2. Leseabschnitt: Kapitel 5 bis 7 (Seite 75 bis 130)

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.381
21.192
49
Brandenburg
Diese Wendung stört mich ein wenig, weil ich derzeit den Eindruck habe, dass Themen, die extreme Empörung beim Leser auslösen, ein Must-have in aktuellen Romanen sind. Daher hoffe ich, dass DH dieses Thema nicht zu sehr ausschlachtet.
Same.

Was ich seltsam finde, ist diese "Pastorenkrankheit". Sie suggeriert, dass Pastoren Heuchler seien.
Jana scheint es nicht zu sein, da sie Henrik nicht akzeptiert wie er ist, sondern versucht, ihn nach ihrer Vorstellung zu ändern. Das kann auf Dauer nicht gut gehen.
sie ist schon 2 Jahre da - und Hendrik ist jetzt wohlhabend. Ich finde sie ganz sympathisch.

Bis zu einem gewissen Punkt macht Henrik mit, aus Liebe oder aus Einsicht in die Notwendigkeit?
Passivität.

Wir gucken jetzt hinter die Kulissen.
Eske (schöner Name, nie gehört) und Hanne haben einen klassischen MutterTochterKonflikt.
Ich finde es rührend, wie Hanne Hendrik jedes Jahr einen Pullover strickt und ihm seinen Kuchen bäckt. Erfrischend, dass Eske und Jana die Geburtstagsfeier mal anders gestalten. Und was macht Hendrik? Er büxt aus. Haha, war ja klar. Die Sandersmänner büxen alle aus.
Und auch Katrin büxt aus. Allerdings - und das missfällt mir- ohne klare Kante zu zeigen. Den Pastor finde ich nicht so gut getroffen. Warum soll er gleich eine Glaubenskrise haben, "nur" weil ihn seine Frau verlässt. Er hätte ebenfalls Alternativen. Er könnte auch aufs Festland gehen, z.B. Ihre Sprachlosigkeit ist seltsam. Sind sie doch keine Insulaner.
Die Klara mit ihrem toten Hund - die schlimmste und traurigste Figur in dem Buch.
Mein liebster Satz: "Als könnte man mit einer Silbermöwe diskutieren".
Die Inseln verändern sich. Und diese hier ebenfalls. Die ganze Welt verändert sich. Das kann man nicht verhindern. Besser man findet sich damit ab.
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
3.769
14.402
49
Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Was ich seltsam finde, ist diese "Pastorenkrankheit". Sie suggeriert, dass Pastoren Heuchler seien.
Es ist nicht der erste Pastor oder Priester, der mit sich und seinem Glauben von Zeit zu Zeit ringt. Das Schicksal von Klara, bei dem er weder eine Erklärung noch Trost bieten kann, das Abhandenkommen der Frau, reicht das nicht, um an seinem Gott zu zweifeln? Mit Heuchelei hat das nichts zu tun. Mir wäre eher ein Pastor suspekt, der nie ins Grübeln kommt (und damit auch das Ringen seiner Schäfchen nicht nachvollziehen könnte).
 
Zuletzt bearbeitet:

Christian1977

Bekanntes Mitglied
8. Oktober 2021
2.556
12.498
49
47
Mir hat in diesem Abschnitt besonders gut gefallen, wie Dörte Hansen mit den Perspektiven der verschiedenen Figuren spielt. Szenen oder vermeintliche Fakten, die wir vorher schon kennen lernten, werden plötzlich ganz anders präsentiert.

Insbesondere ist mir das bei der Szene aufgefallen, in der Ryckmer seiner Schwester vor dem Schlafengehen die Geschichten des Lehrers erzählt. Aus ihrer Sicht will er sie aufheitern oder in den Schlaf wiegen, doch er selbst verarbeitet dadurch auch ein Stück weit die Schrecken des Missbrauchs.

Alle Figuren strahlen eine gewisse Einsamkeit aus, mal stärker, mal schwächer. Aber niemand von ihnen scheint glücklich.

Ryckmer und der Pastor sind diejenigen, die ich bislang als tiefste Charaktere empfinde.

Obwohl die Sätze oftmals etwas lakonisch sind, schafft Dörte Hansen es trotzdem, Empathie für diese einsamen Seelen zu erzeugen.

Von der Sprache bin ich weiterhin sehr begeistert.
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
3.769
14.402
49
Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Es sagt sich so leicht: Sie hat es doch gewusst!

Aber das ist nicht Wissen. Sie hatten die Information, ja. Aber wie es sich ANFÜHLT, immer weniger wichtig zu sein als die Gemeinde, immer alles allein stemmen zu müssen, wenn der Mann auf See ist, einschließlich Sohnesgeburt: Nein, das wussten sie nicht.
Für mich besteht ein Unterschied zwischen Katrin und Hanne. Hanne ist die Tochter eines Seemanns und hat am eigenen Leib erlebt, was es heißt, wenn der Vater monatelang auf See ist. Sie hat ihre Mutter gesehen, die damit klarkommen musste.

