2. Leseabschnitt: Kapitel 5 -7 (Seite 94 bis 174)

Eulenhaus

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13. Juni 2022
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20 Jahre geht es für Edith und Lyman unter der Knute des Vaters weiter. Nur das Nötigste wird geredet, die Geschwister stumpfen ab.
John reagiert durch Flucht in harte Arbeit, Frauengeschichten und Alkohol. Doch dann heiratet er die junge Witwe Leona und Sanders wird geboren.
Lyman hat einen Ruf als Bauerntölpel. Nach einem Kneipenbesuch ist er Stadtgespräch, ein Bekannter klärt John auf. Die Strapse-Bemerkung ist gelungen! S. 117 „Da musste mein Dad lachen, und Wenzel Gerdts wäre um ein Haar an seinem Red-Man-Kautabak erstickt.“ Der übellaunige Vater beendet die „Rumtreiberei“.
 

Eulenhaus

Aktives Mitglied
13. Juni 2022
329
1.549
44
Immer wieder streift Haruf die Weltgeschichte. So 1941 Pearl Harbor, für Lyman der Anlass mit Ediths Zustimmung die Farm zu verlassen. Er reist in einem Pontiac durch das Land, schickt Postkarten und Geld.
Der tyrannische Vater lässt Edith jetzt die schwere Farmarbeit verrichten. John beobachtet es, greift ein und Roy hat endlich verstanden. Sanders hilft, später ein Landarbeiter und noch später wird die Farm an Sanders verpachtet.
Bei einem „Männer“-Gespräch erzählt John seinem Sohn von seiner verlorenen Liebe. Diese Liebe ist der Grund für Johns tiefe innere Traurigkeit. Leona reagiert auf den Kontakt zu Edith misstrauisch und weitet ihre religiösen Aktivitäten aus. Ein Seitenhieb auf Harufs Vater, der methodistischer Pfarrer war.
Sanders besucht das College. Als sein Vater stirbt, kehrt er 22jährig auf die Farm zurück. Anrührend schildert der Autor die Beerdigung. Mit Edith zusammen schüttet Sanders das Grab unter der großen Pappel zu.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Immer wieder streift Haruf die Weltgeschichte
Dabei geht es ihm darum zu zeigen, was draußen in der Welt Entscheidendes passiert, was aber kaum Einfluss hat auf das Leben in Holt, bzw. von Edith. Hier ist jeder Tag gleich, voller Arbeit und Mühen, ohne Freuden. Erst der Kriegseintritt der USA bringt eine Veränderung, weil Lyman darin die Chance sieht abzuhauen.
Es ist kein Zufall, dass John an einem Herzinfarkt stirbt. Jahrelang musste er seine Gefühle für Edith unterdrücken, sein Herz verhärten.
Was für verpfuschte Leben. Als am Grab Edith Sanders um Verständnis bittet, sagt dieser: „ Ja, …aber verstehen und gutheißen ist nicht dasselbe.“
Kent Haruf versteht es auch hier wieder, mit seiner emphatischen Art die Menschen und ihre Schicksale zu beschreiben, mich zu berühren. Doch der Ton ist rauer als in seinen späteren Bücher. Die Zeiten, in denen dieser Roman spielt, waren auch härter als die 80er/90er Jahre, in denen die anderen Romane spielen.
Mir gefällt hier auch die Erzählerstimme, bildhaft, bodenständig, ehrlich.
 

pengulina

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22. November 2022
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Doch der Ton ist rauer als in seinen späteren Bücher. Die Zeiten, in denen dieser Roman spielt, waren auch härter als die 80er/90er Jahre, in denen die anderen Romane spielen.
Aber es muss einen Grund haben, dass Haruf die schwere Arbeit und generell die Mühen so plastisch schildert. Andererseits hat es ja auch etwas Gutes, sich an einem Ort auszukennen, mit einem Ort vertraut zu sein.
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Jetzt hat die arme Edith gar nichts mehr, nur noch den Unmensch von Vater und Arbeit, Arbeit, Arbeit. Ich weiß nicht, ob es nicht eine andere Lösung gegeben hätte. Zugleich hat sie auch John Roscoe unglücklich gemacht. Das weitere Leben wird dann ziemlich ausführlich geschildert und ein wenig habe ich mich dabei gelangweilt.​

Etliche Typen im Roman sind ziemlich skurril, z.B. diese Agnes, die sich an Lyman heranmacht. 'Ist er nicht süß?' Und der Arme, der beschrieben wird mit '41, aber wie ein Teenager im Verhalten' weiß gar nicht, wie er damit umgehen soll. Irgendwann schafft er dann doch den Absprung und führt sein unstetes Leben, wobei er überhaupt nicht an Edith zu denken scheint, denn sie ist nun ganz alleine mit dem bösartigen Vater und der ganzen Arbeit. - Ein kleiner Lichtblick ist der Sohn von John Roscoe, der Edith sehr mag und ihre Einsamkeit ein wenig lindert.

