2. Leseabschnitt: "Eine Geschichte vom Feuer und..." bis "Die verlorene Welt..." (ab S. 92)

Literaturhexle

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2. Leseabschnitt: "Eine Geschichte vom Feuer und..." bis "Die verlorene Welt..." (ab Seite 92)
 

petraellen

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Bisher gefällt mir das Buch sehr gut. Es gibt eine Sicht auf die Entstehungsgeschichte der Bücher beginnend in Alexandria. Aber es kristallisiert sich jetzt schon heraus, dass es keine einfache Diskussion wird. Es geht sehr in die geschichtliche Tiefe, was auch so sein soll. Abwechselnd werden Geschichten aus der Vergangenheit mit ausführlichen Kommentaren der Autorin berichtet. Was soll man jetzt diskutieren? Geschichte ist Geschichte. Der Aufbau des Buches ist bisher gut. Die Autorin geht chronologisch vor. Wir tauchen ein in Welt als Bücher noch mit der Hand geschrieben wurden. Als Bücher noch kostbar waren, weil eine Kopie nicht mit "copy und paste" gemacht wurde, sondern jemand es abschrieb zu einer immensen Summe. Marcus Antonius legte Kleopatra 200 000 Bände für die Große Bibliothek zu Füßen, was sie aber nur gelangweilt zur Kenntnis nahm. "In Alexandria waren Bücher Treibstoff für Leidenschaften" S. 29
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Mein "ich weiß nicht" ist verflogen! G.s.D.

Vielleicht liegts am Wetter, oder am Willen, nichts zu wollen, dass ich jetzt wesentlich besser mit Vallejos Text umgehen kann. Die bunten Marker haben jedenfalls im zweiten Abschnitt feierlich Einzug gehalten.

Vallejos Irritationen in Oxford und die Erkenntnis, dass Carrolls Alice im Wunderland "blanker literarischer Realismus" ist.... herrlich.
Oder die Stadt, unter der Stadt, die mich persönlich ja eher an Buchhaim in Zamonien erinnert (aber Vallejo kennt bestimmt den Moers nicht - Moers aber Oxford?).
Und mein "Wiedersehen" mit Herrn Schampus. Gemeint ist natürlich Champollion und seine Bemühungen um den Rosettastein. Er ist quasi seit meinem Besuch in einer Sonderaustellung um die Entstehung der Sprachen am Ägyptischen Museum in Berlin der Initialzünder für mein Interesse an Sprachwissenschaften.
Dann meine Entdeckung der "Namensgleichheit" von Pergamon (ja, auch das Pergamon-Museum besuchte ich schon) und Pergament.... never thougt about that!
Was natürlich gleich zu den Tattoos führt.
Die Sinnhaftigkeit des Auswendiglernens und die Hilfe des Reims, der Musik!

Ich musste schmunzeln und an @kingofmusic denken, der sich intensiv mit "his Bobness" beschäftigt, als Vallejo ihn explizit erwähnte.

Mit anderen Worten, ich bin im flow und möchte jetzt nicht gestört werden.;):reader5
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Es ist wahnsinnig viel, was die Autorin recherchieren musste, um uns diese Fülle bieten zu können. Einiges kennt man, wie die Nutzung der Tontafeln, doch sie zaubert immer wieder Wissen aus dem Hut, was ich so noch nicht kannte. Ich habe allerdings erst die Hälfte dieses Abschnitts gelesen, es ist nämlich doch sehr zeitintensiv. Ich hätte im Leben. Ich hätte nie gedacht, dass es überhaupt so viel über Papyrus, Bücher und allem was damit einhergeht, zu wissen gibt.
 

petraellen

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Auf die Idee, dass man es so deuten kann, dass Menschen auf ihre Haut schreiben wie man es auf Papier tut, bin ich vorher gar nicht gekommen. Ich habe es eher als Schmuck betrachtet.
Laut Aufzeichnungen der alten Griechen oder Römer wurden Tattoos zur Unterteilung der Gesellschaft genutzt. So kennzeichneten die Römer ihre Legionäre und Griechen ihre Sklaven. Allerdings haben Tattoos zu dieser Zeit keinen vollkommen schlechten Ruf. Sie dienten auch als Trophäe für diejenigen die die Kreuzzüge überlebten und sollten immer an den Sieg erinnern.