Katrin - falls sie nicht zufällig die Tochter eines Pastors ist - wusste nur vom Hörensagen, was auf sie zukommt. Und auf einer Insel ohne Ablenkung ist das Pastorsein sicher nochmal anders.
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.381
21.192
49
Brandenburg
Es ist nicht der erste Pastor oder Priester, der mit sich und seinem Glauben von Zeit zu Zeit ringt. Das Schicksal von Klara, bei dem er weder eine Erklärung noch Trost bieten kann, das Abhandenkommen der Frau, reicht das nicht, um an seinem Gott zu zweifeln? Mit Heuchelei hat das nichts zu tun. Mir wäre eher ein Pastor suspekt, der nie ins Grübeln kommt (und damit auch das Ringen seiner Schäfchen nicht nachvollziehen könnte).
Hältst du es normal, was von seinem Vater berichtet wird? Ja, Glaubenszweifel kann ich durchaus nachvollziehen, aber ihre Bewältigung findet idR anders statt.
 
  • Like
Reaktionen: RuLeka und Emswashed

alasca

Bekanntes Mitglied
13. Juni 2022
2.972
9.423
49
Hältst du es normal, was von seinem Vater berichtet wird? Ja, Glaubenszweifel kann ich durchaus nachvollziehen, aber ihre Bewältigung findet idR anders statt.
Stimmt, das klang sehr dramatisch und abgedreht. Aber das Ganze findet auf einem derartigen Level der Irrationalität statt, dass man hier wohl kaum von Normalität sprechen kann.
 
  • Like
Reaktionen: Emswashed

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
6.406
23.956
49
66
Es ist nicht der erste Pastor oder Priester, der mit sich und seinem Glauben von Zeit zu Zeit ringt. Das Schicksal von Klara, bei dem er weder eine Erklärung noch Trost bieten kann, das Abhandenkommen der Frau, reicht das nicht, um an seinem Gott zu zweifeln? Mit Heuchelei hat das nichts zu tun. Mir wäre eher ein Pastor suspekt, der nie ins Grübeln kommt (und damit auch das Ringen seiner Schäfchen nicht nachvollziehen könnte).
Es ist auf jeden Fall sehr glaubwürdig und nachvollziehbar, wie Dörte Hansen das beschreibt. Und , wie Du sagst, ein Priester der zeitlebens und völlig unbeirrbar am Glauben festhält, wäre mir auch suspekt. Glauben ist etwas, das immer wieder erkämpft werden muss, meiner Ansicht nach.
 

Kristall86

Aktives Mitglied
22. März 2021
943
1.526
44
An der Nordseeküste
Es ist nicht der erste Pastor oder Priester, der mit sich und seinem Glauben von Zeit zu Zeit ringt. Das Schicksal von Klara, bei dem er weder eine Erklärung noch Trost bieten kann, das Abhandenkommen der Frau, reicht das nicht, um an seinem Gott zu zweifeln? Mit Heuchelei hat das nichts zu tun. Mir wäre eher ein Pastor suspekt, der nie ins Grübeln kommt (und damit auch das Ringen seiner Schäfchen nicht nachvollziehen könnte).
Wow! Das ist perfekt auf den Punkt gebracht! :thumbsup Gerade wenn man als Pastor immer nur vom Leid der Menschen hört oder sieht. Selten kommen die Menschen zum Pastor und sagen „Danke für dieses tolles Leben!“. Meist bzw. eigentlich immer kommen sie mit Kummer und Ärger und Trübnis, dass das auch auf die Pastoren-Seele schlägt, der ja auch noch ein Leben hinter seinem Talar führt, ist doch einleuchtend.
 

Kristall86

Aktives Mitglied
22. März 2021
943
1.526
44
An der Nordseeküste
….sehr dramatisch und abgedreht. Aber das Ganze findet auf einem derartigen Level der Irrationalität statt, dass man hier wohl kaum von Normalität sprechen kann.
Man muss auch bedenken, dass in der damaligen Zeit die Menschen auch anders gestrickt waren als heute. Es wurde ja noch lange an Spökenkiekerei geglaubt, an Zwerge und an Trolle in den Dünen, an Irrlichter auf See die die Seemänner in die falsche Richtung treiben uvm., an Totenlichter etc.. Versuch da mal als Pastor den Glauben vernünftig in die Köpfe dieser starrsinnigen Menschen „zu hämmern“. Das man da durchdreht, ist doch klar. Missionierungen dauerten gerade auf den Inseln recht lang auch wenn sie schnell wussten wer Luther und Co. war aber trotzdem. Sie glauben an das was sie vermeintlich sehen und erzählt bekommen und der der am Sonntag von der Kanzel immer nur schlaue Worte sabbelt, soll dann auch noch recht haben? Das ist für so manchen etwas viel zu verarbeiten:grinning Solche Ausbrüche bei den Pastoren gab es oft. Ich habe da recht gute Quellen lesen dürfen und mich mal mit so einigen Pastoren darüber unterhalten. Auch Pastoren haben Grenzen und wenn sie die überschreiten, bekommen sie auch mal Zweifel an allem und drehen durch. Gab Pastoren die in die See gegangen sind, weil sie den Grund für die Fluten herausfinden wollten und der See mal ordentlich die Leviten lehren wollten - das ging aber nach hinten los. Man kann nicht alle vom Glauben überzeugen;)die See sowieso nicht.
 