Was für ein trauriges, erbärmliches Leben! Als der Vater endlich stirbt, ist Edith schon 55, aber sie schafft es nicht, ein neues Leben zu beginnen. Das wundert mich nicht. Nach so langer Zeit ist man sicher festgefahren. Und erst als sie 64 und ziemlich sonderlich geworden ist, kommt Lyman zurück, auf den sie die ganze Zeit gewartet hat.​
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Was für ein trauriges, erbärmliches Leben!
Ja, tatsächlich. Aber das denke ich manchmal, wenn ich mir das Leben mancher Menschen anschaue. Es ist nicht selbstverständlich, dass man Erfüllung findet, einen geliebten Partner, hoffnungsvolle Kinder, eine Arbeit, die einen ausfüllt, Gesundheit.
Man könnte nun sagen, dass Edith selbst ihr Schicksal verantwortet hat, doch damit macht man es sich zu einfach.
„ Das Band, das uns hält“ - was ist das? Liebe, Verabtwortung, Pflichtgefühl?
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Puhh, das ist schon heftig wie lange Edith diesen Griesgram von Roy ertragen musste, auch wenn er wohl zu letzt nichts mehr geredet hat. Wenn ich mir vorstelle, wie viele Gedanken sich Edith um Lyman gemacht hat, als John sie gebeten hat sie zu heiraten. Er dagegen macht sich kaum Gadankenum Edith und geht stattdessen so lange weg von zu Hause. Klar, anderseits kann ich ihn schon verstehen, dass er abhaut, Roy ist ja auch wirklich nicht zu ertragen. Nur bleibt jetzt im Grunde die ganze Arbeit an Edith hängen. Das John dies bemerkt und ihr da im Grunde beisteht und Sanders als Hilfe schickt finde ich toll. Allerdings bei der körperlichen Auseinandersetzung hatte ich echt kurz Angst, er würde Roy wirklich umbringen. Der Mann ist aber auch wirklich sowas von stur.

Doch irgendwie scheint sich Edith mit ihrem Schicksal abgefunden zu haben, deutlich besser als John. Den bei ihm spürt man schon, das er Edith nie vergessen konnte. Ist ja auch schwer, wenn man seine Liebe immer in seiner Nähe hat und weiß man wird sie nie bekommen. Für Leona ist dies ebenfalls nicht gerade einfach, sie scheint es auf alle Fälle zu spüren, das sie nur Ediths Platz eingenommen hat, weil diese nicht konnte. In der Kirche oder beim Kleider shoppen findet sie dann irgendwie wenigstens ein bisschen ihre Befriedigung. Eigentlich traurig, erst nimmt sich ihr erster Mann das Leben und in ihrer zweiten Ehe findet sie ebenfalls nicht die Liebe die sie erhofft hat.

Schön dagegen fand ich das Gespräch zwischen Vater und Sohn, bei dem er Sanders alles von seiner Vergangenheit erzählt. Ich denke nun konnte er sicher seinen Vater besser verstehen.

Lymann dagegen macht sich ein schönes Leben, erfragt nicht mal nach wie es Edith damit geht. Stattdessen schreibt er ihr nur Postkarten in schickt etwas Geld, wahrscheinlich gegen sein schlechtes Gewissen. Nur damit kann Edith ja wenig anfangen. Es sei den sie hätte sich damit eine Hilfe geholt, aber das hat sie nicht. Dies hat dafür John für sie getan, weil er nicht mehr mitansehen konnte wie sich Edith kaputt arbeitet.

Irgendwie werden die alle nicht gerade alt in diesem Buch, außer Roy. Das nun auch noch John einen Herzinfarkt erleiden muss und Sanders auch ihn viel zu jung verliert ist schon traurig. War es sein gebrochenes Herz, das in am Ende verlassen hat oder war es die jahrelange Schufterei um Edith zu vergessen die nun Tribute bei ihm zollte? Man erfährt es nicht mehr.
Mich hat nur gefreut, das Sanders sich bei seiner Mutter durchsetzen konnte und John den Platz neben seiner Mutter auf dem Hügel bekam. Den ich denke in der Stadt begraben zu werden, hätte er sicher nie gewollt.

