2. Leseabschnitt: Kapitel 11 (Seite 51 bis 129)

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Ich war gestern so erschrocken über den ersten Abschnitt, dass ich dachte: Das muss doch besser werden bei einem solchen Autoren wie Bernhard Schlink. Also habe ich eine Lektüre-Spätschicht eingelegt und den zweiten Abschnitt auch noch beendet. Und siehe da: Es wird besser. Vielleicht noch nicht gut, aber deutlich besser!

Zunächst einmal möchte ich das Formale loben. Natürlich hat man schon oft Texte in Texten gelesen und dadurch die Erzählperspektive geändert. Mit einem Kapitel den gesamten vorigen ersten Teil aber formal auf den Kopf zu stellen, finde ich sehr lässig. Was ich meine: Zunächst lesen wir zehn Kapitel mit insgesamt 50 Seiten und dann mal eben ein einziges mit 80 Seiten. Das ist einerseits zwar ein wenig anstrengend, weil wir halt nur noch Birgits Gedanken folgen, andererseits aber eben eine echte Überraschung und deshalb in meinen Augen positiv zu bewerten.

Auch der Stil hat sich durch Birgits Perspektive deutlich zum Positiven geändert. Die Sätze sind länger, unstrukturierter, man kann viel mehr in sie eintauchen. Birgits Unsicherheit, ob sie die DDR verlassen soll oder nicht, ist auch in den Sätzen zu erkennen. Genauso der Umgang mit ihrer Tochter oder vor ihrer Indien-Reise. Mein persönliches Highlight bisher ist die Beschreibung ihres Sommers in der Datsche auf dem Darß. Das fand ich richtig schön.

Genervt haben mich hingegen diese ständigen Fragen, die sie sich selbst stellt. Das Stilmittel mag ich sowieso nicht so gern, hier wird es in meinen Augen viel zu häufig eingesetzt.

Eine deutliche Aufwertung erfährt in diesem Abschnitt die Geschichte des Kennenlernens zwischen Birgit und Kaspar. Ich konnte die Faszination der beiden viel besser nachvollziehen als in dem "Schüleraufsatz" des ersten Abschnitts. Allerdings habe ich mich auch gefragt, warum diese Geschichte im ersten Leseabschnitt überhaupt so auftaucht. Da Kaspars Perspektive kaum etwas Nennenswertes zu der ausführlicheren Sicht Birgits beiträgt, halte ich sie für größtenteils redundant.

Nicht ganz verstanden habe ich Birgits Abwendung von der DDR hin zu den Fluchtplänen. Denn offenbar ist dafür ja nicht nur Kaspar der Grund. Und auch Leo ist es nicht allein. Es ist also eine Mischung aus vielen verschiedenen Dingen, die mir allerdings ein bisschen zu schnell ging. Von der überzeugten Diskutantin hin zur freiheitsliebenden Flüchtigen war mir der Schritt zu groß.

Insgesamt halte ich Birgit für eine ambivalente Figur, was mir ganz gut gefällt. Denn der Umgang mit ihrer neugeborenen Tochter ist ehrlich gesagt richtig richtig schlimm. Und trotzdem habe ich gewisse Sympathien für sie verspürt. Vielleicht auch, weil sie den Roman so aufwertet ;).

Gelernt habe ich übrigens auch noch etwas: Auf S. 72 erzählte Kaspar Birgit ja von den Heiligen Drei Königen, "unter denen Kaspar der schwarze König gewesen sei". Ich war mir sicher, dass dies ein Fehler ist, weil ich als Kind lernte, Balthasar sei der dunkelhäutige König gewesen. Jetzt habe ich aber gerade nachgelesen, dass es zahlreiche Diskussionen darüber gibt, wer von ihnen dunkelhäutig sei, bzw. ob es überhaupt jemand von ihnen gewesen sei. Die Debatte um die Darstellung der Figuren ist mir nicht entgangen, aber dass es tatsächlich unterschiedliche Angaben dazu gibt, wer denn der dunkelhäutige König sei, wusste ich nicht. So wichtig ist das im Grunde nicht, aber immerhin hat mir dieser kleine Satz eine neue Perspektive eröffnet.
 