  • Like
  • Stimme zu
Reaktionen: Emswashed und otegami

alasca

Bekanntes Mitglied
13. Juni 2022
2.972
9.423
49
Versuch da mal als Pastor den Glauben vernünftig in die Köpfe dieser starrsinnigen Menschen „zu hämmern“.
Das ist genau der Punkt: Warum sollte man? Die Jungfrauengeburt und die Wiederauferstehung rangieren bei mir auf gleichem Level wie der Klabautermann - oder das große blaue Spaghettimonster. :grinning

Aber hey, no offense, jedem sein Rettungsring! :cool:
 

milkysilvermoon

Bekanntes Mitglied
13. Oktober 2017
1.803
5.061
49
Ryckmer hat gekündigt, und wir erfahren ein bisschen aus seiner Kindheit. Und Zack, schon haben wir einen Protagonisten, der in seiner Kindheit missbraucht wurde. Diese Wendung stört mich ein wenig, weil ich derzeit den Eindruck habe, dass Themen, die extreme Empörung beim Leser auslösen, ein Must-have in aktuellen Romanen sind. Daher hoffe ich, dass DH dieses Thema nicht zu sehr ausschlachtet.

Offen gestanden: Dieser Punkt hat mich auch ein wenig gestört. Ich hätte eine weniger dramatische Erklärung dafür bevorzugt, dass Ryckmer so ist, wie er ist. Ich weiß nicht, ob es an der Aktualität liegt oder ob die Autorin meinte, sie müsste noch mal einen Paukenschlag setzen, aber: Für mich ist das etwas zu viel in einer ansonsten (bisher) angenehm unaufgeregten Geschichte.

Oh, da 'wird mit dem Beruf nicht klargekommen':monocle:rolleyes:! *Gg* Jana ist außerdem vom Festland, eine andere Schwiegertochter (selbst erlebt!!!) ist vom Nachbarort und außerdem evangelisch, die andere SchwieTo ein 'armes Flüchtlingsmadla', der SchwieSo hat nicht den richtigen Beruf für's Töchterchen! :rofl
Also Gründe, ein Schwiegerkind abzulehnen sind vielseitig! ;)
Wenn Hanne der Beruf der Webdesignerin fremd war, hätte sie Interesse zeigen können! (Hätte ich gemacht! :) ) Damit hätte Hanne ihren Horizont erweitern können! ;)

Und anhand meiner Schwiegermutter führte ich auf, w a s es für Gründe gibt, Schwiegerkinder abzulehnen! ;) Deshalb auch meinte Vermutung, dass für Hanne k e i n Schwiegerkind passt!

Es gibt Väter und Mütter, denen man das perfekte Schwiegerkind präsentieren kann und die trotzdem was zu kritisieren finden. Für den Lieblingssohn oder das Töchterlein ist der oder die Beste/r nicht gut genug.
Ich kann Hanne aber auch irgendwie verstehen. Sie hat schon ihren Mann verloren und sie hat sonst nicht viel im Leben. Logisch, dass sie ihre Kinder nicht (noch mehr) verlieren will…

Warum habe ich Henrik auch für einen Einzelgänger gehalten?

Ich hatte bei ihm auch gleich das Bild eines Junggesellen im Kopf. So kann man sich täuschen…
 

milkysilvermoon

Bekanntes Mitglied
13. Oktober 2017
1.803
5.061
49
Sprachlich ist der Roman für mich nach wie vor ein Genuss. Besonders gut gefallen mir die teils ungewöhnlichen Bilder, die dafür sorgen, dass ich mir alles sehr gut vorstellen kann und ab und zu ein wenig schmunzeln muss.

Die Figuren werden mit viel psychologischer Tiefe gezeichnet. Auffällig ist, dass die Schwächen und Fehler gut herausgearbeitet werden. Niemand ist makellos, niemand strahlend oder bemerkenswert glücklich. Es gibt viele Grautöne. Aber es wird auch niemand lächerlich gemacht oder komplett an den Pranger gestellt. Das ist mir schon in den ersten Kapiteln aufgefallen. Jetzt, wo wir mehr über die Personen erfahren, bestätigt sich dieser Eindruck.
 

alasca

Bekanntes Mitglied
13. Juni 2022
2.972
9.423
49
Ich kann Dir auch „Captain Phillips“ mit Tom Hanks empfehlen!
Den Film haben wir gestern angesehen. Sehr spannend, hat uns gut gefallen. Allerdings hatte ich erwartet, dass es mehr um Verhandlungen gehen würde wg. Lösegeld, Geiselfreilassung etc. Stattdessen ein krachendes Actionfinish, wow. Da haben die Amis mal wieder eine kleine Werbeeinheit für die US Navy und die legendären Seals eingebaut;-)

Wenn es über unsere Bundeswehr solche Filme gäbe, hätte sie keine Personalprobleme mehr! :p