2. Leseabschnitt: Kapitel 13 bis Kapitel 24 (S. 81 bis S. 152)

Anjuta

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8. Januar 2016
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Essen
Im zweiten Teil rückt Kadoke deutlich in den Mittelpunkt (etwas schade, mich haben die Frauen und ihr Zusammentreffen mit Kadoke etwas mehr interessiert). Er muss um seinen Ruf und seine berufliche Zukunft kämpfen, denn mit Erscheinen des Buches über seine "alternative Therapie" an Michette scheint für beides der große Absturz gekommen. Er startet recht hilflose Rettungsversuche unterschiedlicher Art, die alle gnadenlos nach hinten los gehen. Es gibt für ihn keine positive Perspektive, es sei denn, er geht auf das zunächst zu hintert Prozent abgelehnte Angebot Anats ein, ein Leben in Israel zu versuchen. Und so entdeckt er plötzlich sogar so etwas wie ein Gefühl von Liebe für diese Ururgroßkusine, die im 1. LA noch so abwegig und fern erschien. Am Ende des 2. LA steht also eine Reise nach Israel im Raum, die ein neues Kapitel in Kadokes Leben aufschlagen soll. Wir können gespannt sein!
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Kadoke, Kadoke, weiß er eigentlich was er da tut? Hin- und hergerissen zwischen Handeln (er schläft mit seiner Ferncousine) und Überzeugung (ihm wurde Unrecht getan), steigert er sich in seine Rechtfertigungen.

Aber er scheitert, sowohl bei seinen Kollegen, vor der Untersuchungskommission, als Einmannprotestler und versucht mit Gegendarstellungen ein Zeitungs- und Internetpublikum auf seine Seite zu ziehen. Der "Gegenwind" haut ihn um.

Ich hätte ihn gern noch auf seinen grundlegenden Fehler seines Plakates "LITERATUR IST KEINE VERLEUMDUNG" hingewiesen, aber auch kein anderer tat es, also bleibts wohl vorerst in meinem Kopf stecken.

Kadoke kommt gar nicht dazu, auf den seiner Meinung nach einzigen Fehler, die Unwahrheiten im Buch, hinzuweisen. Er wird in die Me-Too-Debatte und in den Rechtsextremismus hineingezogen. Plötzlich können ihn antisemitische Vorwürfe verletzen.

Und was tut dieser Mensch? Oder vielmehr, was denkt dieser verquere Kopf auf diesem Menschen? Dass er verliebt ist, in Anat und dass er Trost findet, in einem fernen Land.
 

Renie

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19. Mai 2014
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Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Kadoke entwickelt sich immer mehr zur tragisch-komischen Figur.
Er verliert seinen Job, sein Ruf ist ruiniert und wird angefeindet.
Sein Gerechtigkeitsempfinden sorgt dafür, dass er nicht weiß, wann Schluss sein sollte. Mit jedem Versuch, sich zu rechtfertigen und zu rehabilitieren, verschlimmert sich seine Lage. Und dabei wollte er doch nur einer Patientin das Leben retten.
Diesbezüglich war für mich das Treffen mit dem Schriftsteller in irgendeinem Café sehr aufschlussreich. Denn der Schriftsteller spricht genau diesen Gedanken aus.
"Was war zuerst da: mein Buch oder dein Entschluss, dich auf fragwürdige Weise einer Patientin anzunehmen""
Kadoke fehlt das Schuldempfinden. Seiner Ansicht nach machen ihn seine gutgemeinten Absichten über alles andere erhaben. Er hat als Psychiater einen üblen Fehler begangen und muss nun die Konsequenzen für sein Handeln tragen. Doch dieser Gedanke scheint nicht in seiner Denkweise zu existieren. Stattdessen stellt er seine Moral und seine Absichten über alles andere.

