2. Leseabschnitt: 'LIEGEN' - 1. Teil (Kapitel 1 bis 4/ Seiten 101 bis 151)9

Querleserin

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Nun liegt Robert in Santiago im Krankenhaus und die Theorie vom Schlaganfall hat sich bestätigt. Seine Frau Anna wird vom Institut mitten in der Nacht angerufen.
Es geht um Robert. um Ihren Mann. Es tut mir leid, ass ich Sie geweckt habe. Sie müssen bitte kommen. (101)
Anna setzt sich mit ihrer Freundin Bridget in Verbindung, die Witwe Tims, das ist derjenige, der bei dem Hundeschlittenunfall ums Leben gekommen ist. Die beiden sind beste Freundinnen.
Der gesamte Leseabschnitt ist aus der personalen Perspektive Annas erzählt. Wir erfahren, wie sie nach Santiago fliegt, Robert vorfindet, der nicht mehr sprechen kann und dessen motorischen Fähigkeiten stark eingeschränkt ist. Seltsamerweise hält sich das Institut sehr bedeckt, was die Ereignisse in der Antarktis betrifft. Man Robert auf der Schneepiste gefunden, nicht mehr in dem Zelt, das Luke für ihn aufgebaut hat. Nur er wurde zunächst gerettet, also nach Santiago geflogen, während die Suche nach Thomas vor Ort fortgesetzt wurde.
Es hatte leider länger als vorgesehen gedauert, Roberts zweiten Kollegen zu finden und herauszuholen. Er war leider verstorben, das heißt, er starb auf dem Rückflug nach Bluff Point. (123)
Anna versteht nicht, was in der Antarktis vorgefallen ist und Roberts Sohn Frank will sich rechtlichen Beistand suchen, wahrscheinlich glaubt er, seinem Vater würde eine Schuld an den Ereignissen zugesprochen.
Ein Detail ist auffällig: Robert will offensichtlich von einem roten Flugzeug erzählen. Was hat es damit auf sich?
Robert wird von Santiago nach England verlegt (Cambridge?), während Sara, Annas und Roberts Tochter kurzfristig bei ihrer Mutter einzieht.
In dem Leseabschnitt blickt Anna auch in die Vergangenheit. Wir erfahren, wie sie sich kennengelernt haben und dass sie eine statistische Anomalie bilden wollten. Anna als erfolgreiche Klimaforscherin wollte weiterhin in ihrem Beruf arbeiten, während Robert das halbe Jahr in der Antarktis verbringen würde. Es kommt ihr der Gedanke, dass sie ihn deswegen geheiratet hat, weil er so lange weg ist, das ändert sich nicht, als die Kinder kommen. Anna will alles alleine schaffen: Sie erzieht die Kinder, kauft ein Haus, sie ist Professorin auf Lebenszeit. Eine starke Frau, die von der neuen Situation überfordert ist - verständlicherweise. Ihr ganzes Leben wird sich ändern müssen und dass sie dazu nicht bereit ist, vermittelt McGregor auf der sprachlichen Ebene deutlich.
Immer wieder tauchen in ihrem Gedanken folgende Sätze (in Variationen)
Es geht um Ihren Mann. Um Robert. Es ist etwas passiert. Ein Schlaganfall ist eine plötzlich auftretende Durchblutungsstörung im Gehirn. (124)
Sie kann und will nicht glauben, was geschehen ist und gleichzeitig möchte sie wissen, was sich in der Antarktis ereignet hat.
Meine Begeisterung ist ungebrochen und ich lese mit Spannung weiter ;)
 

Literaturhexle

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Ein Detail ist auffällig: Robert will offensichtlich von einem roten Flugzeug erzählen. Was hat es damit auf sich?
Hm. Das habe ich viel unspektakulärer verstanden. Sie haben ja Übungen durchgeführt, um zu sehen, inwiefern die Koordination von Verstand und Sprache wieder funktioniert...
Als er in der Hütte war, hat er ja auch Gegenstände verwechselt. Insofern habe ich hier nur die Nennung der falschen Farbe gesehen... Mal gucken, ob da noch etwas kommt.
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Mit dem zweiten Abschnitt ändert sich die personale Erzählperspektive. Wir sind nun ganz nah bei Anna, Docs Frau. Ich bin begeistert, wie der Autor es erneut schafft, durch die Verknüpfung von Gegenwärtigem und Vergangenem diese hohe Dichte und Intensität herzustellen.

