Ich bin ziemlich sicher, dass ich NICHT die erste bin, die diesen Abschnitt durchgelesen hat.... und ich würde mich sehr gerne davor drücken, den Anfang zu machen....
Andererseits will ich loswerden, was mir auf dem Herzen liegt....
Also: Let´s start!
Wie gesagt, empfand ich den ersten Teil des Romans als sehr empathisch erzählt. Die Sorgen, Leiden und Befindlichkeiten der Protagonistin mit ihrer Krankheit wurden einfühlsam herausgearbeitet. Ihr Mann ist eine Fehlanzeige. Ob es solche Fehlanzeigen im wahren Leben wirklich gibt? Die Ehe hatte ja schon zuvor Schlagseite: Wenn man sich als Ehepaar 5 Jahre nach dem Tod des geliebten Kindes nicht wieder zusammengerauft hat, wird es wohl nie mehr was. Fünf Jahre nicht in den Arm genommen zu werden, nur Kälte zu spüren, Schuldgefühle, keine Farben mehr tragen... unerträglich ist das. Insofern ist Matt schon extrem KRASS gezeichnet. Bis jetzt störte mich das nicht. Ich war so sehr mit Jeannes Schicksal beschäftigt, dass mich dieser oberflächliche, illoyale Kerl nur aufgeregt hat. Ich gönnte Jeanne ihre neuen, optimistischen Freundinnen....
ABER JETZT!?! Ich bin leicht entsetzt, wo das Buch hindriftet. Aber der Reihe nach:
Der Anfang des LA hielt mich noch voll gefangen: Die Freundinnen bringen J. zum Haarschneider, besser kurz und schmerzlos, als lang und zehrend. Matt hatte sich zuvor wieder ein paar Kalauer geliefert. Der Mann ist sowas von daneben, ein bisschen verliert die Figur an Bodenhaftung, scheint er doch nur dummes Zeug zu plappern, um seine Frau damit unendlich zu verletzen - die es sich noch unterwürfig gefallen lässt. Ein bisschen durchschaut sie ihn allerdings, aber nur manchmal: "Matt redete über Matt. Das war sein einziges Thema." (S. 69)
Die erste Chemo: Ich habe mitgelitten. Wunderbare Textstellen. Die Geburtstagsfeier im Kreise "der Schwestern mit Krebs". Alles gut (aber mussten es Drogen sein?!),. Und dann kommt aus meiner Sicht der Bruch! Der Autor trägt in der Schilderung der verschiedenen Schicksale zu dick auf! Was hat der sadistische Großvater, der einer "deutschen Schlampe" die Haare schert, mit der aktuellen Situation zu tun? Muss Jeanne da so tief reinkommen? Trägt man so ein Foto wirklich mit sich?
[zitat]Der Spiegel sprach nicht von mir, nicht von Brigitte oder Melody, von keiner Frau unserer Zeit. In diesem Halbdunkel sah ich aneinandergedrängt alle Opfer der Menschen. Die Geächteten. (S. 79)[/zitat]
Nachvollziehbarerweise läuft Assia raus, entschuldigt sich, läuft wieder weg, weil die anderen mutmaßlich Jeanne "eingeweiht" hatten. In was bitte schön? Hier fing es für mich an, zu einer Soap Opera zu mutieren. Die Schicksale dieser Frauen: Nichts, was es nicht gibt! Ihr habt es selbst gelesen: Brigittes Eltern kommen tragisch auf einmal mit einem Boot ums Leben, gleichzeitig wiederkehrende Karzinome... Die vier Frauen haben Schicksale aus dem Bilderbuch - sorry. Gefängnis, Zwangsprostitution, Kindesentführung, Kindesentzug, traumatische Verluste, ungewollte Schwangerschaft, Bulimie (?) alles dabei. Too much, wenn mich jemand fragt!
Kapitel 5 widmet sich wieder dem treulosen Matt. Seine Nachricht passt eigentlich nicht zu dem Matt, wie er uns bislang vorgestellt wurde. Auf einmal kann er seine Gefühle offenlegen. Der Verlust des Sohnes bricht wieder aus und so weiter.... Nett, aber dann hätte er seine Frau zuvor nicht dermaßen schikanieren müssen.
Was haltet ihr von sowas:
[zitat]Hätte ich ihm sagen sollen, dass ohne ihn meine Augen nicht mehr sehen könnten, meine Haut nicht mehr erschauern, meine Lippen nicht mehr sprechen und mein Herz nichts mehr hoffen?[/zitat]
(Das ist doch Kitsch, Übertreibung, oder soll man es unter Festhalten am Strohhalm verbuchen?) Vielleicht hat der Kerl schon längst eine Andere?
Die Zuwendung zur Kirche und den Heiligen scheint mir plausibel. Aber dann die Begegnung mit den zwei Frauen von den Antillen?!? Die einen Rundbrief verteilen, der nur wirkt, wenn man ihn 89 mal kopiert? Bitte nicht! Jeanne entzieht sich mit einer smarten Lüge, die die antillische Tochter natürlich versteht. Lauter Gutmenschen unterwegs.
Die Geschichte rund um den Kommissar.... Frau tragisch auf der Autobahn überrollt.... Der Fall der raubenden Frauen, die mehrfach UNBEHELLIGT Schmuckgeschäfte ausrauben und irrlichternd für Franzosen gehalten werden. Diese Story wird wohl Vorlage für die Aktion sein, derer wir auf den ersten Seiten schon habhaft werden durften... (Man braucht ja dringend Geld für den russischen Kindesentzieher!) Neieieiein, möchte ich schreien. So plakativ, so filmreif, so offensichtlich kenne ich den Autor gar nicht. Brigitte wird als guter Engel im Krankenhaus dargestellt, die den befallenen Frauen blind ihr Schicksal ansieht und so drei weiteren Leidensgenossinnen in ihrer großen, geerbten Stadtwohnung ein Refugium anbietet.
Wie geht es euch? Ich will euch das Buch keineswegs versauern, aber im Moment bin ich einigermaßen geerdet.