Für mich ist die Frage, ob das geschilderte Kriegsgeschehen den realistischen, historischen Ereignissen entspricht, von untergeordneter Bedeutung. Mein Schlachtenwissen beschränkt sich auf wenige Fernsehfilme. Allerdings muss man hier bedenken, dass es sich um einen sehr emotional ausgetragenen Bürgerkrieg handelt. Es kämpfen nicht nur ausgebildete Soldaten, sondern überwiegend normale Männer, die auf die Schnelle rekrutiert wurden. Man spürt, dass verschiedenste Truppenteile an einen bestimmten Ort, der dann zum Schlachtfeld wurde, zusammengeführt wurden, um eine Entscheidung zu erkämpfen. Angesichts der Menge an (ungelernten) Soldaten, der mangelnden Koordination, vielleicht überforderter Führungskräfte könnte es schon chaotisch gewesen sein... (Der Vergleich mit einem Zirkus ist doch wunderbar!)
Aber wie gesagt, das ist mir nicht wichtig.
Ich bin begeistert, wie nachfühlbar der Autor die sich wandelnden Gefühlslagen des Protagonisten beschreibt, der sich wochenlang Gedanken gemacht hat, ob er fliehen wird, sobald der Kampf losgeht. Dann wird er gefordert, tut wie eine Maschine seinen Dienst, schießt auf alles, was sich bewegt. Er fühlt sich als Teil der Gemeinschaft:
[zitat]Es war ein verschworener Bund, der im Feuer des Kriegs und im Angesicht des Todes geschmiedet war. 63[/zitat]
Die Hektik, der Zorn, die Angst... Das alles wird sehr authentisch transportiert.
Der Deserteur, der zurückgetrieben wird....als lebendes Beispiel, wie man auch mit Henry umgehen würde.
Dann die Erleichterung: Der Feind zieht sich zurück. Es ist geschafft, man hat gewonnen. Herrliche Metaphern, die mir das Schlachtfeld vor Augen führen.
Dann kippt die Stimmung: Der Feind sammelt sich und kommt zurück. Henry und seine Kameraden sehen sich mit einer Übermacht konfrontiert. Einige fliehen, Henry schließt sich ihnen an.
Wie er seine eigenen Ängste auf die Natur projeziert, der Wald mal sein Freund, mal sein Feind wird, das empfand ich als großes Kino. Ebenso seine Beobachtungen und Gefühle im Verwundetenzug. Die Konfrontation mit dem Sterben seines Kameraden Jim, dem er noch hilflos zu helfen versucht...
[zitat]Sein Freund hatte das Rendevous mit dem Schöpfer gesucht und bekommen. 105[/zitat]
Diese ganzen Gefühlslagen werden brillant beschrieben. Der Junge ist zwischen Heldentum und Kindheit hin und her gerissen.
Mal sehen, wie es weitergeht.Wie sich der kleine Deserteur aus seinem Schlamassel befreit.
Falls es Zweifel gibt: Mir gefällt der Roman ausnehmend gut. Insbesondere genieße ich dessen sprachliche Gestaltung.