der Vater der Kinder in Verdacht gerät (nachdem es ein Tschadschike oder Usbeke gewesen sein muss) ...
Viel mehr hat mich erschrocken, dass der Polizist auf ihre Fantastereien eingegangen ist. Was ist denn das für ein Polizist?
 

Renie

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Was haltet ihr den von Alisa, der Cousine? Ob Sie Ksjuscha wirklich nur eine Freude machen wollte? Beim lesen Schwang ein kleiner Misston mit. Ging es euch auch so?
Den Misston habe ich auch gehört. In diesem Buch wimmelt es von "besten Freundinnen" oder "guten Cousinen", die sich als falsches Luder erweisen.
 

Renie

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Was mich auch nicht überzeugt, ist, dass die Tradition zwar gezeigt wird (das Nomadenleben Katjuschas im Sommer), aber die Betroffenen bisher nicht darüber nachdenken. Es fehlt mir an Innenleben.
Gerade K., die aus einer Nomadenfamilie kommt, macht sich Gedanken über ihre Herkunft. Daher bin ich mir nicht sicher, was Du meinst.
 
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@Literaturhexle

Walentina im KKH. Ja, schon, du hast das gut beobachtet. Aber guck mal, wir würden uns nicht nackt ausziehen müssen, wenn wir etwas am Oberkörper haben. Was hat der Unterkörper damit zu tun. Und wir würden in einem Kleidchen in den OP gefahren werden. Betäubt. Und erst dann ziehen sie uns aus. (Gut, sie stellen nachher die Nacktfotos ins Netz, aber sonst).

@Renie : Walentina. Aber doch ein sehr interessanter Charakter.

Katjuscha und ihre Männer. Na ja, sie hat nicht viel Erfahrung. Ruslan ist ein echter Arsch. Das wird ihr aber erst, d.h. vielleicht, ist ja noch nicht raus, im Vergleich mit dem anderen deutlich.
Ruslan könnte auch der Täter sein.
 