Innerhalb der höheren Schichten waren sie nicht angesehen und wurden mit Ausgrenzung gestraft. Dies trug vor allem durch den Christentum, zur Wandlung des negativen Images von Tattoos bei.
 

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Dieses Buch ist einfach nur großartig, und es steckt soo wahnsinnig viel darin!
Es geht unter anderem um den Gedanken der Bibliothek als Heilungsort der Seele, die Fragilität des Papyrus, den Körper als Medium für Geschichten, die Entstehung erster Formen von vergleichender Literaturwissenschaft und Literaturkritik sowie auch die Enstehung der Lyrik. Und es geht um soviel mehr - auch um die Kraft des Vorlesens und dessen Effekte.
Mich fasziniert, wie umsichtig die Autorin mit diesem komplexen Thematiken umgeht und dssen Entwicklungen in der Geschichte nachzeichnet. Nie habe ich etwas Vergleichbares gelesen.

Eine Lieblingsstelle, die vielleicht vielen Literaturliebhabern gefallen wird - zumindest, wenn sie mit einem gewissen Augenzwinkern gelesen wird:
S. 94 "Wer Bücher stiehlt oder ausgeliehene Bücher zurückbehält, in dessen Hand soll sich das Buch in eine reißende Schlange verwandeln. Der Schlagfluss soll ihn treffen und all seine Glieder lähmen. LAut schreiend soll er um Gnade winseln und seine Qualen sollen nicht gelindert werden, bis er in Verwesung übergeht. Bücherwürmer sollen in seinen Eingeweiden nagen wie der Totenwurm, der niemals stirbt. Und wenn er die letzte Strafe antritt, soll ihn das Höllenfeuer verzehren auf immer."

Sehr interessant fand ich die diversen Möglichkeiten, um Geschriebenes vor dem Verfall und dem Vergessen zu schützen, denn Papyrus war insbesondere durch Witterungen und Ungeziefer permanent vom Verfall bedroht. Eine Option war die Nutzbarmachung von Häuten, menschlichen und tierischen, zur Nutzbarmachung für Schriften.

Aufschlussreich auch die Kritik am Werk der Kopisten. Wegen der ständigen Verlustgefahr des Papyrus, mussten Schriften kopiert werden. Hier schlichen sich bei den Abschriften Fehler und eigenmächtige Korrekturen ein, so dass im Endeffekt zu einer Quelle zahlreiche neue Quellen entstanden, die sich ggfs. auch deutlich unterscheiden konnten. Wenn man so will entstand als Konsequenz eine Art Vorform der vergleichenden Literaturwissenschaften wie auch der Literaturkritik.

Als Kulturwissenschaftlerin interessierten mich auch sehr die Gleichsetzung von Schriftkultur mit Entwicklung, die die Autorin ebenfalls thematisiert. Um nicht vergessen zu werden, waren orale Kulturen umso mehr auf eine eingängige Sprache angewiesen: Rhythmizität hat hier die Funktion, sich besser in das Gedächtnis einzuschreiben. Die Autorin betrachtet diese oralen Erzähltraditionen von daher auch als Vorbote bzw. wichtigen Meilenstein in der Entwicklung der Lyrik. Kennzeichnend dafür sei erine Lust am Rhythmus im Dienste der kulturellen Kontinuität.

Es steckt so viel Lehrreiches in dem Buch, ich bin gespannt, was ich im nächsten Abschnitt dazu lernen werde...
 

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Laut Aufzeichnungen der alten Griechen oder Römer wurden Tattoos zur Unterteilung der Gesellschaft genutzt. So kennzeichneten die Römer ihre Legionäre und Griechen ihre Sklaven. Allerdings haben Tattoos zu dieser Zeit keinen vollkommen schlechten Ruf. Sie dienten auch als Trophäe für diejenigen die die Kreuzzüge überlebten und sollten immer an den Sieg erinnern.