Doch selbst wenn sie in dieser Einöde leben, bekommen sie doch recht viel vom Weltgeschehen mit. Das Lyman lieber in die Armee gegangen wäre, als weiter auf der Farm zu arbeiten kann ich gut verstehen. Nur leider ist er für die Armee zu alt und muss sich nun was anders suchen um seinen Unterhalt zu verdienen. Das er da nict wählerisch ist, ist mir klar. Alles an Arbeit ist tausend mal besser als bei seinem Dad auf der Farm.

Mir gefällt die Geschichte bzw. den Rückblick in das Leben dieser beiden Familien bisher immer noch sehr gut, selbst wenn hier weniger passiert als im vorherigen Abschnitt.
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Es ist kein Zufall, dass John an einem Herzinfarkt stirbt. Jahrelang musste er seine Gefühle für Edith unterdrücken, sein Herz verhärten.
Das kann gut sein und ist auch meine Vermutung, das dies sein Tod schlussendlich ist.
Doch der Ton ist rauer als in seinen späteren Bücher. Die Zeiten, in denen dieser Roman spielt, waren auch härter als die 80er/90er Jahre, in denen die anderen Romane spielen.
Das stimmt, aber das liegt auch daran, weil die Zeiten deutlich härter waren wie in den anderen Büchern.
Aber es muss einen Grund haben, dass Haruf die schwere Arbeit und generell die Mühen so plastisch schildert.
Vielleicht schildert er hier auch ein wenig die Mühen seiner Großeltern?
Und erst als sie 64 und ziemlich sonderlich geworden ist, kommt Lyman zurück, auf den sie die ganze Zeit gewartet hat.
Ich bin mir nicht sicher ob sie auf ihn gewartet hat. Den sie ist ja so viele Jahre allein und die Kühe und Felder sind weg, von daher hätte sie Lyman nicht mehr gebraucht. Ich denke die beiden haben sich auch auseinandergelebt. Vielleicht ist es dies auch was am Ende zu Lymans Tod führt?
Man könnte nun sagen, dass Edith selbst ihr Schicksal verantwortet hat, doch damit macht man es sich zu einfach.
Das denke ich auch, das man es mit diesem Satz zu einfach machen würde. Edith ist ja im Grunde in ihr Schicksal hineingeboren worden. Sie kannte ja nichts anderes als zu funktionieren und zu arbeiten. Zuerst nach dem Tod der Mutter musste sie als Ersatz herhalten und später auch noch für Roy und Lyman. Im Grunde ist sie eine tapfere und entschlossene Frau für mich. Sie jammert eigentlich nie, sondern tut einfach was sie tun muss.
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Ja, tatsächlich. Aber das denke ich manchmal, wenn ich mir das Leben mancher Menschen anschaue. Es ist nicht selbstverständlich, dass man Erfüllung findet, einen geliebten Partner, hoffnungsvolle Kinder, eine Arbeit, die einen ausfüllt, Gesundheit.
Das stimmt, ich denke wir meinen immer, das es so sein muss. Kent Haruf zeigt hier im Grund, das es überhaupt nicht selbstverständlich ist, sondern das es durchaus auch andere Leben gibt nur wir vergessen das oft. Ich finde, wir sollten viel dankbarer sein, wie gut es uns heutzutage geht.
 

