2. Leseabschnitt: Kapitel 6 bis Kapitel 11 (S. 109 bis S. 200)

Renie

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19. Mai 2014
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Ich bin jetzt auch in dem Roman angekommen und er hat mich gepackt.
Jeder Handlungsstrang hat Potenzial für einen eigenen Roman. Insofern hat sich die Autorin viel vorgenommen, als sie daraus ein Gesamtwerk machen wollte. Und bis jetzt gelingt es ihr ganz gut. Langsam scheinen die Handlungsstränge auch zusammenzukommen. Zumindest sind sowohl Herta als auch Kasia in Ravensbrück eingetroffen. So ganz kann ich mir noch nicht vorstellen, wie Caroline in dieses Romankonstrukt hineinpasst. Ich bin gespannt.
Caroline:
Der Krieg nimmt Einfluss auf Carolines Leben. Es hätte wohl was mit Paul werden können, aber Hitler macht den Beiden erstmal einen Strich durch die Rechnung.
Ich habe im ersten LA geschrieben, dass Caroline oberflächlich auf mich wirkt. Ich hatte dies damit begründet, dass sie Wert auf Äußerlichkeiten legt. Ihre Beschreibungen von Kleidung etc. sind einfach zu detailliert. Mittlerweile habe ich jedoch erkannt, dass dies eine Marotte der Autorin zu sein scheint. Denn diese Detailbeschreibungen finden sich auch bei Kasia und Herta. Im Übrigen verflüchtigt sich der Eindruck der Oberflächlichkeit bei Caroline langsam bei mir. Mittlerweile bin ich überzeugt, dass sie von ihrer versnobten Umgebung geprägt ist. Wer in solch einem Umfeld aufwächst, kann vermutlich nicht anders. Aber sie versucht, ihr eigenes Ding zu machen. Dazu gehört schließlich auch ein gewisses Talent, innerhalb der Grenzen, die die gesellschaftlichen Konventionen setzen, unbeschadet seine eigenen Interessen zu verfolgen.
Kasia:
Es passiert das, was nicht passieren durfte. Sie wird verhaftet und deportiert. Ich bin immer noch über die Widerstandsbewegung erstaunt. Aus einer romantischen Sichtweise heraus hat Widerstand für mich immer etwas mit gestandenen Kerlen und amazonenhaften Frauen zu tun. Aber mit was für einer Selbstverständlichkeit in Llubin die Jugendlichen für den Widerstand arbeiten und enorme Risiken eingehen. Ist der Widerstand für sie ein großes spannendes Spiel? Vielleicht sind sie auch nur noch die Einzigen, die Widerstand leisten können, weil die gestandenen Kerle und Amazonen bereits von den Deutschen einkassiert worden sind? Ich bin mir noch nicht sicher.

Die Ankunft der polnischen Frauen im Luftkurort Fürstenberg war für mich eine Situation, in der ich mich gefühlt habe, wie @Mamskit es im ersten LA beschrieben hat: Die Frauen verspüren Erleichterung. Viele kennen den Ort als beschaulichen Kurort. Also kann es hier nicht so schlimm sein. Außerdem gibt es eine Kirche. Hier muss Nächstenliebe großgeschrieben werden. Und ich denke: "Das darf doch nicht wahr sein. Wenn Ihr wüsstet ... aber vermutlich ist es besser, dass Ihr es nicht wisst. So habt Ihr für den Moment noch ein kleines bisschen Hoffnung."
Mit dem Wissen zu lesen, was passiert ist, macht einige Szenen fast schon pervers. Diese Szenen begleiten mich, selbst, wenn ich das Buch bereits weggelegt habe.