Circlestones Books Blog

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28. Oktober 2018
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Auf S. 72 erzählte Kaspar Birgit ja von den Heiligen Drei Königen, "unter denen Kaspar der schwarze König gewesen sei".
In Österreich ist es Caspar, das war beim Lesen für mich also eine nachvollziehbare Erklärung. Caspar steht für den Kontinent Afrika (Balthasar für Asien und Melchior für Europa), und das wird in den letzten Jahren noch heftiger als bisher diskutiert, es scheint wohl Orte bzw. Kirchengemeinden zu gaben, in denen man auf das Black-Facing der Sternsinger bereits verzichtet.
Ich warte darauf, dass-ob mir Birgit als Figur sympathischer wird, obwohl mich generell facettenreich und "kantig", unangepasst anspricht, aber hier kommt doch sehr viel Egoismus dazu. Schön aber ihre Gedanken "Was immer ich in meinem Leben nicht bin, was immer ich dir nicht bin - ich bin genug, dass ich bis jetzt von dir geliebt werde." (Zitat Seite 129, Ende des Leseabschnitts).
Die unterschiedlichen Sichtweisen eines gelebten Lebens und Beziehung, zuerst eher in Fragmenten und Schwerpunkt Gegenwart bei Kaspar, jetzt Birgit, bringt für mich die Spannung in diese Geschichte und macht sie authentisch, lebendig und auch nachvollziehbar.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Mit Birgit kommt Zeitgeschichte in das Buch: der „Schattenvater“ ( schönes Bild), der im Krieg geblieben ist, aber durch Mutter und Großmutter seine Forderungen an das Kind stellt. Das Mädchen will Teil der neuen guten Zeit werden. Mit dieser Hoffnung gingen viele an den Aufbau der DDR.
Interessant die Überlegungen der älteren Birgit, welchen Weg sie genommen hätte, wenn sie in der DDR geblieben wäre.

Birgit ist eine komplexe Figur, nicht unbedingt sympathisch. Eine, die sich befreit hat von den Wünschen und Vorstellungen anderer, aber auf Kosten der Menschen um sie herum.
Ihre Entscheidung, die Tochter nach der Geburt gleich wegzugeben, kann Ich nicht verstehen. Ein Kind auf die Welt zu bringen und es dann einer ungewissen Zukunft überlassen, ist ein gewaltiger Schritt, den ich als Mutter nicht nachvollziehen kann.
Kaspar hätte sie vielleicht sogar mit Kind genommen, doch sie hat sich von vornherein gegen das Kind entschieden.
Dass so eine Entscheidung einem ein Leben lang belastet und verfolgt, war zu erwarten. Und wie sehr erdrückt ein solches Geheimnis eine Ehe? Kein Wunder hat Birgit so viel getrunken.
Von der überzeugten Diskutantin hin zur freiheitsliebenden Flüchtigen war mir der Schritt zu groß.
“ Das Leben war anderswo.“ ( S. 76) Ich glaube, es waren nicht so sehr politische Beweggründe, warum Birgit aus dem Land herauswollte. Sie war lebenshungrig und das Leben fand woanders statt.
“Ich wollte nicht warten, ich wollte leben. Ich wollte nicht das bisschen Land zwischen Erzgebirge und Ostsee. Ich wollte die Welt.“ ( S. 81)
 

Xirxe

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19. Februar 2017
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Da Kaspars Perspektive kaum etwas Nennenswertes zu der ausführlicheren Sicht Birgits beiträgt, halte ich sie für größtenteils redundant.
Es geht da ja auch nicht um Birgit, sondern um Kaspar, seine Sicht, seine Gedanken, seine Gefühle. Und die tauchen hier im 2. Leseabschnitt nur vergleichsweise kurz aus der Sicht Birgits auf.
Von der überzeugten Diskutantin hin zur freiheitsliebenden Flüchtigen war mir der Schritt zu groß.
Das sehe ich ebenso wie @RuLeka - da geht es nicht um Politik oder die Freiheit. Sie wollte einfach nur das pralle Leben ohne Zwang und Einschränkungen und Auflagen. In der DDR war das praktisch nicht möglich.
Ich war mir sicher, dass dies ein Fehler ist, weil ich als Kind lernte, Balthasar sei der dunkelhäutige König gewesen.
Witzig :) Ich war früher selbst Sternsingerin und bei uns war ganz klar Caspar der Mann aus Afrika. Alle hofften, dass das Los nicht sie treffen würde, weil man den Ruß aus dem Gesicht so schlecht wieder wegbekam - trotz der Vaseline.

