2. Leseabschnitt: Kapitel 7 bis 13 (Seite 70 bis 138)

Anjuta

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8. Januar 2016
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Die getrennten Geschichten von Fritz und Sabina entwickeln sich weiter. Sabinas Gesprächstherapie scheint Erfolge zu haben. Aber auch zu einer emotionalen Abhängigkeit zu führen? Wie auch immer: Sie gewinnt Unabhängigkeit und Selbstbewusstsein. Fritz reibt sich an seinen Lebensentscheidungen, die getrieben wurden von seiner politischen Überzeugung, auf. Auch er - überzeugter Kommunist und Propagandist für den Kommunismus in seinem Heimatland verschlägt es letztlich in ein sowjetisches Lager. (Und schon bin ich nach der Carola Neher-Biografie wieder dort?!?)
Einmal in diesem LA treffen Sabina und Fritz sogar mal räumlich aufeinander bei einer Demonstration in der Schweiz, an der Fritz als Anführer teilnimmt und Sabina als Betrachterin von außen daneben steht.
Weiterhin sind das beides für mich interessante Lebensgeschichten, die ich aber immer noch nicht zusammen bringen kann. Mal sehen!?!
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Der Abschnitt, der von Fritz handelt, hat sich für mich doch etwas gezogen. Zu viele biografische Daten wurden eingearbeitet, die mich in dieser Detailgenauigkeit nicht interessieren. Was für mich bleibt, ist, dass Fritz ein überzeugter, rastloser Kommunist war. Er hatte Schlag bei den Frauen, zahlreiche landeten in seinem Bett, zwei (?) bekamen einen Sohn von ihm, eine beging Selbstmord. Fritz stellte sein politisches Leben über das Private. Er hatte größere Ziele, wollte das Gemeinwohl verbessern und ließ im Zweifel seine eigenen Kinder hinten anstehen. Kein Wunder, dass das die Frauen schwer akzeptieren konnten, zumal er sie auch schnell über hatte und ersetzte. Fritz war eher ein Redner, denn ein Macher. Er war überzeugter Anhänger Lenins, dem er der Sage nach einst das Leben rettete. Die Sage legte lange einen Schutzschirm um ihn, doch reicht dieser nicht aus im Stalinismus - so landete Fritz im Lager, wo er seine Gedanken treiben lässt. Durchaus manchmal mit etwas Wehmut erfüllt, meist aber von der rechtfertigenden Warte aus.

Den Teil mit Sabina habe ich lieber gelesen. Obwohl sie nur seit wenigen Monaten in der Klinik ist, wirkt sie erwachsener und gereifter. Sie macht keine Spielchen mehr. Jung ist ihr Mentor geworden. Sie genießt die Zeit mit ihm, fordert ihn aber nur selten heraus, indem sie die schwache Frau spielt, die sich selbst nicht auf den Beinen halten kann.
Mich wundert, wie selbstverständlich Jung Sabina auf ein Medizinstudium bringt. War es damals schon selbstverständlich, dass Frauen studierten? Sabina tut ihre neue Rolle gut. Sie blüht tatsächlich auf, macht Urlaub mit der Freundin, wird selbständiger. Da steht auf einmal die Familie vor der Tür!
Mir läuft das alles fast zu rund ab. Die Mutter akzeptiert sehr schnell, dass die Tochter noch Rekonvaleszenszeit braucht. Der Bruder Isaak hat sich gleichsam zum Kommunisten entwickelt - wahrscheinlich aus Opposition zum Elternhaus.

Mir gefallen manche Formulierungen, die so ganz ruhig eingestreut werden:
..., aber ihre Bilder voneinander hatten Flecken bekommen. So war es mit der Liebe, sie ließ sich nicht konservieren. 71
Die Paranoia, die das ganze Land wie ein Schimmelpilz zu überziehen schien... 73
Menschen sind und bleiben unterschiedlich. Man kann sie zu Gutem erziehen, aber nicht gleichmäßig zurechtstutzen wei Nutzpflanzen. 118
Sabina hat sich innerlich von ihrer Familie frei geschwommen, sich gleichzeitig aber an Jung gebunden, der selbst Frau und Kind hat. Die Warnung der Mutter ist von daher nicht unberechtigt.
Ich bin gespannt, wie lange es Sabinas Familie noch in Russland aushalten kann und wann Fritz und Sabina sich endlich richtig begegnen. Die Demonstration war ja ein kleiner Vorgeschmack darauf.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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War Fritz im 1. LA noch ein unerwarteter Störenfried in meiner Geschichte mit Sabina, entpuppt er sich nun als "Mann mit Vergangenheit".
Nur damit keine Gerüchte aufkommen, ich mag Fritz nicht wirklich, aber wie sehr er sich in seine politische Karriere reingehängt hat, war schon beeindruckend... so ein richtiges Platzhirschgehabe.
Neu für meine Viertelbildung war die Sache mit Lenins Schweizer Exil und der Rückführung nach Russland mitten durch Feindesgebiet. Très intéressante.