Herta:
Meine Güte, was war nur mit den "deutschen" Frauen los? Erst die Nummer mit dem BDM, in dem Frauen es als ihre oberste Pflicht ansehen, für den Fortbestand der reinen Rasse zu sorgen. Dann Herta, die sich mit einer Selbstverständlichkeit von ihrem Onkel? benutzen lässt - ebenfalls aus Pflichtgefühl? Ihre Tante?, die die beiden ertappt und das klaglos hinnimmt? Ganz zu schweigen von den Aufseherinnen in Ravensbrück, die jegliches Mitgefühl und Empathie (Eigenschaften, die man Frauen normalerweise zuspricht) ad acta legen.
Und Herta ist in diesem LA auch sehr "speziell". Sie nimmt den Job in Ravensbrück an. Bei ihrer Ankunft wird sie von ihrem alten Spezi Fritz in Empfang genommen, der sie in die Ärzteschaft des KZ einführt. Bei der Aufzählung der Kollegen wurde mir ganz anders. Denn bei der Aufzählung der Fachgebiete schossen mir üble Fantasien durch den Kopf. Während ihres "Vorstellungsgesprächs" mit dem Lagerleiter, bekommt Herta mit, wie eine Frau misshandelt wird, was sie aber nicht sonderlich zu beeindrucken scheint. Dann kommt Hertas Einsatz an der Todesspritze, der hier sehr sinnlich und fast schon erotisch dargestellt wurde. Ekelhaft.
Langsam klingelt es zwar bei ihr, worum es in Ravensbrück geht. Aber eines weiß ich sicher, wenn Herta nicht bald an ihrer Einstellung arbeitet, werden wir keine Freunde.
 

Mamskit

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Es geht in allen drei Erzählsträngen spannend weiter. Wird Caroline Paul jemals wiedersehen? Was kommt in Ravensbrück auf Kasia zu? Wie geht Herta mit ihrem neuen "Job" um?
Die Geschichte um Herta ist für mich die Interessanteste. Zu diesem Thema - Motivation und Verantwortung(slosigkeit) der KZ-Ärzte bezüglich ihres unsäglichen Handelns - habe ich noch nie etwas gelesen. Über Liebesgeschichten im zweiten Weltkrieg und Schicksale der Opfer des NS-Regimes habe ich schon öfter gelesen, aber welche Entwicklung Herta nehmen wird, finde ich sehr spannend. Ich stimme @Renie zu, sonderlich sympathisch ist sie mir noch nicht. Sie sonnt sich in dem Respekt und dem Ansehen, die mit der BDM- Uniform verbunden sind. Allerdings lässt sich dies mit der Kenntnis von heute natürlich leicht verteufeln, hinterher ist man immer schlauer. Und dennoch - was sie mit ihrem Onkel veranstaltet, finde ich mehr als abstoßend. Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Ich glaube, da kommt noch einiges auf uns zu. Ich fand die Geschichte bisher schon sehr emotional und ergreifend und das war wahrscheinlich nur "Vorgeplänkel". Bisher finde ich das Buch auf jeden Fall sehr sehr gut.
 
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Xanaka

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Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Der Abschnitt von Herta hat mich am meisten erschüttert. Ob sie geahnt hat, was sie sich mit der Bewerbung in Ravensbrück antut? Schon als ich den Namen des Ortes gelesen habe, war mir klar, dass sie im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück landen wird. Schon bei ihrer Ankunft wird ja relativ schnell deutlich, was dort mit den Frauen passiert. Da hätte ihr schon einiges klar werden müssen. Aber sie hat sich irgendwie an dem Begriff Erziehungslager festgehalten. Manchmal will man einfach bestimmte Dinge, die deutlich sind, nicht sehen bzw. wahrhaben. Ich überlege jetzt die ganze Zeit, ob sie die Kraft und den Mut hat zu sagen, dass sie wieder zurückfährt. Nach der Tötung der alten Frau und den Gesprächen mit Fritz muss ihr doch klarwerden, dass es sich niemals mehr ändern wird. Ich vermute, sie wird sich fügen und bei dem ganzen mitmachen.

Kasia, die wiederum versucht hat mit im Untergrund aktiv zu werden, hat durch ihre unbedachte Handlung alle mit in den Abgrund gezogen. Es war fast eine logische Konsequenz, dass sie sich alle in Fürstenberg wiederfinden. Von dort ist es nicht weit, bis nach Ravensbrück. Ich hoffe, dass es wenigstens einige schaffen zu überleben.

Bei Caroline bin ich mir noch nicht sicher, wie es weitergehen wird. Paul ist in Frankreich angekommen um Rena mit in die USA zu nehmen. Aber es hapert noch an den Visa. Ob es ihm gelingen wird wieder zurückzukommen? Ich vermute, dass Caroline sich für Paul auf den Weg nach Europa machen wird.

Ich bin gespannt wie es weitergeht bei allen drei Frauen.
 