Birgits Abschnitt ist so ganz anders als der über Kaspar, finde ich gut gemacht. Sie, der fröhliche, lebenslustige Mensch, der genau weiß, was er will. Und dennoch verliebt sie sich in ihn und bleibt es auch, trotz ihrer Auszeiten. Dass sie ihre Tochter ohne weiteres weggibt, klingt und ist hart - aber vielleicht besser als eine Mutter, die ständig mit ihrem Schicksal hadert und dafür ihrem Kind die Schuld gibt. Davon gibt es schon genug (solche Eltern und Kinder, die darunter zu leiden haben) und häufig haben sie ihr Leben lang ein schweres Päckchen zu tragen.
Dass sie Kaspar ihr Geheimnis nicht anvertraut hatte, war wohl ihr größter Fehler. So sehr wie er sie liebte, hätte er sie sicherlich auch mit Kind geliebt. Wenn die Menschen nur mehr miteinander reden würden ...
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Essen
Wir bleiben im 2. LA fast vollständig in der Perspektive von Birgit, deren Geschichte sich und Kaspar hier erschließt, nachdem er durch seine zurückhaltende Haltung zu Birgit ein Leben lang an dieser Geschichte vorbeigeschlittert ist. Schon krass, oder? Birgits Geschichte bleibt mir aber ein wenig zu unplausibel. Konnte Kaspar ihre Schwangerschaft beim Kennenlernen übersehen? Konnte sie die hohe Schwangerschaft und die Geburt in der Waldhütte so ausleben? Waren danach alle Spuren unsichtbar? Mir ging das Ganze ein bisschen zu schnell und zu einfach. Ähnlich verhält es sich mit der Flucht.
Also: bei mir bleiben ein paar Fragezeichen nach diesem Abschnitt. Aber insgesamt baut sich da ein vielversprechendes inhaltliches Konstrukt auf. es kann weitergehen. Also: hinein in LA3!
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Nun ist es Birgits Sichtweise der Geschichte, die den Leseabschnitt ausmacht.
Finde ich Birigt sympathisch? Nein, nicht unbedingt, aber ich kann vieles nachvollziehen. Der tote Vater, der wie ein Schatten auf ihr liegt, die Großmutter, die Mutter - sie fühlt sich nicht geborgen in ihrer Familie und nach dem Verrat von Leo auch nicht mehr in der Gesellschaft. Hat Leo das wirklich alles geplant um sich und seiner Frau zu einem Kind zu verhelfen. Birgit nimmt es an, sie sagt ja, er hätte sie zu einer Gebärmaschine gemacht.

Sie bringt ihr Kind zu Welt und überlässt es ihrer Freundin das Baby wegzubringen. Schon plant sie schnell ihre Fitness wieder zu erlangen um Kaspar zu täuschen. Und diese Täuschung wird zur Leerstelle in ihrem Leben.
Sie war ja noch so jung, aber hier wird ihre Zerrissenheit schon deutlich, auch der Hang mit dem Alkohol der Realität zu entfliehen.

Aber wie konnte Kaspar das alles ausklammern? Hat er sich nie Fragen gestellt? Er scheint mir wie eine Randfigur in Birgits Leben. Sie war froh, dass er Verständnis hatte, hätte sich aber doch mehr Leidenschaft gewünscht.

Es ist eine sprachlose Beziehung zwischen beiden und erst der Text aus dem Nachlass erschließt Konrad Birgits Leben.

Mir gefielen Birgits Gedanken als sie im Westen angekommen ist. Sie erfuhr an ihrer Person genau das, was nach der Wende ein ganzes Volk erfahren musste.
 