Durch den Blick in Annas Gedankenwelt lernen wir sehr viel über sie. Dadurch, dass der Autor ihr als intime Freundin Bridget an die Seite stellt, der sich Anna anvertraut, mit der sie aber auch kleine verbale Konflikte ausfechtet, können wir ihren Charakter recht gut einschätzen. Sie ist eine ungemein selbständige Frau. Sie wollte zunächst nicht heiraten, auch keine Kinder. Die regelmäßige Abwesenheit Roberts gab ihr Freiraum. Die Belastung, zwei Kinder allein großzuziehen, scheint sie unterschätzt zu haben. Dennoch hat sie es gemeistert.

Zum zweiten Mal taucht der Begriff der ANOMALIE auf. Beim ersten Mal war er bezogen auf Messergebnisse, die es zu korrigieren galt, jetzt wird der Begriff als Kennzeichnung der Ehe von Anna und Doc benutzt "Statistische Anomalie".

Sehr geschickt flechtet der Autor die Geschichte von Plankys (Tims) Tod im ewigen Eis ein. Offenbar hat auch da eine überflüssige Aktion zum Unfalltod geführt. Damals konnte Doc kein Verschulden nachgewiesen werden. Dennoch schwirrt dieses Vorkommnis natürlich im Raum und könnte zur Belastung werden.

Durch die dezidierten Beschreibungen, wie Anna die fremde Umgebung, das Hotel, das Krankenzimmer etc. empfindet, spürt man sehr genau ihre innere Verwirrung, Zerrissenheit und Überforderung (Bsp.: S.109 letzter Absatz).

Frank kann ich noch nicht komplett einordnen. Er wirkt übermotiviert. Warum traut er seiner Mutter in Chile nicht zu, allein mit den Ärzten zu sprechen, warum will er per Video zugeschaltet werden (!). Er holt die Mutter zwar vom Flughafen ab, muss aber am nächsten Tag, als er life mit den Ärzten sprechen könnte, schnell gehen und etwas erledigen. Offensichtlich kennen seine Eltern ihn genau so: immer in Eile, immer am Rennen. Auf der anderen Seite zeigt sich Frank vorausschauend und pragmatisch, was die potentiellen Vorwürfe an seinen Vater betrifft.

Anna scheint vom Tod des jungen Forschers fast ebenso schockiert zu sein wie vom Zustand ihres eigenen Mannes. Sie spürt, dass man ihr etwas verschweigen will.
Anna reflektiert ihre Ehe. Trotz aller Professionalität und vorhandenem Leistungsdruck kann sie sich nicht auf ihre berufliche Arbeit konzentrieren. Sie scheint in ein Loch gefallen zu sein.
Das war Teil der Abmachung. Wir werden eine statistische Anomalie sein. Mein Mann ist auf Reisen. (...) S. 139
Die Abmachung sieht vor, dass jeder sein eigenes Leben lebt, aber nicht, dass einer für des anderen Pflege verantwortlich ist. Was im letzten Satz des LA "Ich weiß nicht, ob ich will, dass er heimkommt", sehr deutlich wird.

Sara scheint immer wieder berufliche Schwierigkeiten zu haben. Sie wurde fristlos entlassen- zumindest hierzulande ist so etwas ein seltener Vorgang. Nun wird sie wieder zu Hause einziehen. Ich bin gespannt, was das für die unabhängige Anna bedeutet. Bridget scheint ein Diamant von Freundin zu sein. Trotzdem weiß sie nichts über Annas zwei Seitensprünge;)

Ich bin TOTAL begeistert vom Autor! Er zeigt uns verschiedene Perspektiven, die jeweils auch einen unterschiedlichen Duktus haben. Jede ist ungeheuer intensiv, man kommt den Protagonisten nah. Im Nebel liegt noch das weitere Geschehen in der Antarktis. Dort besteht für uns Leser noch eine Lücke, die gefüllt werden will...
Die Charaktere empfinde ich als unheimlich gut gezeichnet. Es liegt nicht alles auf dem Silbertablett, manches muss man sich erschließen. Toll gemacht!
 