Innerhalb der höheren Schichten waren sie nicht angesehen und wurden mit Ausgrenzung gestraft. Dies trug vor allem durch den Christentum, zur Wandlung des negativen Images von Tattoos bei.
Heute zumindest sind Tattoos generell auch als Identitätsmarker anerkannt. Viele wählen für besondere Ereignisse im Leben, für die Wichtigkeit von Bestimmten Personen ein neues Tattoo. Der Körper wird so zu einrem Kunstwerk, das ein Leben erzählt. Auch hier schlägt die Autorin wieder sehr gekonnt einen großen Bogen von früher zu heute.
 

petraellen

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Heute zumindest sind Tattoos generell auch als Identitätsmarker anerkannt. Viele wählen für besondere Ereignisse im Leben, für die Wichtigkeit von Bestimmten Personen ein neues Tattoo. Der Körper wird so zu einrem Kunstwerk, das ein Leben erzählt. Auch hier schlägt die Autorin wieder sehr gekonnt einen großen Bogen von früher zu heute.
Naja, diese positive Konnotation ist heute weit verbreitet. So gelten Tattoss als Ausdruck für Freiheit für Rebellion und eine positive Hervorhebung der eigenen Individualität. Das leicht verruchte, aber positive Image vom Abenteurer und Draufgänger steht nicht mehr im Vordergrund. Sicherlich gelten Tattoos mittlerweile als ästhetisch bis hin zum Kunstwerk. Aber das ist Geschmackssache.
 

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Naja, diese positive Konnotation ist heute weit verbreitet. So gelten Tattoss als Ausdruck für Freiheit für Rebellion und eine positive Hervorhebung der eigenen Individualität. Das leicht verruchte, aber positive Image vom Abenteurer und Draufgänger steht nicht mehr im Vordergrund. Sicherlich gelten Tattoos mittlerweile als ästhetisch bis hin zum Kunstwerk. Aber das ist Geschmackssache.
Geschmackssache ja- jeder wählt für sich selbst, wie und welche Weise er / sie der Identität Ausdruck verleihen möchte.
Aber dennoch kann ich die Sichtweise sehr gut nachvollziehen. :)
 

Literaturhexle

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Dieses Buch ist einfach nur großartig, und es steckt soo wahnsinnig viel darin!

Mich fasziniert, wie umsichtig die Autorin mit diesem komplexen Thematiken umgeht und dssen Entwicklungen in der Geschichte nachzeichnet. Nie habe ich etwas Vergleichbares gelesen.
Danke, Lesehorizont, für deine Eindrücke und das wunderbare Zitat! Ich bin sehr froh, dass es entgegen dem Eingangspost doch viele Stellen zu geben scheint, über die sich ein Austausch lohnt!
Ich verfolge eure Beiträge höchst interessiert:).
 

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Danke, Lesehorizont, für deine Eindrücke und das wunderbare Zitat! Ich bin sehr froh, dass es entgegen dem Eingangspost doch viele Stellen zu geben scheint, über die sich ein Austausch lohnt!
Ich verfolge eure Beiträge höchst interessiert:).
Das Buch ist eine wahre Fundgrube. Bislang würde ich jedem Literaturliebhaber empfehlen. :)
 

Wandablue

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"Deshalb halte ich Tatoos für Überbleibsel magischen Denkens."
Das gefällt mir. Kluger Gedanke. Der Mensch ist eh, ob er es hören will oder nicht, zutiefst abergläubisch. Selbst die sogenannten aufgeklärten Menschen.

Diesen LA fand ich viel leichter zu lesen, aber die Gedanken der Autorin selber sind wie die Schirme von Pusteblume! Hierhin dorthin, natürlich immer in einem Kontext, aber dennoch. Ein richtiges Sachbuch ist das nicht.