Mir persönlich würde die Begegnung zwischen Sabina und Fritz während der Demonstration in Zürich völlig genügen, denn komischerweise bin ich jetzt wieder mehr auf die Zeit der Umbrüche in Europa fixiert und wie tief auch die scheinbar so beständige, ruhige und langsame (frag mal einen Östi) Schweiz darin verwickelt war.

Wie problemlos Sabina von der Patientin zur Studentin wird, ist schon erstaunlich. Es ist aber auch der genau richtige Weg für sie und ihre Energien und ihre Intelligenz werden in die richtigen Kanäle geleitet.

In dieser Romandoppelbiografie stören mich die eingestreuten Fakten und Namen nicht. Es gibt so viele Anknüpfungspunkte (Freud, Lenin...) und bereichern den Plot auf spannnende Weise.
 

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29. März 2022
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Die Geschichten von Fritz und Sabina werden weitgehend unabhängig voneinander weiter gesponnen.
Auch mir gefällt Sabinas Geschichte besser. Fritz Geschichte ist mir wohl zu politisch, das mag ich in Romanen oft nicht so gerne. Er ist überzeugt von Kommunismus und Lenin. Politisches Engagement ist ihm wichtig; das Privatleben leidet.
Sabina scheint Fortschritte zu machen. Die Anfälle gehen zurück. Hängt dies damit zusammen, dass sie ohnehin Jungs Aufmerksamkeit hat? Jetzt will sie auch noch Medizin studieren. Ob sie dies Jung noch näher bringen wird?
Ich bin gespannt, wie die Schicksale von Fritz und Sabina sich kreuzen und miteinander verwoben werden.
 

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29. März 2022
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Sabina hat sich innerlich von ihrer Familie frei geschwommen, sich gleichzeitig aber an Jung gebunden, der selbst Frau und Kind hat. Die Warnung der Mutter ist von daher nicht unberechtigt.
Ich bin gespannt, wie lange es Sabinas Familie noch in Russland aushalten kann und wann Fritz und Sabina sich endlich richtig begegnen. Die Demonstration war ja ein kleiner Vorgeschmack darauf.
Das geht mir ganz genauso. Ich werde also interessiert weiter lesen, parallel dazu momentan Lektionen.
 

Bücherfreundin

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6. November 2022
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Die getrennten Geschichten von Fritz und Sabina entwickeln sich weiter. Sabinas Gesprächstherapie scheint Erfolge zu haben. Aber auch zu einer emotionalen Abhängigkeit zu führen? Wie auch immer: Sie gewinnt Unabhängigkeit und Selbstbewusstsein. Fritz reibt sich an seinen Lebensentscheidungen, die getrieben wurden von seiner politischen Überzeugung, auf. Auch er - überzeugter Kommunist und Propagandist für den Kommunismus in seinem Heimatland verschlägt es letztlich in ein sowjetisches Lager. (Und schon bin ich nach der Carola Neher-Biografie wieder dort?!?)
Einmal in diesem LA treffen Sabina und Fritz sogar mal räumlich aufeinander bei einer Demonstration in der Schweiz, an der Fritz als Anführer teilnimmt und Sabina als Betrachterin von außen daneben steht.
Weiterhin sind das beides für mich interessante Lebensgeschichten, die ich aber immer noch nicht zusammen bringen kann. Mal sehen!?!
 