GAIA

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Hm. Das habe ich viel unspektakulärer verstanden. Sie haben ja Übungen durchgeführt, um zu sehen, inwiefern die Koordination von Verstand und Sprache wieder funktioniert...
Als er in der Hütte war, hat er ja auch Gegenstände verwechselt. Insofern habe ich hier nur die Nennung der falschen Farbe gesehen... Mal gucken, ob da noch etwas kommt.
So unspektakulär habe ich das auch gelesen. Es ist nicht selten, dass Schlaganfallpatienten Farbbenennungen erst einmal nicht richtig hinbekommen. Für mich war das eher ein kleiner Hinweis darauf, dass für ihn die Farbe Rot präsenter ist, als eine andere. Vielleicht weil die Station K. in rostrot gestrichen ist und er sich ja dort, wie im vorherigen Abschnitt von ihm erwähnt, wohler fühlt als in Großbritannien.
Sie ist eine ungemein selbständige Frau. Sie wollte zunächst nicht heiraten, auch keine Kinder. Die regelmäßige Abwesenheit Roberts gab ihr Freiraum. Die Belastung, zwei Kinder allein großzuziehen, scheint sie unterschätzt zu haben
Hier von war ich ganz zu Beginn des Abschnitts überrascht. Ich finde es toll, dass der Autor eine Konstellation schafft, in der "die Ehefrau" eben nicht "nur" die Ehefrau ist, sondern ein eigenes Leben hat. Es war nicht so, dass sie als junges Ding Robert geheiratet hat und er dann Arktisforscher wurde und sie sich damit abgefunden hat. Nein, sie hat willentlich die Entscheidung getroffen. Sogar im Bewusstsein, dass dies ihrer Karriere sogar zuträglich sein würde. Stark!
Bridget scheint ein Diamant von Freundin zu sein.
Da bin ich mir gar nicht sooo sicher. Sie erweckt bei mir neben den ganzen Nettigkeiten ein merkwürdiges Gefühl. Das ist nicht immer neidlos hinzunehmen, wenn der eigene Mann bei derselben Arbeit und in Anwesenheit des Mannes der besten Freundin stirbt und der andere kann weiterleben. Und Anna konnte ihren Mann "behalten". Auch der Hinweis, dass Annas Frage damals nach dem Unfall Tims, ob es Robert gut gehe, die falsche Frage gewesen ist, ist nachvollziehbar. Es könnte aber auch ein Hinweis darauf sein, dass Bridget ihr deshalb insgeheim immer noch etwas nachtragen könnte. Etwas, was zum Vorschein kommen könnte, wenn die aktuellen Geschehnisse auf Station K. gegen Robert sprechen würden. Hält so etwas eine Freundschaft aus? Ich bin darauf im weiteren Verlauf sehr gespannt.
Die Charaktere empfinde ich als unheimlich gut gezeichnet. Es liegt nicht alles auf dem Silbertablett, manches muss man sich erschließen.
Ja, genauso empfinde ich das auch. Selbst Nebencharaktere, wie Sara, die eigentlich noch gar nicht persönlich auftrat, hat schon aufgrund ihrer Nachrichten eine Darstellung bekommen. Jeder Mensch, der hier im Buch vorgekommen ist bis jetzt, hat durch mitunter nur einen kleinen Nebensatz eine Struktur bekommen. Und sei es Andreas im Hotel in Chile.

Insgesamt kann ich euch nur zustimmen. Ein Buch welches mich wirklich begeistert.
Über das Gesagte hinaus fand ich die Untersuchungen und Therapien in Chile sehr interessant zu beobachten. Alles scheint sehr gut recherchiert und dargestellt. Der Autor stützt sich nicht nur auf prachtvolle und unbarmherzige Beschreibungen der Natur in der Antarktis, sondern auch später auf handfeste Recherchen.
Bei mir ist noch der letzte Satz hängen geblieben, den Anna zu Robert vor dessen letzter Abreise entgegenschleuderte. Dass er verkackt nochmal die Fresse (den Mund? das Maul? Ich weiß grad nicht mehr) halten solle. Das hat nicht nur in dem Moment gewirkt, sondern sich wie ein böser Zauberspruch auf ihn gelegt. Er kommt wieder und kann nicht mehr (richtig) sprechen. Hält im wahrsten Sinne des Wortes den Mund. Das muss schlimm sein. Immer noch besser, als wenn Robert gestorben wäre und dies seinen die entgültig letzten Worte an ihn gewesen. Daraus könnten durchaus irrationale Vorwürfe in Anna sich selbst gegenüber entstehen.
 

