2. Leseabschnitt: Kapitel 21 bis 36

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Aber es zeigen sich auch nicht so nette Züge bei Pinch. Er lässt Marsden ausziehen, da er meint, dass dieser nachdem er das Studium geschmissen hat intellektuell nicht mithalten kann.

In allem, was Pinch tut, spielt unterschwellig eine Rolle, ob Bear jemanden oder etwas mögen und gutheißen würde, habe ich das Gefühl. Und Marsden entspricht dem nicht mehr... Das fand ich auch traurig, dann Marsden war doch Pinchs erster richtiger Freund! Ich hoffe sehr, dass Pinch das im Laufe des Buches noch bereut.

Besonders irritierend fand ich die Aussage: „Ich konnte kein Maler sein, und jetzt darf ich nicht mal Kritiker werden. Ich bin ein Angeber, ein Simulant, ein Versager. Pinchs schlimmste Ängste stürzen auf ihn ein: Ich werde nie wie mein Vater, weil ich schon immer wie meine Mutter war.“ (S. 148)

Ganz ehrlich: Pinch könnte eine Therapie brauchen. Das sind schon krankhafte Selbstzweifel...
 

Mikka Liest

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Und er wird maßlos enttäuscht, als er erfährt, dass er sich auf den Ratschlag seines Vaters hin auf Caravaggio spezialisiert hat und Bear jetzt nichts mehr davon wissen will. Besonders heftig fand ich dann die Szene, in der Bear leugnet, Pinchs von einer Karriere als Maler abgeraten zu haben. Bei den meisten hier, hatte Bear ja von Anfang kein Stein im Brett. Aber diese Szene hat auch mir die Augen geöffnet. Was hätte Pinch denn tun sollen? Den Rat seines Vaters negieren und weiter malen, finde ich viel verlangt. Schließlich war Pinch noch sehr jung und konnte seine Leistung nicht beurteilen.

Überhaupt widerspricht sich Bear immer wieder und leugnet das dann. Ich denke, in Bears Vorstellung ist das, was er in diesem Moment fühlt und denkt, die absolute Wahrheit.

Aber ich fand das auch ganz schlimm für Pinch. Er hat einen Traum aufgegeben, weil er seinem Vater geglaubt hat, und der stellt ihn jetzt dafür als Idioten hin.

Wieviel braucht es denn noch, um Pinch die Augen zu öffnen, was seinen Vater betrifft?
 

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Duchamp signierte 1917 sein Urinal und machte damit einen Gegenstand des Alltags allein durch seine Auswahl zum Kunstgegenstand. Das Objekt löste damals eine Kontroverse über den Kunstbegriff aus und ist nach wie vor umstritten. Ich habe mal eine Nachbildung davon gesehen und kann mich gut daran erinnern, davon abgestoßen und angezogen gewesen zu sein.

Dagegen wirkt das im Roman erwähnte Exponat von Temple Butterfield einfach nur geschmacklos. Die Idee ist weder originell, sondern allenfalls abgekupfert. In den 1970ern ist so etwas auch nicht mehr revolutionär, nachdem Manzoni 1963 schon seine Exkremente in Dosen verpackt und verkauft hat. Was meint ihr?

Ich muss gestehen: das ist genau die Art von moderner Kunst, mit der ich absolut gar nichts anfangen kann. Versteht mich nicht falsch, es gibt moderne Kunst, die ich toll finde, aber sowas? Wirkt auf mich einfach zu bemüht schockierend.
 

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Und es zeigt auch, dass er verdrängt hat, Pinch vom Malen abgehalten zu haben. Das Motiv könnte sein, dass er keinen Konkurrenten wollte - jetzt, da diese Gefahr gebannt ist, kann er sich großzügig zeigen, oder fast noch schlimmer, er erinnert sich nicht, weil es für ihn keine Bedeutung hatte.

Das finde ich fast das Schlimmste an Bears Persönlichkeit – Menschen haben für ihn nur sehr begrenzt Bedeutung, und dann meist, weil sie seinem Ego schmeicheln.

Barrows ist tatsächlich von seiner männlichen Präsenz fasziniert - schade, ich dachte, sie widersteht dem Wunsch, als Modell für Bear zu stehen.

Ich muss zugeben, ich konnte Pinchs Empörung verstehen, gerade weil es bei seinem Vater ja keine Seltenheit ist, dass er mit seinen Modellen im Bett landet. Aber damit hat er es sich bei Barrow erstmal verscherzt.

Natalie ist die große Verliererin, sie hat keinen Halt - nirgends. Selbst Pinch verweigert ihr die Zuneigung und Anerkennung, die sie braucht. Die Arme...

Natalie ist wirklich eine sehr tragische Gestalt. Was Pinch von ihr geerbt hat, ist das Unvermögen, die eigene Kunst einfach zu gestalten, ohne sich ständig an den Ansprüchen anderer zu messen.
 
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Andererseits werden die Modelle auf bestimmte Attribute reduziert - im Allgemeinen natürlich auf ihr Äußeres und auf bestimmte Körperteile bei Bears Bildern im Besonderen. Ich kann daran trotzdem nichts Schlimmes erkennen, ihr?

Ich kann daran auch nichts Schlimmes sehen, aber Bears Verhalten außerhalb seiner Bilder spricht dann doch wieder dafür, dass er Frauen objektiviert. Allerdings objektiviert er ALLE Menschen, glaube ich, und zwar anhand dessen, wie sie seinem Ego schmeicheln.
 
