2. Leseabschnitt: Drittes bis Viertes Kapitel (S. 60 bis 120)

milkysilvermoon

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Hm, ob die ganzen amourösen Verwirrungen wirklich so stattgefunden haben? Sind solche privaten Ereignisse irgendwo niedergelegt? Manches mag in Briefen geschrieben stehen, in Tagebüchern? Mich hat das ganze voreheliche Gebahren jetzt wirklich nicht so interessiert. Auch dass der Kollege von der Feuerversicherung kommt, um sich zu offenbaren und Thomas zu verführen... seltsam - aber natürlich nicht unmöglich.

Eine Frage, die mich beschäftigt: Warum hat Katia Pringsheim, eine Frau aus bester Familie, Thomas Mann geheiratet, über den zumindest Gerüchte in Bezug auf seine Knabenliebe im Umlauf sein müssten oder aber ihr Bruder Klaus sie weitergetragen haben müsste... Er würde doch seine Schwester nicht ins offene Messer laufen lassen?

Mir sind diese Passagen auch zu dominant. Mann hatte unbestritten homosexuelle Neigungen, aber viele Literaturwissenschaftler sind sich einig, dass er sie nicht oder nur kaum ausgelebt hat. Insofern finde ich den Umfang solcher Begegnungen, wie sie hier zu finden sind, übertrieben. Das waren wohl Wunschdenken des Autors und dessen spezielle Lesart. Besonders der abendliche Überraschungsbesuch war mir zu viel.

Ich denke, dass Mann so diskret war, dass er eben nicht deswegen Stadtgespräch war. Hier im Roman tut Toibin so, als ob Klaus etwas ahnte, aber ob das wirklich so war? Ich bin nicht sicher, ob Katia vor ihm gewarnt wurde.

Die Kinderschar beweist, dass Thomas Mann durchaus auch heterosexuelle Empfindungen haben muss. Es ist zumindest fair, dass der Autor das auch in der Hochzeitsnacht deutlich macht.

Ja, eine Stelle, die seine angeblichen sexuellen Eskapaden etwas relativiert. Trotzdem bleibt natürlich der Eindruck, dass Thomas Mann eigentlich nur(!) auf Männer stand. Das würde ich in Zweifel stellen.
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Die Kinderschar beweist, dass Thomas Mann durchaus auch heterosexuelle Empfindungen haben muss. Es ist zumindest fair, dass der Autor das auch in der Hochzeitsnacht deutlich macht.
Bei der Szene kam mir der Gedanke, da er beim ersten Mal auch ihre tiefe Stimme erwähnte, dass er bei ihr gedanklich auch an einen Mann denken kann, und es ihm so leicht fällt diese Beziehung zu führen. Außerdem war er ja auch nicht dumm, er wusste das eine Beziehung mit einem Mann allerhöchstens im geheimen hätte stattfinden können
 

Sassenach123

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Eine Auswirkung hat dieses Buch schon jetzt auf mich: ich habe die Buddenbrooks aus meinem Klassiker-Regal geholt und für das nochmalige Lesen in absehbarer Zeit bereitgelegt und den Zauberberg gekauft, den ich bisher nicht lesen wollte.
Geht mir ähnlich, nur mit dem Unterschied, dass ich bisher noch nichts von ihm kenne.
 

Sassenach123

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Mich erstaunt, wie früh die Buddenbrooks erschienen sind und geschrieben worden sind und wie schnell Thomas Mann Anerkennung und Erfolg hatte, auch finanziell. Er kaufte sich ein Haus in Tölz. Na ja, obwohl. Die Familie im Hintergrund!
Wäre er ein bürgerlicher Mann gewesen, hätte er diese Laufbahn sicher nicht genossen. Wer kann es sich schon leisten vorzeitig aus der Schule genommen zu werden, um dann mit dem Bruder in Italien zu schreiben?
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Bei der Szene kam mir der Gedanke, da er beim ersten Mal auch ihre tiefe Stimme erwähnte,
Ja. Das meine ich. Auch ihr knabenhafter, fester Körper wird erwähnt. Diese Dinge sind für mein Gefühl vom Autor Toibin hineininterpretiert worden. Wenn Mann diese privaten Gedanken irgendwo niedergelegt hätte, wären sie für seine Frau doch höchst kompromittierend gewesen...
Toibin will uns eine weniger bekannte Seite Thomas Manns zeigen und weist stetig auf dessen Homosexualität hin. Ich habe es jetzt verstanden, die Hinweise sind zahlreich. BRAUCHEN tue ich sie nicht. Wie gesagt, für mich ist wie auch immer geartete Sexualität etwas Privates.
 