Querleserin

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Bei mir ist noch der letzte Satz hängen geblieben, den Anna zu Robert vor dessen letzter Abreise entgegenschleuderte. Dass er verkackt nochmal die Fresse (den Mund? das Maul? Ich weiß grad nicht mehr) halten solle.
Das ist wirklich hart, das in ihrem letzten Gespräch so ein Satz gefallen ist. Es zeigt aber auch, dass die Ehe tatsächlich gut auf Distanz funktioniert hat, zu viel Nähe aber zu Konflikten führt.
 

Literaturhexle

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Das ist nicht immer neidlos hinzunehmen, wenn der eigene Mann bei derselben Arbeit und in Anwesenheit des Mannes der besten Freundin stirbt
Zack! Hier hast du mich kalt erwischt! Den Zusammenhang, dass Bridget Tims Frau ist, habe ich entweder überlesen oder es nicht kombiniert. Für mich war sie bislang 'nur' eine tolle Freundin. Durch die Nähe der beiden Frauen wurde einiges an Informationen an uns herangetragen.
Jeder Mensch, der hier im Buch vorgekommen ist bis jetzt, hat durch mitunter nur einen kleinen Nebensatz eine Struktur bekommen.
Genau das ist toll! Das Buch kratzt bislang nirgends nur an der Oberfläche.
 
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ulrikerabe

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Immer wieder tauchen in ihrem Gedanken folgende Sätze (in Variationen)
und immer ein bisschen mehr an Information kommt dazu. Fast so wie das Kinderspiel "Ich packe meine Tasche..." (Das haben doch die Männer auf der Station zum Zeitvertreib gespielt).
Zum zweiten Mal taucht der Begriff der ANOMALIE auf. Beim ersten Mal war er bezogen auf Messergebnisse, die es zu korrigieren galt, jetzt wird der Begriff als Kennzeichnung der Ehe von Anna und Doc benutzt "Statistische Anomalie".
und noch ein zweites Bindeglied zum ersten Abschnitt!
Auf der anderen Seite zeigt sich Frank vorausschauend und pragmatisch, was die potentiellen Vorwürfe an seinen Vater betrifft.
Frank spielt eindeutig im Team Mutter und nicht im Team Vater. Was auch kein Wunder ist, bei dem Verhältnis zum fast nie anwesenden Vater.
Dass er verkackt nochmal die Fresse (den Mund? das Maul? Ich weiß grad nicht mehr) halten solle. Das hat nicht nur in dem Moment gewirkt, sondern sich wie ein böser Zauberspruch auf ihn gelegt.
Der letzte Satz, den Anna zu Robert gesagt vor seiner Abreise und jetzt ist er tatsächlich sprachlos. Ziemlich hart. Da würde wohl jeder daran knabbern.

Was ich mich allerdings die ganze Zeit gefragt habe, wie im Krankenhaus in Chile mit Robert gesprochen wurde. Die Krankenschwestern offensichtlich spanisch. Die Sprachtherapeutin auch? Oder doch in englisch? Funktioniert Sprachtraining überhaupt, wenn es nicht in der Muttersprache geschieht.

"Ich weiß nicht ob er will, dass er heimkommt". Das ist eine ehrliche Ansage von Anna. Sie hat sich in ihrem Leben allein sehr gut arrangiert. Sie will ja auch eigentlich nicht, dass Sara wieder einzieht. Irgendwie kann ich sie sehr gut verstehen.
 

GAIA

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Die Sprachtherapeutin auch? Oder doch in englisch? Funktioniert Sprachtraining überhaupt, wenn es nicht in der Muttersprache geschieht.
Ich denke - ohne dass es meines Wissens explizit im Text gesagt wurde - dass die Therapeuten Englisch mit ihm gesprochen haben. Ansonsten könnte ich mir ein Sprachtraining nicht vorstellen. Es ist ja schon scher genug für ihn, überhaupt auf die Begriffe zu kommen.
 
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GAIA

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Habt ihr auch gesehen, dass bei den Kapiteln und Absätzen im Abschnitt STÜRZEN / verwendet wird, im Abschnitt LIEGEN _ und im Abschnitt STEHEN | ?

Seltsam auch der Originaltitel Lean Stand Fall, das ist eine andere Reihenfolge.
Das mit den Zeichen war mir bisher nicht aufgefallen. Danke für den Hinweis! Wirklich klasse Idee vom Verlag.