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Xanaka

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Kasia:
Es passiert das, was nicht passieren durfte. Sie wird verhaftet und deportiert. Ich bin immer noch über die Widerstandsbewegung erstaunt. Aus einer romantischen Sichtweise heraus hat Widerstand für mich immer etwas mit gestandenen Kerlen und amazonenhaften Frauen zu tun. Aber mit was für einer Selbstverständlichkeit in Llubin die Jugendlichen für den Widerstand arbeiten und enorme Risiken eingehen. Ist der Widerstand für sie ein großes spannendes Spiel? Vielleicht sind sie auch nur noch die Einzigen, die Widerstand leisten können, weil die gestandenen Kerle und Amazonen bereits von den Deutschen einkassiert worden sind? Ich bin mir noch nicht sicher.
Ich denke auch, dass es für Kasia eine Art Spiel war. Sie hat versucht ein wenig Abwechslung in ihren Alltag zu bringen, dieses Kitzeln im Angesicht der Gefahr muss doch zu groß gewesen sein. Und ich denke, sie hat sich überhaupt keine Gedanken um die Anweisungen von Pietrick gemacht, die ja nicht ohne Grund sehr strikt und genau gewesen waren.

Herta:
Meine Güte, was war nur mit den "deutschen" Frauen los? Erst die Nummer mit dem BDM, in dem Frauen es als ihre oberste Pflicht ansehen, für den Fortbestand der reinen Rasse zu sorgen.
Herta ist schon sehr speziell. Sie hat ihr Ziel vor Augen und ist dafür bereit Opfer jedweder Art zu bringen. Ob es nun der Onkel ist, der sich an ihr vergehen darf, dafür hat er ja schließlich das Studium finanziert, oder aber auch ihre Abgeklärtheit in diesem Lager. Irgendwie fehlt ihr auch jegliche Empathie. Aber ob sie in Ravensbrück, trotz ihrer Abgeklärtheit zurecht kommt? Ich bezweifle das. Aber vermutlich hat sie auch nicht das Rückgrat um von dort wieder wegzukommen.
 
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Xanaka

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Die Geschichte um Herta ist für mich die Interessanteste. Zu diesem Thema - Motivation und Verantwortung(slosigkeit) der KZ-Ärzte bezüglich ihres unsäglichen Handelns - habe ich noch nie etwas gelesen.
Das geht mir genauso. Es waren ja auch meistens Männer, die in den KZ's als Ärzte waren. Von Frauen hat man nie gehört. Ich finde es schon interessant zu lesen und bin gespannt, wie sie sich weiterentwickeln wird?!
 

nineLE

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4. November 2019
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Die Szenerie in Ravensbrück bedrückt mich sehr. Obgleich wir von all dem Greuel und den Geschehnissen aus vielerlei anderen Romanen bereits wissen, ist es dennoch etwas anderes es nun so aus dieser Perspektive zu lesen. Allen voran Hertas Perspektive, gab es für mich bisher nur Romane aus der Opfersicht, um so erschütternder wie sich das von ihrer Seite aus liest: mechanisch, ohne zu fühlen, was da geschieht, nicht sehen wollen, welche Verbrechen verübt, Menschenleben ausgelöscht werden, einfach ausführen... Wahnsinn.
 
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wal.li

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Als ich mit dem Abschnitt begonnen habe, musste ich gleich wieder absetzen, weil Hertas Verhalten mich so angewidert hat. Auch wenn sie selbst einige Ekelhaftigkeiten ertragen muss, rechtfertigt das nicht alles. Auch zu Beginn in Ravensbrück will Herta am liebsten fliehen. Das ist ihr alter Kumpel Friedrich doch schon sehr abgebrüht. Ich glaube, Herta wird weitermachen. Auch sie wird eine Ausrede, um ihr ätzendes Verhalten zu rechtfertigen.
Kasia begibt sich in Gefahr und in ihrem Wunsch dem jüdischen Mädchen zu helfen, fällt sie doch auf. Sie, ihre Schwester und ihre Mutter werden ohne viel Federlesens deportiert. Ohne dass sie sich verteidigen können, ohne Prozess. Wusch, weg sind sie. Und sie versuchen sich noch selbst zu beruhigen.
Caroline erlebt ihre große Liebe, glaube ich. Doch Paul ist verheiratet und er will versuchen, seine Frau aus Frankreich heraus zu bekommen. Gerade da greift Hitler das Land an und Frankreich kapituliert.
Wenn ich nicht wüsste, dass Deutschland den Krieg zum Glück verloren hat, wäre ich jetzt doch etwas deprimiert. So hoffe ich, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden, wenigstens in diesem Buch.
 
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