Ich lese den Text sehr gern, finde ihn unterhaltsam, stellenweise komisch, kann aber nicht greifen, worum es dem Autor geht. Kritik am Judentum? Kritik am Umgang von Nicht-Juden mit dem Judentum? Ein rätselhaftes Buch, das mich gedanklich sehr beschäftigt. ich komme schon noch dahinter.
 

Renie

Moderator
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19. Mai 2014
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Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Ich hätte ihn gern noch auf seinen grundlegenden Fehler seines Plakates "LITERATUR IST KEINE VERLEUMDUNG" hingewiesen, aber auch kein anderer tat es, also bleibts wohl vorerst in meinem Kopf stecken.
Was wollte er uns damit nur sagen? Vermutlich war auch keiner an der Sinnhaftigkeit dieser Aussage interessiert. Ähnlich wie bei einem Werbeplakat, das man "liest".
 

sursulapitschi

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18. September 2019
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Kadoke wird übel mitgespielt, aber so richtig kann er mir nicht leidtun. Er hat mit unglaublicher Arroganz zu lange nichts getan und kann das nicht mehr auffangen. Alles, was er jetzt tut, wirkt hilflos.

Warum hat Kadoke eigentlich keine eigene Wohnung? Er wohnte zuerst im Hotel von Michettes Eltern und jetzt in seinem Elternhaus. Hat er kein eigenes Leben? Um sich von seinen Eltern zu lösen, macht er ein Grillfest, wenn sie im Urlaub sind. Er scheint schon immer ein armer Wicht gewesen zu sein, auch ohne sein aktuelles Dilemma.

Kadoke schreibt eine Mail an Anat, in der er Zweifel zum Ausdruck bringt, ob die Juden in den Niederlanden eine Zukunft besitzen. „Ihm ist klar, dass er damit zugleich auch eine Meinung zu den Juden in ganz Europa äußert…“
Vielleicht bin ich naiv und kenne einfach keine Juden, aber fühlen sich Juden zu Gast in Europa? Ist das so? Für mich ist es einfach eine andere Religion, aber deshalb besitzt man doch trotzdem die jeweilige Nationalität, ist Niederländer, Deutscher oder Engländer mit jüdischem Glauben, genau wie es holländische, deutsche und englische Christen ect. gibt. Ist das ein Irrtum?


Ein bisschen treten wir jetzt gerade auf der Stelle. Kadoke diskutiert und tut und macht, aber es könnte jetzt mal weitergehen.
 

sursulapitschi

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18. September 2019
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Ich lese den Text sehr gern, finde ihn unterhaltsam, stellenweise komisch, kann aber nicht greifen, worum es dem Autor geht. Kritik am Judentum? Kritik am Umgang von Nicht-Juden mit dem Judentum? Ein rätselhaftes Buch, das mich gedanklich sehr beschäftigt. ich komme schon noch dahinter.
Ja, so geht es mir auch. Ich habe noch keine Idee, worauf es hinausläuft, aber es scheint mit dem Selbstverständnis der Juden zu tun zu haben.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht und ich weiß auch nicht, was das Thema ist.

Zuerst einmal muss ich mich mit den ganzen Unwahrscheinlichkeiten des Romans auseinandersetzen. Ich kann mich daran erinnern, dass Dieter Bohlen ein Buch schrieb (schreiben ließ natürlich) und Verona sofort vor Gericht war: Unterlassungsklage. Und recht bekam. (Wie gerne hätte ich ein ungeschwärztes Exemplar gelesen). Es kann also nicht so schwer sein. Es existiert doch die Aufzeichnung der Talkssendung, als Michette den Namen nennt. Und der Autor dementiert in diesem Moment nicht, dass es sich um K. handelt, das dürfte für eine Unterlassungsklage reichen.

Also alle diese erfolglosen Bemühungen von Kadoke nehme ich dem Autor nicht ab. Sie hätten sicherlich Erfolg gehabt.


