2. Leseabschnitt: Lampy (S. 83 bis S. 152)

RuLeka

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30. Januar 2018
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Auf mich wirkt Lampy nicht antriebslos, sondern geistig zurückgeblieben.
Dann sind viele geistig zurückgeblieben. Solche Leute gibt es genug. Er ist nicht gerade eine Leuchte, sondern eher einer, der sich in Tagträumereien verliert, keine wirklichen Interessen hat, aber auch nie gefördert wurde.
Er gehört zur Unterschicht, hat Aggressionen, fühlt sich als Verlierer. Sein Großvater als maßgebliche Bezugsperson scheint rassistische Tendenzen zu haben, zumindest werden Menschen eingeteilt. Neutral klingt sein Ausspruch nicht.
Das eine bedingt hier das andere. Das sieht man doch überall. Menschen, die sich abgehängt fühlen, brauchen welche, auf die sie herabschauen können, denen sie die Schuld für ihr Schicksal zuschieben können. Rassistisches Denken gegenüber Geflüchteten findet man gehäuft in diesem Milieu.
 

Barbara62

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Barbara: wenn du Abitur und Studium beiseite schiebst, kommt dir die Figur dann nicht auch sehr einfältig und wenig empathisch vor?
Einfältig ja, aber wenig empathisch nicht unbedingt. Bei der Auswahl des Studiums hatte er sicher keinerlei Unterstützung, er hat sich treiben lassen und irgend etwas gemacht. Das ist nicht schlau, zugegeben, aber wenn ich mir vorstelle, wie viele Stunden wir in der Familie über die Studienauswahl der Kinder diskutiert haben und er hatte keinerlei Hilfe. Deshalb fällt mir ein Pauschalurteil schwer. Was die Empathie betrifft: Für seinen Großvater und seine Mutter empfindet er durchaus etwas, will ihnen zumindest nicht wehtun.

Ich gebe dir völlig recht, dass sein Frauenbild unterirdisch und er kein Sympathieträger ist. Aber mir tut er trotzdem leid, denn eigentlich sucht er einfach Halt und will geliebt werden.
 

Renie

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Ich wäre nicht wie @Literaturhexle auf die Idee gekommen, dass Lampy retardiert ist
Ich auch nicht. Er ist vielleicht ein wenig einfach gestrickt und sehr introvertiert. Aber er hat Abi gemacht, muss einen Führerschein haben, und er bekommt das Problem mit dem liegengebliebenen Auto in den Griff, ist also organisatorisch einigermaßen auf der Höhe. Eigentlich ist er gar nicht so untypisch für einen Menschen Anfang 20. Keine Lust auf nichts, sehr bequem, aber wenn es unbedingt sein muss, wird er aktiv. Seine romantischen Vorstellungen eines anderen Lebens in Kanada setzt er nicht um, weil seine Bequemlichkeit siegt, gepaart mit einem schlechten Gewissen seiner Familie gegenüber. Da ist es doch leichter für ihn, alles beim Alten zu lassen.
 

Literaturhexle

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Da ist es doch leichter für ihn, alles beim Alten zu lassen.
Mag alles sein.
Es bleibt seiner Aggressivität. Er kann ein Nein bei Frauen schwer akzeptieren. Offenbar versteht er da nur, was er verstehen will, hat Gewaltphantasien, kneift das eine Mädel so fest in die Brust, dass sie aufschreit...
Also ein ganz gewöhnlicher junger Mann (mit Abitur!!!) Anfang 20???
Wenn der Autor Abitur und Studium weg gelassen hätte, wäre es für mich stimmiger.
Aber vielleicht entsprechen die irischen Abiturienten nicht denen aus meinem Umfeld in BaWü...
 
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ulrikerabe

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Lampy ist vielleicht nicht die hellste Lampe am Luster, aber für geistig zurückgeblieben hätte ich ihn auch nie gehalten. Wenn sein Frauenbild Zeichen einer Retardierung ist, dann müsste die Hälfte der Männlichkeit in Sonderbetreuung. Lampy fehlt das wertschätzende (männliche) Vorbild. Der Großvater, der ständig zotige Witze erzählt wird zu einer emotioanlen Reife nicht viel beigetragen haben.
Abitur oder Studium sagt doch überhaupt nichts darüber aus, wie ein junger Mann mit Frauen umgeht. Meine Güte, was ich für Akademiker kenne....
 

milkysilvermoon

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Hätte der Roman mit diesem Teil begonnen, wäre ich vermutlich enttäuscht gewesen. Denn mich hat Lampy nicht gepackt.

Das kann ich unterschreiben. Ich finde ihn unsympathisch und uninteressant. Dieser Abschnitt war für mich deshalb leider kein Lesegenuss.

Hat Lampy ein Aggressionsproblem?

Offenbar. Er beleidigt, er schlägt nach Leuten. „Er kriegte sein Temperament einfach nicht unter Kontrolle.“ (S.104).

Kann man ihn als "einfach gestrickt" bezeichnen, bloß weil er das Studium nicht gepackt hat oder in der Schule durchschnittliche Noten hatte oder sein Freitzeitvergnügen in dem Rummachen mit seiner Freundin besteht?

Ich halte ihn für nicht besonders schlau. Vielleicht ist er auch einfach noch total unreif. Wobei: Letzteres ist er bestimmt. Er verhält sich nicht wie ein 23-Jähriger, finde ich. Ich hätte ihn auf höchstens 18 geschätzt.

