Der Roman liest sich flockig. Über mangelnde Handlung können wir uns nicht beschweren. Die Beziehung zwischen Hannes und seinem Vater bildet das Zentrum. Die beiden kommen mir vor wie ein Pulverfass in der Nähe eines Feuerzeuges... Da spitzt sich etwas zu, die Vehemenz der Auseinandersetzung steigert sich mehr und mehr. Der Vater wird immer gemeiner und Hannes Phantasien auch.
Allerdings wirkt die Vaterfigur auf mich zunehmend einseitig, er ist NUR böse. Der Vater ist cholerisch, vernachlässigt seinen Hof, seine Arbeit, fällt falsche Entscheidungen, versäuft wertvolles Geld, ist gewalttätig...
Da ist nichts Freundliches an dem Mann. Und wenn er kurz sachlich mit Hannes spricht oder Rücksicht übt (z.B. als er die Türen leise schließt, als H. mit dem neuen Pferd arbeitet), dann ist das Minuten später wieder vorbei und er kollert doppelt laut herum.
Der Vater hat bislang keine Schattierungen, keine Facetten, keine Vielschichtigkeit, wie ich sie mag. Er ist sehr leicht zu durchschauen: er arbeitet gegen seinen Sohn und läuft dabei auch Gefahr, seine eigene Lebensleistung, den Hof, zu verspielen. Ein solches Verhalten ist für mich schwer vorstellbar und auch nicht nur mit Kriegstraumata oder einer schweren Kindheit erklärbar. Nach Besserung seines Rückenleidens säuft er weiter und verändert sich auch noch grundlegend im Charakter.... Was ist das? Geisteskrankheit, Demenz, Depression??? Sehr krass.
Warum erkennt er Hannes Ideen, seine Arbeit nicht an? Vieles ist reine Schikane und hat mit vernünftigen Überlegungen nichts zu tun, wie z.B. der Bienenkasten... Das ist doch nicht mit der schwierigen Phase eines Jugendlichen erklärbar. Der Vater wertet Hannes auch in der Öffentlichkeit ab und macht ihn klein. Hannes arbeitet unmenschlich: geht zur Schule, besorgt den eigenen Hof und hilft noch bei anderen aus... Unglaublich, was der 16-Jährige alles wuppt.
Im Moment kann ich mir des Vaters Schlechtigkeit nur damit erklären, dass am Ende herauskommt, dass Hannes einen anderen Erzeuger hat. Da ist keine Liebe oder Zuneigung, die von Hinrich ausgeht....Das wäre allerdings eine recht konventionelle Ursache dieses Vater-Sohn-Konfliktes.
Mutter und Sohn indessen haben mehr zu bieten. Ihre Handlungsweisen kann ich besser nachvollziehen. Die Mutter erkennt Hannes Leistung an. Sie lobt seine Ideen, heißt Ferkel und Pferd Alda willkommen. Sie ergreift mitunter auch offen Partei für die Position des Sohnes: Willst du ein willfähriges Hündchen oder einen ganzen Kerl, der dir hilft?, fragt sie ihren Mann an einer Stelle. Ansonsten leidet sie sehr unter der Situation. Irgendwas ist da noch im Dunklen.
Was als nächstes kommt, ist sehr spürbar: Der Vater wird sich an Alda vergreifen und es wird zu einer Katastrophe kommen... Das Pferd ist sensibel und der Vater ein Holzklotz. Ich bin gespannt, wer mehr zu leiden haben wird- ich hoffe auf den Mann
(Vielleicht kommt aber auch alles anders und ich bin auf die falsche Fährte reingefallen.)
Nebenbei entspinnt sich eine Liebesgeschichte. Mir gefällt, dass sie sich langsam aus der Freundschaft der beiden entwickelt. Hannes kann sein Glück kaum fassen. Er träumt lieber von Mara, wirkt ihr selbst gegenüber recht schüchtern und unentschlossen. Sie agiert viel selbstbewusster. Trotzdem passen beide zusammen, beide haben tiefsinnige Züge und einen Kummer, den sie sich noch nicht offenbart haben, der sie aber verbindet. Jakob und Mara wirken überhaupt nicht eingebildet als Großbauernkinder und sind sehr naturverbunden. Das dürfte in der Zeit sehr selten gewesen sein. Leider geht es mit dem Besitz bergab, zudem ist die Mutter noch geistig verwirrt. Auch Mara hat ihr Päckchen zu tragen.
Ich begreife nicht richtig, warum sich Hannes von Thies zurückgezogen hat? War es nur die Eifersucht, weil der besser mit den Boxern zurecht kam und auch sonst weniger introvertiert ist, wodurch er einfach geselliger rüber kommt und mehr Freunde hat? Es hat ja keinen Streit gegeben. Auch hat Thies die Sache mit der Nacht in der Kälte nicht ausgeplaudert. Das scheint nur so, als Eggert Hannes provozieren will auf dem Schulhof. Das ist auch eine Szene, die ich nicht begreife: Eggert muss langsam wissen, dass er Hannes nicht mehr ungeschoren demütigen kann. Trotzdem tut er es und bekommt prompt Prügel. Das macht doch keiner freiwillig?
Ebenso verwundert hat mich Maras Angebot, dass Hannes das Pferd mitnehmen kann. Der Heesen´sche Hof ist hoch verschuldet. Da können sie doch kaum ein Pferd (mehr oder minder) verschenken - auch wenn es schwierig ist? Aber gut. Für den Verlauf der Geschichte wird das Pferd gebraucht
Vater Hinrich will sich an ihm versuchen
... Bin gespannt!
Während mir der Konflikt zwischen Vater und Sohn zu kalkulierbar erscheint, gefallen mir viele andere Szenen sehr gut. Die norddeutsche Landschaft im Verlauf der Jahreszeiten, Hannes Liebe zur Natur, sein Händchen für die Tiere, die Dorfgemeinschaft, die Zusammenarbeit mit den Nachbarn, die die Schwächen des Vaters auch gut kennen - all das kann ich wirklich sehr gut vor meinem inneren Auge sehen und nachempfinden. Das Buch fesselt mich, ich wünsche mir allerdings noch etwas mehr Tiefe in der Figurenzeichnung (inbes. beim Vater). Wir sind aber auch noch nicht auf der Hälfte, da kommt gewiss noch was!!!