Das Demo-Plakat: Auf dem hätte stehen müssen. Die Literatut hat kein Recht andere Menschen zu verleumden oder so ähnlich. Literatur ist kein Schauplatz für Verleumdung. (Literatur darf nicht alles). Jedenfalls ist die Aufschrift Literatur ist keine Verleumdung sinnlos. Man versteht es nicht. Kann an der Übersetzung liegen. Man darf gespannt sein, ob es später auch so dastehen wird. Völlig sinnfrei.

Gut. Dass muss ich erst mal loswerden, um es loszulassen. All das ist einfach zu unlogisch für mich.

Was darunter steckt? So was ähnliches wie bei der "Die verlorene Ehre der Katharina Blum"? Sicherlich ist Teilthematik, wie leicht es im Medienalter sein könnte - und teilweise ist - anderen Menschen zu schaden. Kollateralschaden. Na und? Shitstorm. Sensationslust der Presse. Wahrheit stört nur.

Das ethische Verhalten des Therapeuten? Ist grenzwertig. Sicher. Aber doch nicht so heftig, dass ein Berufsverbot zu Recht bestünde. Glaube ich niemals. Da hätte es doch Verhandlungen gegeben, da wäre Michette vorgeladen worden (Kreuzverhör, psychiatrisches Gutachten), der Autor wäre vorgeladen worden, der ja letztlich gewillt war, zuzugeben, dass es Fiktion ist und er keine Ahnung hatte, was wirklich geschah. Nach meiner Einschätzung läßt die Ärztekommission ihre Leute nicht so schnell fallen, ganz im Gegenteil hört man oft, "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus".

Der Umgang mit Suizidgefährdeten: Ist das das Thema? Es ist wirklich nicht leicht, hier zu einer Lösung zu kommen. Was tun? Jemanden eine Aufgabe zu geben, scheint mir sehr sinnvoll zu sein (Die Altenpflege). Nämlich von sich wegsehen auf was anderes. Wenn jemand austherapiert ist, ist jedes Mittel, ihm zu helfen, erlaubt.

Antisemitismus. Ist auf alle Fälle ein Thema. Ein Thema, das es wert ist, diskutiert und reflektiert zu werden. Ich mag es nicht, wenn es lächerlich gemacht wird. Aber wird es das? Antisemitismus existiert. Und bringt Menschen dazu, sich jüdisch zu fühlen, die es eigentlich gar nicht sind. Entsetzlich. Ich hasse Antisemitismus.

Ich bin gespannt auf den Teil in Israel. Auch dort gibt es einen Haufen ethischer Fragen zu betrachten, die alle nicht leicht zu beantworten sind, vllt sogar unmöglich aufzulösen.

Fazit bisher: Ein interessantes Buch auf jeden Fall. Dessen Prämisse/n allerdings unlogisch ist/sind.
 
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Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
aber fühlen sich Juden zu Gast in Europa? Ist das so?

Das ist der springende Punkt. Eigentlich gar nicht. Meine ich. Aber wenn du wegen irgendwas so angepampt wirst wie K. (der betroffen ist, dass er auf sein Judentum reduziert wird, obwohl er sich doch längst nicht mehr als Jude sieht) - dann besinnst du dich auf deine (jüdischen) Wurzeln.

Mit anderen Worten: die Anfeindungen und die Reduktion aufs Judentum kommen von außen.
 