Ich vermute, die Gemeinsamkeit zwischen den beiden Geschichten liegt im angedachten Suizidversuch. Mal sehen, ob sich das in der dritten Geschichte bestätigt.

Ja. Das ist die einzige Parallele, die ich bisher erkennen kann.
 

milkysilvermoon

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Ich habe ein "und"-Trauma. Kann mir jemand helfen? :p :D

In diesem Abschnitt ist mir ebenfalls aufgefallen, wie absurd oft dieses Wort auftaucht. Ich finde den zweiten Teil auch sonst in sprachlicher Hinsicht nicht toll: sehr viel Umgangssprache, einfache Sätze.... Klar, das passt zu Lampy. Aber es liest sich nicht schön.
 

Barbara62

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Ich halte ihn für nicht besonders schlau. Vielleicht ist er auch einfach noch total unreif. Wobei: Letzteres ist er bestimmt. Er verhält sich nicht wie ein 23-Jähriger, finde ich. Ich hätte ihn auf höchstens 18 geschätzt.
"Unreif" trifft es auf den Punkt. Ich hatte aber auch den Eindruck, dass die Mutter und der Großvater ihn nicht in seiner Reife unterstützen. Er wird eher wie ein Kind behandelt.
 

Renie

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"Unreif" trifft es auf den Punkt. Ich hatte aber auch den Eindruck, dass die Mutter und der Großvater ihn nicht in seiner Reife unterstützen. Er wird eher wie ein Kind behandelt.
Stimmt. Er wird in dieser 3er-Konstellation wohl immer "der Junge" bleiben.
(So wie unser Junior als jüngstes Enkelkind seiner Oma immer "der Kleine" bleiben wird - trotz 1,80m Körpergröße ;))
 

Mikka Liest

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Ihr habt ja eigentlich schon alles gesagt, weil ich so hinterherhänge, deswegen nur so viel:

Ich halte Lampy für einen jungen Mann, dem ein positives männliches Vorbild fehlt. Mutter und Großvater sind beide auf ihre Art unzuverlässige Bezugspersonen, die selber nicht das notwendige Wissen oder die emotionale Reife haben, um ihn zu fördern. Gleichzeitig ketten sie ihn mehr oder weniger bewusst an sich und damit an ein Milieu, in dem er sich nicht weiterentwickeln kann.

Meine Vermutung ist, dass hier vielleicht ADHD und Dyskalkulie zusammenkommen, zusammen mit einem unbestreitbaren Aggressionspotential eine ungute Kombination. Und ich gebe euch recht: er ist antriebslos. Da seine Noten für den NC seiner Wunschfächer nicht reichen, glaubte er, nehmen zu müssen, was er kriegen konnte – schlechte Wahl.

Ich glaube nicht, dass er in Kanada glücklich geworden wäre, aber es hätte ja zum Beispiel die Möglichkeit gegeben, sich aktiv einen Ausbildungsberuf zu suchen, der mehr seinen Interessen entspricht – aber das scheiterte wohl am "aktiv".

Ja, sein Frauenbild ist furchtbar, aber das kreide ich dem Opa und anderen Männern aus dem Umfeld an. Ich vermute, die Männer, die die Mutter zwischendurch anschleppt, sind da auch nicht besser. Dass er Chloe nach ihrer unerwarteten Abweisung in die Brust gekniffen hat, sehe ich eher als Kurzschlusshandlung, weil er gelernt hat: wenn mir jemand weh tut, dann tue ICH ihm weh. Das hat ihm ja schon der Großvater beigebracht.

Er kann nicht umgehen damit, seine Freundin verloren zu haben. Ok, so weit kann ich das noch nachvollziehen: er hat sie wirklich geliebt und ist schockiert, dass sie diese Liebe nicht erwidert. Aber am Anfang des Abschnitts dachte ich wirklich, sie sei gestorben (vielleicht bei einem Autounfall), und er wolle es ihr "heimzahlen", ihn zurückgelassen zu haben! Denn sein Verhalten und seine Gefühle sind auf jeden Fall über alle Maßen drastisch. Wenn sie gestorben wäre, würde diese Todessehnsucht für mich mehr Sinn ergeben.

Aber es gibt junge Menschen, die sich aus viel nichtigeren Gründen umbringen... Ich erinnere mich da an einen Fall, in dem ein Junge sich umgebracht hat, weil seine Eltern ihm nicht die Konsole gekauft hatten, die er wollte. Insofern: nichts ist unmöglich....

Für mich ist das Interessanteste diese Leerstelle: wer ist sein Vater? Warum will die Mutter nicht raus mit der Sprache? Ehrlich gesagt würde mich auch nicht wundern, wenn sie es selber nicht mit Sicherheit wüsste... Aber ich sehe das als den wichtigsten Mangel in Lampys Leben und sicher auch die Ursache für manche seiner Probleme.

Ich glaube, er könnte möglicherweise wirklich ein Talent dafür haben, mit alten Menschen umzugehen. Auch wenn sie ihn gnadenlos aufziehen, scheint er da ja nicht mit Aggression zu reagieren, und ich habe den Eindruck, eigentlich mögen ihn die meisten.

Aber vielleicht wird er da ja doch noch aus irgendeinem Grund rausgeschmissen und fängt dann vielleicht an, in einem Asylbewerberheim zu arbeiten? Dann hätte wir den Bogen zu Abschnitt 1. Aber das wisst ihr ja inzwischen sicher alle schon!