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Bear hat in diesem Ferienhaus auch etwas Geselliges. Er scheint sich über Pinch und seine Freundin zu freuen, verwöhnt sie mit Wein und Spezialitäten. Der Wunsch, Modell zu sitzen, kam letztlich auch von Barrows. Zunächst verhielt sich Bear, wie es sich für einen "Schwiegervater" gehört.

Für den Moment gefällt er sich in der Rolle des großzügigen Vaters, das Schlimme ist nur, dass ihm so etwas anscheinend schnell langweilig wird...

Pinchs Unsicherheit ist permanent vorhanden. Er hat Angst, seine Freundin zu verlieren, kann dem Vater aber keine Paroli bieten. Das wird auch in dem Satz deutlich: "Dies sind die beiden wichtigsten Menschen in meinem Leben und sie brauchen mich nicht mehr". S.173

Pinch will so verzeifelt geliebt und gebraucht werden, das ist schon tragisch. Und er ignoriert derweil den Menschen, der ihn wirklich braucht: seine Mutter.

Im letzten Kapitel sagt Barrows ihm die Meinung: "Wie soll ich einen Mann akzeptieren, der sich seinem Vater gegenüber wie ein anhimmelnder kleiner Junge verhält?" S.177

Ich konnte sie da sogar verstehen. Pinch wird niemals wirklich erwachsen werden, wenn er sich nicht endlich von Bear löst.

Was mir nicht ganz klar ist: Am Ende redet Bear seinem Sohn das Mädel aus: " Wir sind besser dran ohne sie." Ist das väterlicher Trost, Lecken der eigenen Wunden (wegen der Zurückweisung) oder einfach eine Feststellung?

In meinen Augen gekränktes Ego. Sie ist Bear am Schluss harsch angegangen, und das ist bei Bear ja quasi schon Blasphemie.
 
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Am meisten berührt hat mich Natalie. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie ernsthaft krank ist und das möglicherweise das letzte Treffen zwischen Mutter und Sohn war. Da steckte soviel Melancholie, Wahrheit und Zärtlichkeit in ihren Worten...

Ich denke, Natalie hat eine ernsthafte und chronische depressive Störung, das kann ohne Therapie nicht gut ausgehen...

Am Ende das Geständnis, dass sie jeden Tag mit Pinch spricht. (Und das angesichts der Tatsache, dass der Sohn die seltenen Telefonate aufschiebt.)
Für mich hat das alles etwas von Abschied. Wir werden sehen.

Ich denke, du hast recht... Ich rechne fest damit, dass sie den nächsten Abschnitt nicht überleben wird.
 
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Bears' beste Jahre sind vorbei. Er zehrt von dem Ruhm, den er in jüngeren Jahren hatte. Pinch hat ihn auf ein Podest gestellt, was dem Vater ganz gut gefällt. Barrows könnte ihn von diesem Podest schubsen und Einfluss auf Pinch nehmen.

Genau so sehe ich das auch. Bears Stern in der Kunstwelt fällt, und damit kann er nicht umgehen.
 

Mikka Liest

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Die Beziehung zur Mutter ist auch in gewissem Sinne ausbeuterisch. Die Mutter ist sehr bedürftig. Die Beziehung ist genau verkehrt herum: Sie braucht die Unterstützung und Fürsprache ihres Kindes. Zurecht weht sich Pinch dagegen. Er kann ihr die Hilfe nicht geben, wobei das ja auch nicht seine Aufgabe ist.

Ich denke, ausbeuterisch ist vielleicht das falsche Wort, denn die Mutter tut es ja nicht mit Absicht – sie ist psychisch einfach ernsthaft krank und bräuchte dringend Hilfe, allerdings kann Pinch die ihr nicht geben. Sie braucht einen Therapeuten und wahrscheinlich Medikamente.
 

Mikka Liest

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Als Bear behauptet, er hätte nie gesagt, dass Pinch kein Talent hat, begehrt er zwar auf, aber er nimmt es hin. Und das schlimmste.....er lässt sie ziehen, für ein Ideal, dass wohl nur in seinem Kopf so heroisch ist. Hoffe Pinch erkennt dies bald, ansonsten wird er Probleme bekommen.

Wenn Pinch das nicht bald erkennt, wird er sein Leben vergeuden, obwohl er so viel Talent hat und ja auch intelligent genug ist, um im Studium zusammen mit Barrows der Beste zu sein. Ich würde mich nicht wundern, wenn er in Wirklichkeit viel talentierter ist als sein Vater.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Im zweiten Abschnitt entsteht eine räumliche Distanz zwischen Pinch und seinen Eltern, was mir gut gefällt. Aber im Denken und Handeln spielt vor allem Bear für Pinch nach wie vor eine sehr bedeutsame Rolle. Für mich war es echt erschütternd, wie sehr sowohl Pinch als auch seine Mutter von Bears Verhalten psychisch gezeichnet sind. Ich denke, dass nicht nur Natalie eine Therapie helfen würde. Auch Pinch scheint nach wie vor besessen von dem Wunsch, Bear zu gefallen. Das ist in diesem Ausmaß nicht mehr ganz normal, denke ich. Bleibt nur zu hoffen, dass er sich davon befreien kann, um sein eigenes Leben zu leben.