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RuLeka

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30. Januar 2018
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Was darunter steckt? So was ähnliches wie bei der "Die verlorene Ehre der Katharina Blum"? Sicherlich ist Teilthematik, wie leicht es im Medienalter sein könnte - und teilweise ist - anderen Menschen zu schaden. Kollateralschaden. Na und? Shitstorm. Sensationslust der Presse. Wahrheit stört nur.
Das ist sicherlich eines der Themen, die Grünberg aufgreift: die Macht der Medien, den Ruf eines Menschen zu zerstören, es geht nicht um die Wahrheit, sondern um Schlagzeilen usw.
Dass „ Mann“ kaum eine Chance hat, gehört zu werden , wenn Frauen ihn sexueller Übergriffe bezichtigen. Da ist eine Vorverurteilung völlig glaubwürdig. Wenn man einen Mann zerstören will, muss Frau mit diesem Vorwurf kommen.
Und ich fürchte auch, dass es zu einem Berufsverbot kommt, wenn ein Psychiater seine Patientin sexuell ausbeutet.
Der Umgang mit Suizidgefährdeten: Ist das das Thema? Es ist wirklich nicht leicht, hier zu einer Lösung zu kommen. Was tun? Jemanden eine Aufgabe zu geben, scheint mir sehr sinnvoll zu sein (Die Altenpflege). Nämlich von sich wegsehen auf was anderes. Wenn jemand austherapiert ist, ist jedes Mittel, ihm zu helfen, erlaubt.
Das war v.a. das Thema des Vorgängerromans. Ich glaube, dass es in diesem Buch um Juden , Zionisten, Israel und Besatzung usw. geht. Kadoke ist ja kein praktizierender Jude, nicht mal ein gläubiger Jude und wird hier mit dem Leben und der Gedankenwelt orthodoxer Juden konfrontiert.
Ich freue mich nun auf den Teil, der in Israel spielt. Da bin ich genauso gespannt wie Du.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Also alle diese erfolglosen Bemühungen von Kadoke nehme ich dem Autor nicht ab. Sie hätten sicherlich Erfolg gehabt.

Dieter Bohlen kennt jeder und er hat auch die richtigen Namen im Buch genannt, außerdem hat der Dieter keinen medizinisch relevanten Beruf (wenn man mal von seinen durchgeknallten Fans absieht).
Vielleicht wäre eine Klage erfolgreich gewesen, aber Grünberg führt uns auf einen anderen Weg, sprich, es passte besser zum Fortgang der Story.

Gut. Dass muss ich erst mal loswerden, um es loszulassen. All das ist einfach zu unlogisch für mich.
Das war mir auch zu unlogisch, aber das haben wir allein Kadoke zu verdanken, der eigentlich die ganze Zeit unlogisch handelt.
 

sursulapitschi

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18. September 2019
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Es kann also nicht so schwer sein. Es existiert doch die Aufzeichnung der Talkssendung, als Michette den Namen nennt.
Das stimmt, darüber habe ich gar nicht nachgedacht, aber es stimmt.
Also alle diese erfolglosen Bemühungen von Kadoke nehme ich dem Autor nicht ab. Sie hätten sicherlich Erfolg gehabt.
Na ja, er hat damit erst angefangen, als der Rufmord schon geschehen war. Anfangs wollte er nicht darüber reden. Vielleicht ist das der Knackpunkt.
Da hätte es doch Verhandlungen gegeben, da wäre Michette vorgeladen worden (Kreuzverhör, psychiatrisches Gutachten),
Das hat es, meine ich, und Michette sagte, Kadoke wäre in sie verliebt gewesen. Ich glaube sogar, sie hat gesagt, sie hätten ein Verhältnis gehabt. Davon abgesehen hat er sie als kostenlose Pflegerin für seinen Vater arbeiten lassen, das ist schon fragwürdig, deutlich mehr als ein Freundschaftsdienst.
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Vielleicht bin ich naiv und kenne einfach keine Juden, aber fühlen sich Juden zu Gast in Europa? Ist das so? Für mich ist es einfach eine andere Religion, aber deshalb besitzt man doch trotzdem die jeweilige Nationalität, ist Niederländer, Deutscher oder Engländer mit jüdischem Glauben, genau wie es holländische, deutsche und englische Christen ect. gibt. Ist das ein Irrtum?
Naja ich glaube als Jude fühlt man sich nie richtig zu Hause als nur in Israel. Besonders nachdem in den letzten Jahren der Antisemitismus wieder stark zugenommen hat. Jedenfalls in Israel sind sie als Juden immer willkommen.