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Gerade K., die aus einer Nomadenfamilie kommt, macht sich Gedanken über ihre Herkunft. Daher bin ich mir nicht sicher, was Du meinst.
Wirklich? Das ist mir dann nicht aufgefallen. Sie weiß, dass sie diskriminiert wird - hat aber keinen Abstand zum Zuhause. Sie studiert, hat aber keine Pläne, wegzugehen. Sie wird (bisjetzt) studieren, nach Hause gehen, Ruslan heiraten und genau das tun, was alle anderen Frauen auch machen: Es dem Mann recht machen.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Erstmals meine Gedanken, bevor ich eure Kommentare lese.
Im November- Kapitel begegnen wir Walentina wieder, die uns als Mutter von Diana negativ aufgefallen ist.
Sie ist die Schulsekretärin und durch ihre Position gut informiert über die Familienverhältnisse der Schüler. Zu Sowjetzeiten war sie ein treues Parteimitglied, trauert jetzt den alten Zeiten nach, als die Lage ihr besser erschien: keine Landstreicher, keine Touristen, keine Verbrecher. „Doch als sich ihr Land veränderte, ging Kamtschatka mit ihm unter. Eine ganze Zivilisation kam abhanden.“
Walentina hat gern alles unter Kontrolle, ihre Tochter, aber auch ihr eigenes Leben. Durch dieses Bläschen, das sie monatelang ignorierte und das sich nun als bedrohlich für ihre Gesundheit erweist, kommt ihr die Selbstbestimmung abhanden. „... schon zerbröselte ihr ganzes Leben.“ Sie hofft, das hinter sich zu kriegen und will es jedem verschweigen. „ Ich werde zu der Frau zurückkehren, die ich war.“
Wird das möglich sein? Die Antwort bleibt uns die Autorin schuldig.
Walentina ist keine Sympathieträgerin. Sie ist voller Vorurteile gegenüber den Eingeborenen, zu sehr verhaftet in den alten Zeiten. Zu ihrem Mann besteht auch ein seltsam distanziertes Verhältnis. Normalerweise würde man über den bevorstehenden Arztbesuch mit ihm reden und ihn über den Eingriff informieren.
Allerdings ging mir ihre Situation in der Klinik nahe. War schon entwürdigend, wie sie nackt und alleingelassen mit ihren Fragen in den OP geht.
Im Dezemberkapitel erfahren wir einiges über das Leben der Ureinwohner hier. Das finde ich sehr interessant. Dabei werden deren Probleme deutlich. Diejenigen, die noch traditionell leben, also mit ihren Rentierherden durch die Tundra ziehen, haben finanzielle Probleme ( fallende Preise für das Fleisch, fehlende Subventionen), ähnlich wie die Bauern bei uns. Die Jugendlichen wollen so nicht mehr leben, sie gehen in die Städte und studieren. Ihre Kultur ist nur noch Folklore.
Ksjuscha ist eine Ewenin aus Esso, die zum Studium in die Stadt ging und mit ihrer Cousine zusammen wohnt. Sie hat einen jungen Russen zum Freund, Ruslan, den sie schon seit ihrer Kindheit kennt. Sie fühlt sich sicher bei ihm , sagt sie. Mir ginge seine Kontrollwut auf die Nerven. Ständig ruft er an und will wissen, wo sie ist und was sie tut.
In einer Art Volkstanzgruppe lernt Ksjuscha Tschander kennen. Die beiden verbindet wesentlich mehr, doch Ksjuscha will sich nicht entscheiden zwischen den beiden Männern. Am liebsten würde sie beide behalten. Ob sie bei Ruslan bleibt ? Eigentlich hat sie sich dafür schon zu sehr emanzipiert in den letzten Monaten. „ Sie bewegte sich, als verlangten die Schritte nicht nach einem Partner - als sei sie sich selbst genug.“
In diesem Kapitel hören wir von einer jungen Frau,Lilja, die vor drei Jahren auch auf mysteriöse Weise verschwand. Allerdings hat das damals nicht so ein Interesse hervorgerufen, wie das Verschwinden der beiden Mädchen. Denn diese Lilja ist keine Russin, sondern eine Ewenin.
Der Rassismus auf Kamtschatka ist unterschwellig ständig Thema in den einzelnen Kapiteln.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Obwohl sie die Zeit, in der sie das Nomadenleben der Eltern mitmachte, als Plackerei empfindet und eine Wiederaufnahme dieses Lebens für sie nicht in Betracht kommt, hat sie sich dort, in der Wildnis ausgesetzt, am sichersten gefühlt.
Das zeigt deutlich die Zerrissenheit der jüngeren Generation. So leben wie ihre Vorfahren möchten sie nicht mehr, aber die festen Strukturen dort gaben ihnen Sicherheit. Eine Sicherheit, die ihnen zwischen der russischen Bevölkerung fehlt.
Ruslan. In der modernen Welt taugt er allerdings wenig als Partner
Interessant ist hierbei aber, dass Ruslan kein Eingeborener ist sondern Russe.
Vllt geht es um das russische Frauenbild.
Selbst die weitgehend selbstbestimmte Walentina ist eine Entwürdigte, sobald sie mit dem System in Berührung kommt. Sobald man eine Schwäche zeigt ...
Das fällt in allen Geschichten bisher auf, wie abhängig auch moderne Frauen hier von den Männern sind.
Wobei sich Ksjuscha nicht zuletzt deshalb bei Tschander wohlfühlt, weil er einer von ihnen (den Ureinwohnern) ist. Tschander berichtet ja von seiner russischen Exfreundin, mit der es nicht funktioniert hat. Er würde sich nicht mehr in eine Russin verlieben wollen... Also auch da ist ein trennendes Element möglich.
Ruslan gibt ihr als Russe Sicherheit in einer Gesellschaft, in der den Ureinwohnern ständig Verachtung und Misstrauen entgegenschlägt. Obwohl er ihr intellektuell geistig unterlegen ist, fühlt sich Ksjuscha ihm gegenüber eher minderwertig.
Mit Tschander verbindet sie viel mehr.
Viel mehr hat mich erschrocken, dass der Polizist auf ihre Fantastereien eingegangen ist. Was ist denn das für ein Polizist?
Ein Russe...
 

Wandablue

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18. September 2019
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Im Vergleich zu Annette Mingels gefällt mir Julia Phillips viel besser und zwar, wie ich allmählich rausfinde, weil ich mich für die Großstadtleben bei Mingels nicht so interessiert habe. Ich fand diese Leben nicht (so) bemerkenswert, wahrschl viel zu nahe am erlebbaren Alltag. Das ist bei Phillips deutlich anders.
 
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