Aber auch eine Art an ihm, die mich besonders als er mit dem Fahrrad zum neuen "Wohnort" von Jinn durch den Park gefahren ist und dort die Leute angepöbelt hat, das erste Mal so richtig gestört hat. War er bisher ein kautziger, grummeliger Mensch, der einfach Oberflächlichkeiten, Unfähigkeit, Small Talk nicht mag, wird er hier zu einem unangenehmen Zeitgenossen. Aber meine Vermutung ist, dass hier eigentlich die Angst, innere Wut und andere noch undefinierte Gefühle um und für Jinn und deren Umzug raus aus seiner Wohnung eine große Rolle spielten. Er lässt auf unangenehme Weise Druck ab.
Diese Seite von Sukhin hat mich überrascht. Es macht ihm sogar Spaß die anderen anzupöbeln. Ich denke auch, dass dieser Ausbruch mit Sukhins Unsicherheiten und ,wie Du sagst, einer Wut und anderen undefinierten Gefühlen in Bezug auf Jinn eine Rolle spielen. Er ist auch neidisch auf Jinns Gelassenheit und Zufriedenheit. Gefallen hat mir an diesem unangenehmen Ausbruch, dass es mir eine neue Facette von Sukhin zeigt, mit der ich nicht gerechnet hätte - er wird für mich dadurch komplexer.
Wie
@GAIA hat mich Sukhins Verhalten auf dem Fahrrad gestört. Warum hat er seine Frust und Wut an den Menschen ausgelassen, die die Schilder nicht ordentlich lesen und als Fußgänger einen Radweg benutzen. Sein Sinn für Ordnung schlägt hier durch.
Ich glaube es ist eher Frust - eigentlich möchte er, dass Jinn bei ihm bleibt. So ordentlich ist er nicht. Hat nicht Dennis seine Wohnung aufgeräumt als er einige Wochen bei ihm lebte.
In diesem Leseabschnitt erfahren wir auch sehr viel von Jinn. Sie hat ihr betuchtes Elternhaus offenkundig verlassen, gilt als verschollen. Was hat ihre Flucht ausgelöst? Und warum will sie unbedingt auf die Straße zurück? Sie ist noch ein Mysterium.
Das verstehe ich auch noch nicht völlig. Eigentlich dachte ich, dass sie keine Lust mehr hat Teil dieser konsumorientierten, oberflächlichen Gesellschaft zu sein. Allerdings kann sie ohne Probleme ein Taxi benutzen, um zu ihrem neuen Wohnort zu gelangen. Passt das? Ihren "Abschiedsbrief" kennen wir leider nur bruchstückhaft. Ich hatte schon überlegt, ob sie vielleicht vorgegeben hat tot zu sein, um von ihrer Familie in Ruhe gelassen zu werden und ob wir es gar nicht mit einer am Ende toten Frau zu tun haben wie es der kursive Text nahelegt, sondern nur mit einer Frau, die für die Gesellschaft nicht mehr existiert, weil sie ein Leben am Rande führt, das es so gar nicht geben dürfte. In diesem Zusammenhang fällt mir auch ein, dass sie von den Menschen aus ihrem "neuen" Leben nur X genannt wird.
Interessant finde ich, wie Sukhin Jinns Gleichmut mit Neid betrachtet (S. 153). Offenbar war sie früher mal genauso grummelig wie er.
Sie wird als aufbrausend beschrieben, grummelig erscheint mir zu dezent.
Singapur gilt als eines der reichsten, saubersten und sichersten Länder mit einer extrem hohen Lebensqualität. Nur die Mittel, die dieses Land einsetzt, um diese Standards zu sichern sind fragwürdig. Denn Singapur ist ein autoritärer Stadtstaat, welcher das Leben seiner Einwohner durchtaktet und lenkt. Das Strafrecht ist eigenwillig. Was bei uns als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldstrafe geahndet wird, kann in Singapur mit einer Körperstrafe enden. Es gibt hier noch die Todesstrafe, die regelmäßig praktiziert wird, Amnesty International ist da sehr aussagekräftig. Singapur mag zwar nach Außen den Anschein erwecken, "the place to be" zu sein. Doch ist es das beileibe nicht.
Obdachlosigkeit gibt es offiziell nicht. Denn Singapur sorgt für seine Bürger. So gibt es erschwingliche Wohnungen zum Kauf oder zur Miete für finanziell Minderbemittelte. Bevor also irgendjemand auf der Straße oder am Strand in einem Haus aus Kartons schlafen muss, hat er die Möglichkeit, eine der Wohnungen zu beziehen. Über eine Quotenregelung schafft Singapur übrigens eine Multi-Kulti- Mischung, d. h. es soll verhindert werden, dass Ethnien unter sich bleiben. Wer sich eine derartige Wohnung nicht leisten kann, den gibt es eigentlich nicht bzw. derjenige sollte sich nicht erwischen lassen, weil Schlafen am Strand oder auf der Straße strafbar ist.Mit viel Wohlwollen der Behörden würden diese Leute als "Camper" durchgehen.
