Diesen Roman auf eine "Love Story" zu reduzieren, wird ihm nicht gerecht. Wir lassen außer Acht, in welchem Land wir uns befinden.
Singapur gilt als eines der reichsten, saubersten und sichersten Länder mit einer extrem hohen Lebensqualität. Nur die Mittel, die dieses Land einsetzt, um diese Standards zu sichern sind fragwürdig. Denn Singapur ist ein autoritärer Stadtstaat, welcher das Leben seiner Einwohner durchtaktet und lenkt. Das Strafrecht ist eigenwillig. Was bei uns als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldstrafe geahndet wird, kann in Singapur mit einer Körperstrafe enden. Es gibt hier noch die Todesstrafe, die regelmäßig praktiziert wird, Amnesty International ist da sehr aussagekräftig. Singapur mag zwar nach Außen den Anschein erwecken, "the place to be" zu sein. Doch ist es das beileibe nicht.
Obdachlosigkeit gibt es offiziell nicht. Denn Singapur sorgt für seine Bürger. So gibt es erschwingliche Wohnungen zum Kauf oder zur Miete für finanziell Minderbemittelte. Bevor also irgendjemand auf der Straße oder am Strand in einem Haus aus Kartons schlafen muss, hat er die Möglichkeit, eine der Wohnungen zu beziehen. Über eine Quotenregelung schafft Singapur übrigens eine Multi-Kulti- Mischung, d. h. es soll verhindert werden, dass Ethnien unter sich bleiben. Wer sich eine derartige Wohnung nicht leisten kann, den gibt es eigentlich nicht bzw. derjenige sollte sich nicht erwischen lassen, weil Schlafen am Strand oder auf der Straße strafbar ist.Mit viel Wohlwollen der Behörden würden diese Leute als "Camper" durchgehen.
Wer ein bisschen über Singapur lesen will:
Singapur gilt als Paradies für Wohnungssuchende. Es gibt keine Obdachlosigkeit und auch Menschen mit geringem Einkommen können sich gute Wohnungen leisten. Der Staat finanziert und fördert – nimmt aber auch Einfluss auf das Zusammenleben.
www.daserste.de
Heike Klovert kehrt zurück nach Singapur - in die Lieblingsstadt ihrer Jugend. Und stellt fest: Die effiziente, moderne Stadt ist nicht die Wohlfühlmetropole, die sie kannte.
www.spiegel.de
Und natürlich der Wikipedia-Artikel zu
Singapur (s. Recht)
Der Staat nimmt also Einfluss auf das Leben seiner Einwohner, genauso wie Familien Einfluss auf ihre Nachkommenschaft nehmen. Sukhins Leben ist fremdbestimmt - entweder durch die Autorität des Staates oder durch die Autorität der Familie, wobei man letztere eher als liebevoll bezeichnen sollte. Diese Einflussnahme ist ihm zuwider. Deshalb kapselt er sich vor anderen ab. Vielleicht war seine Berufswahl sogar eine Möglichkeit, seiner Individualität zu entsprechen. Er hat noch keinen Weg gefunden, aus diesem Zwangskorsett seines Alltags auszubrechen - abgesehen von ein paar rebellischen Anwandlungen, s. die Fahrradaktion und sein Beschimpfen der Passanten. Er hätte wahrscheinlich nicht die verbale Sau rausgelassen, wenn er nicht die Möglichkeit gehabt hätte, sich schnell und unerkannt aus dem Staub zu machen. So hat er die Gelegenheit beim Schopf gepackt, Rebell gespielt und hat sich gut dabei gefühlt.
Jinn hat sich aus dem Zwangskorsett gelöst, wenn auch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar ist, was bei ihr dahintersteckt. Sie lebt ihm also vor, dass es abseits der Norm auch anders geht. Momentan sehe ich auch noch nicht die große Liebe zwischen den Beiden. Sukhin fühlt sich der alten Zeiten wegen verpflichtet und verantwortlich. Und der gute Kerl, der er ist, will ihr helfen. Doch sie behält die Oberaufsicht über ihr Leben, lässt ihn nur langsam und sehr kontrolliert hinein. Vielleicht der alten Zeiten wegen. Denn eigentlich braucht sie ihn nicht.
Sicher könnten wir am Ende eine Liebesgeschichte gelesen haben, doch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind dabei m. E. nicht zu vernachlässigen.