Bücherfreundin

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6. November 2022
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Der Abschnitt, der von Fritz handelt, hat sich für mich doch etwas gezogen. Zu viele biografische Daten wurden eingearbeitet, die mich in dieser Detailgenauigkeit nicht interessieren. Was für mich bleibt, ist, dass Fritz ein überzeugter, rastloser Kommunist war. Er hatte Schlag bei den Frauen, zahlreiche landeten in seinem Bett, zwei (?) bekamen einen Sohn von ihm, eine beging Selbstmord. Fritz stellte sein politisches Leben über das Private. Er hatte größere Ziele, wollte das Gemeinwohl verbessern und ließ im Zweifel seine eigenen Kinder hinten anstehen. Kein Wunder, dass das die Frauen schwer akzeptieren konnten, zumal er sie auch schnell über hatte und ersetzte. Fritz war eher ein Redner, denn ein Macher. Er war überzeugter Anhänger Lenins, dem er der Sage nach einst das Leben rettete. Die Sage legte lange einen Schutzschirm um ihn, doch reicht dieser nicht aus im Stalinismus - so landete Fritz im Lager, wo er seine Gedanken treiben lässt. Durchaus manchmal mit etwas Wehmut erfüllt, meist aber von der rechtfertigenden Warte aus.

Den Teil mit Sabina habe ich lieber gelesen. Obwohl sie nur seit wenigen Monaten in der Klinik ist, wirkt sie erwachsener und gereifter. Sie macht keine Spielchen mehr. Jung ist ihr Mentor geworden. Sie genießt die Zeit mit ihm, fordert ihn aber nur selten heraus, indem sie die schwache Frau spielt, die sich selbst nicht auf den Beinen halten kann.
Mich wundert, wie selbstverständlich Jung Sabina auf ein Medizinstudium bringt. War es damals schon selbstverständlich, dass Frauen studierten? Sabina tut ihre neue Rolle gut. Sie blüht tatsächlich auf, macht Urlaub mit der Freundin, wird selbständiger. Da steht auf einmal die Familie vor der Tür!
Mir läuft das alles fast zu rund ab. Die Mutter akzeptiert sehr schnell, dass die Tochter noch Rekonvaleszenszeit braucht. Der Bruder Isaak hat sich gleichsam zum Kommunisten entwickelt - wahrscheinlich aus Opposition zum Elternhaus.

Mir gefallen manche Formulierungen, die so ganz ruhig eingestreut werden:



Sabina hat sich innerlich von ihrer Familie frei geschwommen, sich gleichzeitig aber an Jung gebunden, der selbst Frau und Kind hat. Die Warnung der Mutter ist von daher nicht unberechtigt.
Ich bin gespannt, wie lange es Sabinas Familie noch in Russland aushalten kann und wann Fritz und Sabina sich endlich richtig begegnen. Die Demonstration war ja ein kleiner Vorgeschmack darauf.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Ob die Geschichte mit Lenins Rettung durch Fritz Platten wohl einen wahren Kern hat?
Hat sie, nachzulesen hier bei Wikipedia

Nachtrag: In der Diskussionsseite kann man übrigens nachlesen, dass Fritz Platten viermal verheiratet war.
Vielleicht war es falsch, dass ich das jetzt gegoogelt habe - ich fürchte, an ihm als Romanfigur werde ich nicht viel Freude haben. (Habe ich allerdings auch schon vor dem Googeln befürchtet.)
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Fritz, den ich vorher nicht kannte, hat historisch gesehen, mehr gemacht, als ich erst angenommen habe. Ob man es gutheißt, steht natürlich auf einem anderen Tablett. Begeistert bin ich von den Passagen über ihn und Lenin, der jetzt in den Fokus gerückt ist, nicht. Das es eine Überschneidung zu Sabina geben wird, konnte man ja im Vorfeld vermuten, aber ob es bei diesem kurzen Blick, den Sabina auf ihn erhaschen konnte bleiben wird? Durch die Situation mit ihrem Bruder ist sie jetzt zumindest aufmerksam geworden auf die Unruhen, es bleibt spannend wo die Reise hingeht.
Sabina und Jung, da prickelt es gewaltig wie mir scheint. Der Arzt hat enorme Fortschritte gemacht bei Sabinas Behandlung, er scheint obendrein ein guter Menschenkenner zu sein, denn mit der Idee, dass sie studieren soll, ich dazu Medizin, scheint er voll ins Schwarze getroffen zu haben
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Hat sie, nachzulesen hier bei Wikipedia

Nachtrag: In der Diskussionsseite kann man übrigens nachlesen, dass Fritz Platten viermal verheiratet war.
Vielleicht war es falsch, dass ich das jetzt gegoogelt habe - ich fürchte, an ihm als Romanfigur werde ich nicht viel Freude haben. (Habe ich allerdings auch schon vor dem Googeln befürchtet.)
Sein Verhältnis zu den Frauen ist ja katastrophal dargestellt, von daher überrascht es mich nicht, dass er viermal verheiratet war :cool:
 