Bibliomarie

Bekanntes Mitglied
10. September 2015
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Insgesamt halte ich Birgit für eine ambivalente Figur, was mir ganz gut gefällt. Denn der Umgang mit ihrer neugeborenen Tochter ist ehrlich gesagt richtig richtig schlimm. Und trotzdem habe ich gewisse Sympathien für sie verspürt.
Sie war ja noch sehr jung und unreif, das muss ich mir immer vor Augen halten, wenn ich ihre Handlungen betrachte.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Birgit nimmt es an, sie sagt ja, er hätte sie zu einer Gebärmaschine gemacht.
Ich finde, sie macht es sich immer sehr leicht mit ihren Erklärungen
Täuschung wird zur Leerstelle in ihrem Leben.
So sehe ich das auch.
Es ist von Anfang an ein Ungleichgewicht in der Beziehung. Kaspar würde alles tun für sie, war sogar bereit, in den Osten zu ziehen. Umgekehrt spüre ich nicht viel Liebe bei Birgit. Es ist auch nicht die große Leidenschaft. Kaspar scheint auf diesem Gebiet noch ein Anfänger zu sein. Erst als Birgit ihn unterweist, wird der Sex zwischen ihnen besser.
Es ist eine sprachlose Beziehung zwischen beiden und erst der Text aus dem Nachlass erschließt Konrad Birgits Leben.
Erschreckend, wenn man erst im Nachhinein erfährt, was der andere für ein Mensch war. Da wird doch alles in Frage gestellt.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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“ Das Leben war anderswo.“ ( S. 76) Ich glaube, es waren nicht so sehr politische Beweggründe, warum Birgit aus dem Land herauswollte. Sie war lebenshungrig und das Leben fand woanders statt.
“Ich wollte nicht warten, ich wollte leben. Ich wollte nicht das bisschen Land zwischen Erzgebirge und Ostsee. Ich wollte die Welt.“ ( S. 81)
Ich habe genau diese beiden Zitate auch herausgeschrieben. Sie erklären wenigstens ansatzweise, Birgits Entscheidung gegen die DDR und auch gegen ihr Kind. Letzteres ist sehr schwer nachvollziehbar und die Gedanken über ihre Tochter, ob sie sie suchen soll, hat sie zeitlebens beschäftigt.
Sie war froh, dass er Verständnis hatte, hätte sich aber doch mehr Leidenschaft gewünscht.
Ich glaube sein grenzenlosen Verständnis hat ihn blind gemacht für Birgits „Risse“. Er hat es als Teil ihrer selbst angenommen, genau wie ihre Alkoholsucht.
Da wird doch alles in Frage gestellt.
Der arme Kaspar. Wie muss er sich fühlen, wenn er diese Birgits Lebensbeichte liest?
 

Circlestones Books Blog

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28. Oktober 2018
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Wienerin auf Rügen
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Birgit hat schon vor ihrer Flucht die Entscheidung getroffen, dass ihre Tochter nicht Teil ihres weiteren Lebens sein würde. Wäre die Flucht mit einem Baby auch geglückt, vielleicht nicht sofort, aber einige Monate später? Eines der Vielleicht, für die es keine Antwort gibt. Kaspar hätte, so wie er geschildert wird, auch Birgit und das Kind in sein Leben gelassen. Was Birgit wohl damals nicht wissen konnte, woher auch, ist die Tatsache, dass ihr ganzes Leben ab diesem Moment von Schuldgefühlen belastet wurde. Sicher gab es glückliche, zufriedene Tage, aber das Wissen um ihre Tochter war immer präsent. Hätte sie anders gehandelt, hätte sie dies geahnt, auch das ein Vielleicht, ich denke sogar, vermutlich. Mich interessiert bei Büchern meistens an erster Stelle die Geschichte, die der Autor, Autorin mir erzählen will, bei Bernhard Schlink ist es immer umgekehrt, hier sind es die Figuren, welche die gesamte Geschichte tragen und viele Themen zum Nachdenken geben.
 