Sassenach123

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Die Arbeitsweise Manns wird angedeutet, er hat sehr diszipliniert Schreibzeiten eingehalten.
Stimmt, eine halbe Stunde schreiben und dann 10 Minuten ins Bett. Wenn man das konsequent durchführt, kann man schon was schaffen. Er scheint, wenn er sich erstmal für eine Idee begeistern konnte, keinerlei Probleme wie Schreibblockaden gehabt zu haben, zumindest sieht es so aus. Hut ab!
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ich lese den Roman nach wie vor gerne, auch wenn ich die Schwerpunktsetzung nicht immer ganz gelungen finde. Gerade im vierten Kapitel wird ein längerer Zeitraum sehr gestrafft erzählt. Schwuppdiwupp kommen gleich vier Kinder zur Welt. Das war mir zu schnell.
 
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Sassenach123

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Ich lese das Buch sehr gern, und bin auch ein wenig überrascht wie schnell ich mich mit der Handlung verbunden fühle. Ich schiebe das auf den angenehmen Schreibstil des Autors. Thomas Mann wird zu einer Person, die ich nun besser greifen kann. Im Gegensatz zu vorher, als ich nur Bruchstücke über ihn und seine Werke wusste
 

RuLeka

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Warum hat Katia Pringsheim, eine Frau aus bester Familie, Thomas Mann geheiratet, über den zumindest Gerüchte in Bezug auf seine Knabenliebe im Umlauf sein müssten oder aber ihr Bruder Klaus sie weitergetragen haben müsste... Er würde doch seine Schwester nicht ins offene Messer laufen lassen?
Ich habe dazu nochmals in das Buch von Inge und Walter Jens „ Frau Thomas Mann“ reingelesen. Thomas Mann war zu dieser Zeit schon eine Berühmtheit. Ein Schriftsteller galt etwas in der Familie Pringsheim, die stark an den Künsten interessiert war. Allerdings zögerte Katja lange, ob sie heiraten soll. Ein Nervenarzt sprach von einer typischen „ Entschließungsangst“ . Doch Katja wollte eine Familie und hielt Thomas für den richtigen Bewerber. Außerdem hat ihr ihr Zwillingsbruder „ innig zugeredet, all ihre Zweifel und Widerstände zu überwinden.“

Ich glaube nicht, dass wirklich Gerüchte über Thomas Mann im Umlauf waren. Wer etwas in dieser Richtung vermutet hat, war wahrscheinlich selbst homosexuell und hat deshalb den Mund gehalten.
 
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Die Häsin

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Ich habe mich ein bisschen gewundert, dass Frau Katia ihre eigenen beruflichen Ambitionen so schnell drangegeben hat. Hat sie nicht Mathe studiert? Davon ist gar nicht mehr die Rede, zack sind vier Kinder da.
Bei einer so intelligenten und eigenwilligen Frau hätte ich erwartet, dass das Thema zumindest mal zur Sprache kommt.
 

RuLeka

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Ich habe mich ein bisschen gewundert, dass Frau Katia ihre eigenen beruflichen Ambitionen so schnell drangegeben hat. Hat sie nicht Mathe studiert? Davon ist gar nicht mehr die Rede, zack sind vier Kinder da.
Bei einer so intelligenten und eigenwilligen Frau hätte ich erwartet, dass das Thema zumindest mal zur Sprache kommt.
Bei Inge und Walter Jens heißt es dazu: „ Nicht der Traum von einer Karriere als Wissenschaftlerin, sondern - das ist durch spätere Briefe belegt - die Vorstellung, eine Familie zu haben, bestimmte ihren Lebensentwurf.“
Wir dürfen nicht vergessen, dass das Ganze mehr als 100 Jahre zurückliegt. Beides, Karriere und Kinder, war damals überhaupt nicht zu realisieren.
 

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Bei Inge und Walter Jens heißt es dazu: „ Nicht der Traum von einer Karriere als Wissenschaftlerin, sondern - das ist durch spätere Briefe belegt - die Vorstellung, eine Familie zu haben, bestimmte ihren Lebensentwurf.“
Wir dürfen nicht vergessen, dass das Ganze mehr als 100 Jahre zurückliegt. Beides, Karriere und Kinder, war damals überhaupt nicht zu realisieren.
Ist ja auch heute noch schwer genug ...
Aber in Anbetracht dessen, dass der Papa seine Katia für die die Intelligenteste in der Familie hielt, ist es schon schade und ich hätte erwartet, dass zumindest mal drüber gesprochen wird. Aber vielleicht kommt ja noch was dazu. Bin gerade erst mit LA 2 fertig.
 
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kingofmusic

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Ich habe mich ein bisschen gewundert, dass Frau Katia ihre eigenen beruflichen Ambitionen so schnell drangegeben hat. Hat sie nicht Mathe studiert? Davon ist gar nicht mehr die Rede, zack sind vier Kinder da.
Bei einer so intelligenten und eigenwilligen Frau hätte ich erwartet, dass das Thema zumindest mal zur Sprache kommt.
Sie ist auch nur eine Frau ihrer Zeit gewesen.
 
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