Im Text kommt an irgendeiner Stelle nicht nur die Reihenfolge wie beim deutschen Titel, wie @Literaturhexle schon sagte, vor, sondern ich hatte an anderer Stelle genau die Reihenfolge vom englischen Titel gesehen. Trotzdem fand ich es merkwürdig, dass beim deutschen Titel dran gedreht wurde. Das war mir auch schon aufgefallen.
 

Anjuta

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Die sprachliche Anschaulichkeit geht auch in diesem 2. LA, der in komplett anderem Ambiente stattfindet weiter. Docs Frau wird telefonisch davon unterrichtet, dass ihr Mann mit einem Schlaganfall - das war ja auch schon meine Interpretation seiner Sprachstörungen im 1. LA - im Krankenhaus in Santiago de Chile liegt. Und sie begibt sich auf die Reise dorthin, um ihn zu sehen und ihm beizustehen. Die weiteren Kapitel dieses LA nehmen diese Situation zu Beginn dann immer wieder neu auf. Sie wacht auf und durchlebt erneut diesen so vieles verändernden Augenblicks des Anrufs. Und der Autor nimmt uns LeserInnen mit in diese verstörende Aufwachsituation. Das finde ich grandios gemacht!
Wir erfahren im weiteren Verlauf des LA mehr über die private Situation von Doc, seiner wissenschaftlich erfolgreichen Frau und der Lebenssituation, die sehr stark geprägt war von dem fehlenden Vater.
Und wir bekommen die Auswirkungen des Schlages bei Doc sehr genau mit. Auch das ist sprachlich "gemalt" sozusagen. Er nutzt immer mehr Wörter, aber immer auch mal wieder auf eine falsche und sinnlose Art und Weise. Man fühlt sein Ringen um Worte förmlich mit.
 

Renie

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Frank kann ich noch nicht komplett einordnen. Er wirkt übermotiviert. Warum traut er seiner Mutter in Chile nicht zu, allein mit den Ärzten zu sprechen, warum will er per Video zugeschaltet werden (!). Er holt die Mutter zwar vom Flughafen ab, muss aber am nächsten Tag, als er life mit den Ärzten sprechen könnte, schnell gehen und etwas erledigen. Offensichtlich kennen seine Eltern ihn genau so: immer in Eile, immer am Rennen. Auf der anderen Seite zeigt sich Frank vorausschauend und pragmatisch, was die potentiellen Vorwürfe an seinen Vater betrifft.
Da Robert zu Hause so gut wie nicht existierte, war Frank der Mann im Haus. Daraus resultiert m. E. sein Engagement. Als Mann im Haus muss mann in Krisensituation seinen Mann stehen (Mann oh Manno_O:rolleyes:)
Was macht Frank eigentlich beruflich? Er erinnert mich an einen jung dynamischen Managertypen, der sich gern als Macher sieht.
 

buchregal

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Sie haben Robert rausgeholt und er ist in einem Krankhaus in Santiago. Anna wird mitten in der Nacht angerufen. Es ist so schlimm, dass sie kommen soll, andererseits beschwichtigt man. Da muss doch jeder verrückt werden. Wenn so ein Anruf kommt, handelt es sich gewiss nicht um eine Lappalie.

Anna ist mit Bridget befreundet. Bridget ist die Witwe von Tim, dem Mann, den Robert früher verloren hat.

Als Anna an Krankenbett kommt stellt sie fest, dass es eben nicht nur ein kleiner Schlaganfall war, sondern dass Robert sehr stark eingeschränkt ist. Die vom Institut wollen wissen, wie es passieren konnte, dass die drei getrennt waren. Doch Robert ist überhaupt nicht in der Lage, eine Auskunft zu geben.

Es ist interessant in Annas Gedanken einzutauchen. Wir erfahren, wie sie Robert kennenlernte und dass es ihr gerade recht war, ihn nur selten zu sehen. Sie hat ihren eigenen anspruchsvollen Job und ihr eigenes Leben, in dem Robert hin und wieder auftaucht. Nun ist sie mit der ganzen Situation überfordert, was ich gut nachvollziehen kann. Sie sieht auf sich zukommen, dass ihr Leben sich von Grund auf ändern wird. Dabei kann sie sich jetzt schon nicht auf Berufliches konzentrieren.

Frank sieht Probleme, die kommen können und möchte mit anwaltlicher Unterstützung vorbeugen. Er mit seinem Aktionismus kommt mir da typisch männlich vor. Er kriegt das alles hin und seiner Mutter traut er nichts zu.
 