Lesehorizont

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29. März 2022
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Mainz
Dieser Abschnitt zwanzig Jahre später hat mich jetzt mehr gepackt. Roy schikaniert Edith. Der inzwischen mit Leona verheiratete John kann das nicht mit ansehen und greift ein: Erst hilft sein Sohn Sandy Edith, später legt er sich mit Roy an. Was für ein Widerling der Alte ist!
Ich finde man spürt sehr gut, dass John immernoch an Edith hängt. Er hilft ihr auf seine Art. Auch ihren Bruder Lyman mahnt er, sich wirklich bei Edith zu melden, als dieser die Farm verlässt.
John stirbt schließlich an einem Herzinfarkt. Wie Andere hier bin ich der Meinung, dass dies sicher auch in Zusammenhang mit seinem verletzten Herz steht, dass bis zum Schluss unter der Trennung von Edith litt. Er wird am Ende auf dem stadtischen Friedhof in der Nähe seiner Mutter beigesetzt. Hier setzte sich Sandy gegenüber seiner Mutter durch.
Ediths Vater stirbt als Edith Mitte 50 ist. Er hat ihr Leben massiv beeinträchtigt. Große Verbitterung darüber spüre ich aber nicht.
Was mir auch gut gefällt im Roman sind die zeitgeschichtlichen Bezüge. Auf der Farm selbst bekommt man davon letztlich wenig mit.
Was ist genau das im Titel des Buches angesprochene haltende Band? Um welches Band geht es überhaupt? Das zwischen dem Tyrann und Edith? Oder das zwischen ihr und ihrem Bruder? VIelleicht aus das zwischen John und ihr?
Sehr interessiert werde ich den weiteren Verlauf der Geschichte verfolgen.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Dieser Abschnitt gefiel mir wesentlich besser als der erste. Das Edith trotz dieser Bürde bei Begegnungen mit Roscoe immer noch in der Lage ist ihm zu versichern, ihr gehe es gut, ist bewundernswert, denn ich glaube damit will sie lediglich ihn schützen. Sie erträgt ihr Schicksal, nimmt es hin. Anfangs sicher nicht nur um des Vaters Willen, sondern auch wegen des Bruders. Doch als dieser weggeht, ist ihr der Sinn auszubrechen abhanden gekommen, oder ihr Pflichtgefühl dem Vater gegenüber überwiegt.
Sanders ist ein toller Junge, ich mag ihn so wie Haruf ihn beschreibt. Die. Unter wirkt deplatziert in dieser Familie, ich stelle es mir hart vor zu wissen, dass man nur die Nummer zwei ist, und die wahre Liebe direkt nebenan ist. In einem Städtchen wie Holt wird sie wissen, was damals passierte.
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
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20 Jahre geht es für Edith und Lyman unter der Knute des Vaters weiter. Nur das Nötigste wird geredet, die Geschwister stumpfen ab.
Schrecklich, man kann sich so ein Elend gar nicht vorstellen. Der Vater ist Kölnisch, dabei sollte er den Kindern dankbar sein, dass sie sich aufopfern, ihr eigenes hintenanstellen. Ganz davon zu schweigen, dass man als Eltern doch für die eigenen Kinder eigentlich das Beste will.
Das Band, das uns hält“ - was ist das? Liebe, Verabtwortung, Pflichtgefühl?
Verantwortung und Pflichtgefühl mit Sicherheit. Liebe? Kann man sich nur schwer vorstellen…..
 

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Was für verpfuschte Leben, schrieb @RuLeka . Mein Gefühl geht da noch weiter: verschwendete Leben. Hätten sich Edith und Lyman nicht nach der Verstümmelung des Vaters irgendwann zusammentun und sich gegen ihn stellen können? Unterstützung ja,aber nicht zu jedem Preis. Dass es Alternativen gibt oder gegeben hätte zeigt ja John, der so entschlossen dem Traktor entgegen tritt und Ray klar macht dass jetzt Schluss ist mit dem Tyrannentum. Statt die Felder selbst zu bewirtschaften werden sie eben verpachtet und der Eigentümer erhält seinen Anteil von der Ernte. Als ob das vorher keine Alternative gewesen wäre! Aber Edith und ihr Bruder haben sich abgestumpft dem leblosen Diktat ihres Vaters unterworfen. Und nicht nur sie zahlen dafür einen lebenslangen Preis. Traurig. Nun ist John tot und jede Chance auf eine Veränderung der Lage unwiederbringlich dahin.
 
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Federfee

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13. Januar 2023
2.129
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Sie kannte ja nichts anderes als zu funktionieren und zu arbeiten. Zuerst nach dem Tod der Mutter musste sie als Ersatz herhalten und später auch noch für Roy und Lyman. Im Grunde ist sie eine tapfere und entschlossene Frau für mich. Sie jammert eigentlich nie, sondern tut einfach was sie tun muss.
Ich bewundere auch, wie stark sie ist, wie loyal und pflichtbewusst. Aber dass sie nichts anderes kann als zu funktionieren ... da muss ich entschieden widersprechen. Gerade weil sie so stark ist, hätte sie ihrem Vater mehr entgegensetzen können. Sonst gäbe es nie Veränderungen und alle Menschen würden nur funktionieren in einer Welt, in die sie hineingeboren sind. Vielleicht tun das auch die meisten, aber zum Glück nicht alle.
Es ist natürlich leider so, dass Edith wenig anderes kennengelernt hat (Schule, Bildung, andere Menschen als Vorbilder).