Literaturhexle

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2. April 2017
19.480
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Der Arzt hat enorme Fortschritte gemacht bei Sabinas Behandlung
Wobei ich bezweifle, dass sie wirklich krank war. Sie war eine Frau, sie sich nicht in die vorgeschriebene Ordnung einpassen ließ. Ob bewusst oder unbewusst, sie hat dagegen lautstark oppuniert, war unberechenbar, unbequem. Die Familie kam damit nicht zurecht und gab sie in der Klinik ab.
Ich glaube, allein die Distanz zu ihren Fesseln und den dominanten Eltern hat sie "geheilt". Dazu kam die Schwärmerei für den Doktor... Liebe kann ja auch heilsame Kräfte entwickeln;)
Außerdem stand endlich mal sie selbst im Fokus der positiven Aufmerksamkeit.
 

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Bekanntes Mitglied
29. März 2022
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Mainz
Wobei ich bezweifle, dass sie wirklich krank war. Sie war eine Frau, sie sich nicht in die vorgeschriebene Ordnung einpassen ließ. Ob bewusst oder unbewusst, sie hat dagegen lautstark oppuniert, war unberechenbar, unbequem. Die Familie kam damit nicht zurecht und gab sie in der Klinik ab.
Ich glaube, allein die Distanz zu ihren Fesseln und den dominanten Eltern hat sie "geheilt". Dazu kam die Schwärmerei für den Doktor... Liebe kann ja auch heilsame Kräfte entwickeln;)
Außerdem stand endlich mal sie selbst im Fokus der positiven Aufmerksamkeit.
Ich bin mir nicht ganz sicher. Psychisch schien sie mir schon recht angeknackst. Aber es kommt sicher alles zusammen. Ihre Rebellion mag zur Einlieferung in die Klinik beigetragen haben.
Liebe hat mitunter heilende Kräfte, ja. Aber sie kann auch sehr destruktive haben. Habe schon etwas weiter gelesen und bin letztlich auf den Ausgang des Ganzen gespannt.
 

Circlestones Books Blog

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28. Oktober 2018
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Wienerin auf Rügen
www.circlestonesbooks.blog
In diesem Abschnitt kreuzen sich die Wege von Sabina und Fritz einen Augenblick zum ersten Mal, ein Zufall, Sabina bemerkt Fritz, dieser Sabina wohl sicher nicht, er ist ganz bei der Sache, bei seinen Anliegen und der Demonstration. Sabina ist jetzt 20 Jahre alt und doch, gemessen an der Zeit ihrer Einlieferung in die Klinik vor beinahe einem Jahr, erstaunlich reif für ihr Alter und das Umfeld ihrer Erziehung. Ihr ist bewusst, dass sie aus einem privilegierten Haus kommt, finanziell abgesichert, versteht aber das Anliegen der Demonstranten, sie kennt die Situation, in der die Armen auch in Rostow leben. Medizintudium, Selbstständigkeit im eigenen Zimmer in einer Pension, Sabina gefällt mir immer besser. Ich hatte schon Sorge, dass sie doch wieder einknicken würde, als ihre Mutter ihr beinahe befiehlt, ihren Bruder Isaak aufzunehmen, ausgerechnet Isaak, den Bruder, der sie in der Kindheit am meisten geärgert hatte und den sie nicht ausstehen kann. Zum Glück lässt sie sich von ihrer Mutter nicht mehr manipulieren und nicht mehr in das enge Netz dieser Familie zwingen. Dabei haben die Eltern sowieso eine Wohnung in Zürich gemietet, vermutlich wollte sie Mutter sie wieder unter ihre Kontrolle bekommen, aber Dr. Jung verhindert das. Gut, dass diese Familie nach Paris weiterzieht.
Fritz Geschichte ist mir wohl zu politisch, das mag ich in Romanen oft nicht so gerne. Er ist überzeugt von Kommunismus und Lenin.
Es ist zwar ein Roman, aber den Werdegang von Fritz Platten hat Lukas Hartmann so geschildert, wie er tatsächlich war. Im Gegenteil, mich begeistert, wie gut und lesbar er die bekannten geschichtlichen Fakten in diesen Roman einfügt. Ich wusste früher auch nichts über diese legendäre Fahrt von Lenin im verschlossenen Zug durch Deutschland, aber ich lebe ja in einem Ort, der nur etwa 15 km von Sassnitz entfernt ist und vor Jahren sind wir mit der Fähre nach Trelleborg gefahren. Als wir dann hier vor Bekannten davon geschwärmt haben, kam die Lenin-Geschichte.