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Im Nebel liegt noch das weitere Geschehen in der Antarktis
Ich hoffe sehr, dass wir im weiteren Verlauf wieder in die Antarktis verfrachtet werden. Ich bin zwar begeistert von dem Roman, doch der Wechsel zum Schauplatz Antarktis wäre für mich noch die Kirsche auf dem Sahnehäubchen.
 

Renie

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Es könnte aber auch ein Hinweis darauf sein, dass Bridget ihr deshalb insgeheim immer noch etwas nachtragen könnte.
Eine interessante Überlegung, an die ich bisher noch nicht gedacht habe. Auf mich macht Bridget den Eindruck, ein oberflächlicher Sonnenschein zu sein, also ein Gute-Laune-Bär, der einer Freundin in düsterer Stimmung guttut.
Doch ich werde Deinen Ansatz im Hinterstübchen behalten, denn es könnte etwas dran sein.
 
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Seltsamerweise hält sich das Institut sehr bedeckt, was die Ereignisse in der Antarktis betrifft. Man Robert auf der Schneepiste gefunden, nicht mehr in dem Zelt, das Luke für ihn aufgebaut hat.
Zur Zeit wissen sie ja auch kaum etwas. Sie wollen daher der Sache auf den Grund gehen und wahrscheinlich auch den zur Rechenschaft ziehen, der verantwortlich für das Disaster war.
Hm. Das habe ich viel unspektakulärer verstanden. Sie haben ja Übungen durchgeführt, um zu sehen, inwiefern die Koordination von Verstand und Sprache wieder funktioniert...
Als er in der Hütte war, hat er ja auch Gegenstände verwechselt. Insofern habe ich hier nur die Nennung der falschen Farbe gesehen... Mal gucken, ob da noch etwas kommt.
Es gerät ja bei Robert einiges durcheinander, daher habe ich dem keine besondere Bedeutung beigemessen.
Der letzte Satz, den Anna zu Robert gesagt vor seiner Abreise und jetzt ist er tatsächlich sprachlos. Ziemlich hart. Da würde wohl jeder daran knabbern.
Das glaube ich auch.
"Ich weiß nicht ob er will, dass er heimkommt". Das ist eine ehrliche Ansage von Anna. Sie hat sich in ihrem Leben allein sehr gut arrangiert.
Ich kann Anna verstehen, auch wenn das hart klingt.
Er nutzt immer mehr Wörter, aber immer auch mal wieder auf eine falsche und sinnlose Art und Weise. Man fühlt sein Ringen um Worte förmlich mit.
Meine Mutter hatte vor vielen Jahren einen Gehirntumor, der sich auch auf das Sprachzentrum ausgewirkt hat. Bei ihr kam ähnlich sinnloses Zeug raus und sie wurde wütend, weil sie wusste, dass es falsch war und sie wurde genauso wütend, wenn wir sie nicht verstanden haben. Dann hat sie das Sprechen ganz eingestellt.
Im Moment kommt da wieder einiges bei mir hoch.
 
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Habt ihr auch gesehen, dass bei den Kapiteln und Absätzen im Abschnitt STÜRZEN / verwendet wird, im Abschnitt LIEGEN _ und im Abschnitt STEHEN | ?

Seltsam auch der Originaltitel Lean Stand Fall, das ist eine andere Reihenfolge.
Unsere Ulrike wieder. Was Dir nicht alles auffällt. ;):cool: Ich habe es natürlich nicht wahrgenommen. Und das mit der Abweichung zum Originaltitel ist interessant. Ich versuche ja von Beginn an, eine Bedeutung dieses Titel zu erkennen. Bzw. eine Verbindung zur Handlung und ihrer Entwicklung herzustellen. Dabei war ich gar nicht schlecht:
Stürzen, assoziiert mit Absturz und daher gleichzusetzen mit den unglücklichen Ereignissen in der Antarktis
Liegen, assoziiert mit zur Ruhe / zum Stillstand kommen
Stehen, assoziiert mit Aufstehen, wieder auf die Beine kommen

Meine Ideen sind noch nicht ausgereift. Doch mit dem Hinweis auf den Originaltitel kann ich mir ein Weiterverfolgen meiner Ideen sparen. McGregor hat sich wohl etwas anderes dabei gedacht.