Wer ein bisschen über Singapur lesen will:
Singapur gilt als Paradies für Wohnungssuchende. Es gibt keine Obdachlosigkeit und auch Menschen mit geringem Einkommen können sich gute Wohnungen leisten. Der Staat finanziert und fördert – nimmt aber auch Einfluss auf das Zusammenleben.
www.daserste.de
Heike Klovert kehrt zurück nach Singapur - in die Lieblingsstadt ihrer Jugend. Und stellt fest: Die effiziente, moderne Stadt ist nicht die Wohlfühlmetropole, die sie kannte.
www.spiegel.de
Und natürlich der Wikipedia-Artikel zu
Singapur (s. Recht)
Danke für die Infos.
Jinn hat sich aus dem Zwangskorsett gelöst, wenn auch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar ist, was bei ihr dahintersteckt. Sie lebt ihm also vor, dass es abseits der Norm auch anders geht.
Ich hoffe sehr, den Auslöser bzw. die Gründe für ihre neue Lebensweise zu erfahren.
Momentan sehe ich auch noch nicht die große Liebe zwischen den Beiden. Sukhin fühlt sich der alten Zeiten wegen verpflichtet und verantwortlich. Und der gute Kerl, der er ist, will ihr helfen. Doch sie behält die Oberaufsicht über ihr Leben, lässt ihn nur langsam und sehr kontrolliert hinein. Vielleicht der alten Zeiten wegen. Denn eigentlich braucht sie ihn nicht.
Ich glaube auch, dass Jinn Sukhin weniger braucht als umgekehrt. Allerdings genießt sie seine Gesellschaft, sonst hätte sie ihn vermutlich nicht an all die Orte, die ihr etwas bedeuten, geführt und bestimmt Wege gefunden, ihn abzuwimmeln.
Ich habe richtig Spaß am lesen, ich muss oft herzhaft über Sukhin lachen. Dennis weiß ihn und seine Art wunderbar zu nehmen, und auch Sukhin mag Dennis, auch wenn er das natürlich nicht zugeben würde.
Stimmt!
Die versuchte Verkupplung war ja beinahe filmreif, wie er dann irgendwann abrauscht, nachdem er seinen Tee verschüttet hat, göttlich.
Die Dramatik war notwendig, damit die Familie es endlich kapiert
. Ja - absolut bollywoodreif.
Wenn der Staat für alles sorgt, wie Renie erläutert hat, fragt man sich, wie es zum kollektiven Lebensmittel Sammeln und Kochen kommen kann.
Theorie und Praxis.
Das liest sich wie "Speisung der Zehntausend". Kritik an der Verschwendung?!
Definitiv - eine krumme Möhre schmeckt ja nicht anders als ein gerades Modell und ist auch nicht weniger nahrhaft. Landet trotzdem auf dem Müll.
Kritik am uneingeschränkten Kapitalismus, dem sogar die Zeit untergeordnet wird?
Den Aspekt fand ich spannend - ein Gedanke, den ich vorher noch nicht hatte.
In der Küche ist mir noch die scharfe Beobachterin Lina (S.103) aufgefallen, die unsere beiden Protas mit wenig Wohlwollen analysiert.
Mir auch. Sie versteht nicht, warum Menschen aus offensichtlich betuchten, gebildeten Gesellschaftsschichten (Jinns Englisch! und Sukhins Kleidung) an der Essensrettungsaktion und Armenspeisung teilnehmen.
Aufgelockert wird das durch die Schulszenen oder die mit der Familie. Die Kombination aus Leichtigkeit und Melancholie / Tiefgründigkeit gefällt mir sehr.
Mir auch.
Ich finde nicht, dass Sukhin anderen gegenüber klar und deutlich sagt, was er möchte. Er weiß es zwar, verheddert sich dann aber doch in sehr widersprüchlichen Aktionen. Bei seinen Eltern scheut er die direkte Konfrontation, von Dennis lässt er sich ständig zu Dingen überreden, die er eigentlich nicht will.
Mit Jinn ist es für ihn noch schwieriger.
Da bin ich komplett bei Dir.
Witzig, dass er glaubt, nicht verliebt zu sein, weil er nicht die gleichen Symptome zeigt wie die Helden aus der englischen Literatur.
Das war mal wieder eine geniale Stelle, über die ich schmunzeln musste.