Die Gedanken Eves kreisen immer um dieselben Personen. Es sind die, zu denen sie im Laufe der Jahre den intensivsten Kontakt hatte, die ihr Leben begleitet und geprägt haben - was nicht unbedingt in positiver Form passiert sein muss.
1. Nancy
Die Tochter tut mir leid. Eve war alles andere, als eine liebevolle Mutter. Das Kind war ihr von Anfang an eine Last, wahrscheinlich hat sie nie eines gewollt. Entsprechend hat sich Sprachlosigkeit zwischen beiden eingebürgert. Eve kritisiert Nancys Mann, ihren Job, ihr mangelndes Talent, ihre Inkonsequenz, einfach alles!
Nancy hat offenbar psychische Probleme, was ihre Mutter aber nur insofern interessiert, dass sie die Therapien bezahlen muss.
Die meisten Kinder seien für die Eltern eine Enttäuschung, meint sie. Hat sie Nancy je in dem gefördert, was jene gut konnte? Sie wurde lediglich auf künstlerische Ambitionen getestet. Alles andere wäre wohl unter Niveau oder mittelmäßig gewesen. Armselige Eltern, arme Tochter!
2. Wanda
Das Verhältnis zu Wanda haben wir oben schon ausreichend behandelt, denke ich.
3. Mara
Sie muss wirklich eine gute Freundin gewesen sein, schließlich haben sie auch die gegenseitige Patenschaft ihrer Kinder übernommen (was Eve auch wieder nur auf einen Deal reduziert).
Dass Kristof mit Mara im Bett war, ist tatsächlich mal ein Treffer ihres sonst so distanziert-abgeklärten Gefühlslebens. Aber Eve wäre nicht Eve, wenn sie einfach ihre Wunden lecken würde! Stattdessen verführt sie Maras Ehemann- völlig uninspiriert und lustlos, nur um es zu tun. Am Ende gewinnt Eve erneut: Maras Ehe überlebt es nicht, Eves schon. Irgendwie haben die Frauen ihre Freundschaft einigermaßen retten können. Aber über Fassade dürfte das nicht hinwegreichen.
Eve spricht von einer Langstreckenrakete, die sie auf Mara abgeschossen hat. Ich denke, dass da noch was an Inhalt kommen muss.
Vielleicht hat es was mit dem Patensohn Theo zu tun, der so gänzlich auf die schiefe Bahn geraten ist. Ein perfektes Kind hat Eve der Freundin wahrscheinlich nicht gegönnt. Mal abwarten. Konkurrenz und Wettbewerb definieren Eves Beziehungen.
Über Maras Kinder zieht sie auch her, nimmt ihr nicht ab, dass ihr die Geschlechtsumwandlung der Tochter Esme nichts ausgemacht hat.
Natürlich wird ihr das was ausgemacht haben! Aber ist es nicht die Stärke einer Mutter, das Kind grundsätzlich so anzunehmen, wie es ist? sowas kann Eve nicht verstehen. Sie ist gefühlskalt wie ein nasser Fisch.
Von allen Flüchen, die Eltern heimsuchen können, ist die Mittelmäßigkeit der eigenen Kinder die Schlimmste." (S. 130)
Wie bitte? Was geht aus diesem Satz für eine respektlose, übersteigerte Erwartungshaltung hervor? Die Mittelmäßigkeit ist doch die Norm. Wie kann ich Spitzenleistungen erwarten???
4. Die Ehe
Auch die Institution der Ehe stellt sie laufend auf den Prüfstand, übrigens sehr unterhaltsam, wie ich finde.
"die lauwarme Höflichkeit der Ehe"
Wunderbar die Reflexionen, was Paare denn zusammenhält: Kinder, Enkel oder Trägheit (S. 76). Liebe ist in Eves Plan da nicht vorgesehen. Kann sie überhaupt LIEBEN??? Verwechselt sie Liebe nicht mit Sex und Leidenschaft???
Über die abgekühlte eheliche Sexualität: "Der Ukulele-Kurs fällt heute mangels Interesse aus." (88) lol!
"Ehe = Bequemlichkeit und Ruhe statt Leidenschaft"
Andererseits zeigt sie auch eine gewisse Bewunderung für langjährige Ehen:
Sie (das alte Paar) haben es geschafft; ihre Ehe ist ein stabiles Schiff, das durch ruhige Gewässer fährt. Diese alten Seeleute haben sich nie auf hohe See hinausgewagt. Doch was weiß sie schon? S. 111
Die zahlreichen wechselseitigen Affären des Ehepaars sprechen für sich. Was müssen sie sich damit beweisen? Was muss sich Eve mit dem 30 Jahre jüngeren Luka beweisen? (Sie analysiert das nicht aufhaltbare Alter ja sehr richtig). Was will Luka von ihr? Das ist mir noch nicht klar. An Liebe glaube ich nun wirklich nicht!
Dass mich der Roman bislang begeistert, muss ich wohl bei soviel Mitteilungsbedürfnis nicht erwähnen, oder? Tatsächlich muss sogar ich ab und an ein wenig schmunzeln. Herrliche Formulierungen soregn dafür.
"Die schlaue Version eines Wackeldackels"
Der Chirurg als "tolpatschiger Sonntagsmaler"
"Das Alter des einen ist die Blüte des anderen" und so weiter.
Ein herrliches Buch. Mal gucken, ob es das Niveau hält. Schließlich ist Frau McAfee die Gattin von Altmeister McEwan. Der wird doch mal drübergeguckt haben, das kann man doch erwarten
(Ironie, beißend
)