wal.li

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1. Mai 2014
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Ich habe mich mit diesem Abschnitt etwas schwer getan. Texte im Text liegen mir nicht so. Trotzdem fand ich es als Ansatz interessant, auf diese Art auch Birgits Sicht kennenzulernen.
Dass Birgit ihr Kind einfach so aufgegeben hat, konnte ich nicht so gut verstehen. Wenn sie das Kind schon nicht selbst großziehen möchte, wäre es dann nicht doch besser beim Vater aufgehoben gewesen? Dann hätte es eine Art Familie gehabt. Und Birgit hätte grundsätzlich gewusst, wo ihre Tochter ist.
So kann sie nur hoffen, dass ihre Freundin gute Ersatzeltern gefunden hat.
Logisch, dass Birgits Leben davon geprägt wird. Es ist eine Entscheidung, die man nicht treffen müssen möchte. Egal wie, man fragt sich immer, was wäre gewesen, wenn ich mich anders entschieden hätte. Dass Birgit schon so früh angefangen hat, zu trinken, gefällt mir nicht so.
Ich versuche mich auch in Kaspar hineinzuversetzen. Bestimmt ist es schwierig, einen Menschen nach dessen Tod nochmal ganz anders kennenzulernen.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Birgit haderte sehr oft mit ihrem Leben wie mir scheint. Obwohl sie in Kaspar einen tollen Mann hat, erdrückt die Last. Auch wenn es ihre eigene Entscheidung war, dass Kind abzugeben, hat es sie beschäftigt.
Ihre Überlegungen, was geschehen wäre, wenn sie nicht geflohen wäre, fand ich interessant, auch wenn man weiß, dass es nichts bringt. Man sollte im hier und jetzt leben.
Der Abschnitt war flüssig zu lesen, aber irgendwie leide ich mit Kaspar mehr mit, so dass ich den ersten Abschnitt lieber gelesen habe. Birgit hat viele Eigenschaften und Ansichten die ich nicht nachvollziehen kann, das ärgert mich manchmal. Sie hätte nur von Anfang an ehrlich sein müssen, und ihr Leben wäre auf einem soliden Gerüst aufgebaut gewesen, mit einem verständnisvollen Mann an ihrer Seite
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Nicht ganz verstanden habe ich Birgits Abwendung von der DDR hin zu den Fluchtplänen. Denn offenbar ist dafür ja nicht nur Kaspar der Grund. Und auch Leo ist es nicht allein. Es ist also eine Mischung aus vielen verschiedenen Dingen, die mir allerdings ein bisschen zu schnell ging. Von der überzeugten Diskutantin hin zur freiheitsliebenden Flüchtigen war mir der Schritt zu groß.
Erklärt wird das auf Seite 76: "Ich brauchte den Glauben an die neue Zeit auch nicht mehr als Fluchtort mit Todesvater, Großmutter, Mutter und Schwestern. Ich fand den Fluchtort anderswo. Das Leben war anderswo."
Ich gebe dir trotzdem recht.

P.S. Sorry, @RuLeka, ich habe erst später gesehen, dass du das auch geschrieben hattest.
 
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Reaktionen: Christian1977

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Birgits Abschnitt ist so ganz anders als der über Kaspar, finde ich gut gemacht.
Jein. Ich hatte irgendwie nie das Gefühl, dass hier eine Frau spricht. Aber anscheinend ging es nur mir so.

Sie war ja noch sehr jung und unreif, das muss ich mir immer vor Augen halten, wenn ich ihre Handlungen betrachte.
Aber sie handelt ganz schon abgeklärt. Und für das Kind wäre es bestimmt sicherer gewesen, bei Leo und seiner Frau aufzuwachsen.


Was mir in diesem Abschnitt am besten gefallen hat, war die Beschreibung, wie es Birgit nach der Ankunft im Westen ergeht, bei den Behörden und an der Uni. Es ist zum Schämen.

Mir war die Geschichte mit der Selbstfindung in Indien zu viel. Und Kaspar ist so gutmütig, das ist schon kaum noch zu glauben.

Wenn ich nachrechne, so müssten die beiden Jungbuchhändler ihre Buchhandlung etwa 1970 gegründet haben. Sie fürchten sich vor der Konkurrenz durch eine Filiale einer Kette. Das halte ich für einen sachlichen Fehler, die großen Ketten (Hugendubel, Weltbild, Thalia) gab es erst viel später. Welche Kette hätte das zu dieser Zeit sein sollen?
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Was mir in diesem Abschnitt am besten gefallen hat, war die Beschreibung, wie es Birgit nach der Ankunft im Westen ergeht, bei den Behörden und an der Uni. Es ist zum Schämen.
Auch die Parallelen zu den DDR- Bürgern nach der Wende.
Mir war die Geschichte mit der Selbstfindung in Indien zu viel. Und Kaspar ist so gutmütig, das ist schon kaum noch zu glauben.
Mir auch. Die beiden betreiben gemeinsam eine Buchhandlung und Birgit braucht ihre Auszeiten. Es ist ja nicht nur Indien, dann die verschiedenen Ausbildungen. Ruhelos, ohne anzukommen. Und Kaspar akzeptiert alles widerspruchslos. Ist er so ein verständnisvoller Mann oder hat er Angst, sie ansonsten zu verlieren?
Welche Kette hätte das zu dieser Zeit sein sollen?
Da hätte Schlink mal bei Buchhändlern nachfragen müssen.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Mich hat in diesem Abschnitt entsetzt wie lange Birgit bereits regelmäßig Alkohol trinkt. Ihre Lektüre zu Doktor Faustus liest sie abwechselnd mit Wodka und Orangensaft, und schläft zwischendurc, hat dabei das Gefühl, alles so intensiver aufzunehmen. Gut, dass wir ohne solche Stimulanzien auskommen……
Ob Kaspar wirklich nie etwas mitbekommen hat?
 
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