Den "Rosettastein" kannte ich nicht. Wunderbare Erinnerung daran, wie man verlorene Sprachen wieder zurückholen konnte, einfach durch die Eigennamen der Könige und dadurch, dass manche Texte hintereinander in verschiedenen Sprachen "gemeißelt" waren. (Aber auch sonderbar, welchen Dingen sich manche Menschen ein Leben lang mit Hingabe widmen).
Wir wandern von den Tontafeln zum Pergament. Wobei mir wirklich graut. Diese typisch menschliche Grausamkeit gegenü Tieren muss aufhören, vllt erst im kleinen, dann im großen, aber solange der Mensch so weitermacht, hat er das Lager der Barbaren nicht verlassen. Und wenn er den Mond besiedelte.
Der Hellenismus ist die erste Art von Globalisierung gewesen. Hm. Interessanter Gedanke. Habe ich so auch noch nie gehört.
Um dazuzugehören, haben sich die griechischen "Tugenden" verbreitet:
- die Sprache natürlich (dabei ist griechisch sauschwer /nur für die Griechen nicht), - das Theater (na ja, wer geht heute noch ins Theater), - das Gymnasion (eine Ausbildungsstätte für Kulturelles, aber auch für Physisches), - das Symposion (Saufen), - Kenntnis des Homer.
An der Odysee lernte man Lesen und Schreiben.
Selbst wir kennen noch Odysseus und sei es nur durch die Sagen des Altertums. Wo ich sie herhabe.
Von der Großen Bibliothek in Alexandria und der etwas unbekannteren Bibliothek Riccardiana in Florenz, wo die Autorin einen einjährigen Aufenthalt hatte, springen wir munter nach Oxford und aus dem 14. Jahrhundert stammende Folianten und und und wieder zurück nach Griechenland, den singenden Barden, von der fließenden, schmiegsamen Erzählung und Lyrik zum durch das Alphabet erstarrten Wort. Uff. Sprach der Indianer.
Von der oralen Textwiedergabe gehts dann zum abendlichen Vorlesen durch Muttern. Uffz. spach der Indianer.
Der Text ist jetzt - wenn das geht - noch fließender, aber er zerfleddert mir auch ein bisschen. Emsi hat den roten Faden erwischt, während er mir jetzt wegfluppte.
 
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Wandablue

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Die Sinnhaftigkeit des Auswendiglernens und die Hilfe des Reims
Unser Gedächtnis wird wohl immer schlechter, weil wir nicht mehr zum Auswendiglernen angehalten werden. Kürzlich habe ich meinen Göttergatten gefragt, als wir die Rosen zurückbanden und beide schlimm zerstochen wurden - ob er nicht das Lied vom Heideröslein kenne, denn Göttergatte hat sich furchtbar beklagt über die stechenden Röslein! - und er kannte es NICHT. Kulturgut geht verloren! Na ja gut, ich kann ihm einen Link schicken. Konnte man früher nicht. Da wars weg, wenn es weg war.
Kennt ihr die Sendung "Das war dann mal weg"?
Antwortet auch mal auf meine Fragen. Im vorigen Abschnitt frug ich euch, ob ihr bestimmte Romane kennt, die der Autorin wichtig gewesen sind in ihrem Leben.
 

Wandablue

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Ich musste schmunzeln und an @kingofmusic denken, der sich intensiv mit "his Bobness" beschäftigt, als Vallejo ihn explizit erwähnte.
Also den Bob. Ja, sie machte sich lustig darüber, wie die einen und die anderen darauf reagierten, dass er den Nobelpreis bekommen hat. Ich gehöre zu der Fraktion, die die Verleihung gleich des Literaturnobel für maßlos übertrieben halten.
 

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Unser Gedächtnis wird wohl immer schlechter, weil wir nicht mehr zum Auswendiglernen angehalten werden. Kürzlich habe ich meinen Göttergatten gefragt, als wir die Rosen zurückbanden und beide schlimm zerstochen wurden - ob er nicht das Lied vom Heideröslein kenne, denn Göttergatte hat sich furchtbar beklagt über die stechenden Röslein! - und er kannte es NICHT. Kulturgut geht verloren! Na ja gut, ich kann ihm einen Link schicken. Konnte man früher nicht. Da wars weg, wenn es weg war.
Kennt ihr die Sendung "Das war dann mal weg"?
Bei uns war das damals noch gang und gäbe. Ich kann jetzt noch Passagen von in der Grundschule erlernten Gedichten.
Ich finde es auch sehr schade, dass in dieser Hinsicht so viel verloren geht. Gilt, glaube ich, auch für Volkslieder.
Und die klassischen Kunderbücher verlieren wohl leider auch an Bedeutung. Schade!
Nein, die Sendung kenne ich nicht. Habe aber auch keinen Fernseher ... :)