2. Leseabschnitt: 2008 (Seite 57 - 94)

wal.li

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1. Mai 2014
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Liam hat es nicht ganz leicht. Ich glaube, er sucht Halt und einen Fixpunkt. Meena will, glaube ich, dass er sich selbst ein Fixpunkt ist, damit er das auch für andere sein kann. Sie möchte ihn auf Augenhöhe und nicht als Klammeraffen. Vielleicht ist ihr das Geigengeschenk auch deshalb zu viel.

Im Übrigen halte ich es auch für kaum möglich, dass ein Laie ein Instrument baut.
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Was für ein Leben! Liam ist ungewollt und ungeplant und seine Mutter lässt ihn das spüren. Vielleicht nicht einmal mit Absicht, aber sie geht in ihrer Hippie-Naturschützer-Weltanschauung so auf, dass nichts anderes mehr Platz hat.

Ich glaube, dass Liam immer Liebe sucht und dabei vielleicht auch klammert. Meena bekommt wohl Angst und sucht das Weite. Liam wünscht sie sich immer an seiner Seite - dass sie weiterhin reisen und auf Tourneen gehen will, kommt ihm gar nicht in den Sinn.

Wenn er arbeitet, geht er sogar über seine Grenzen. Was Holz angeht, scheint er mir fast ein Künstler zu sein, der seinen Werkstücken Leben einhauchen kann. Wie er die Maserung an zwei Brettern anordnet, dass sie wie ein aufgeschlagenes Buch erscheinen, hat mir sehr gefallen.

Aber er geht nicht gut mit sich und seinem Körper um, ein schrecklicher Unfall, der all diese Gedanken an seine Kindheit, seine Mutter und seine große Liebe wieder lebendig werden lässt. Aber kein Gedanke an seine Tochter, weiß er vielleicht gar nichts von ihr?

Er scheint sich die Wirbelsäule verletzt zu haben, seine Beine spürt er nicht mehr, seine Blase gehorcht ihm nicht, ob er allein in seinem Lieferwagen stirbt?

Liam umgibt eine Traurigkeit, die mich sehr angerührt hat.
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Sie hat ihn offensichtlich nicht so geliebt, wie er es gern gehabt hätte. Der arme Liam - beide geliebten Frauen halten ihn auf Distanz

Bei Meena habe ich das Gefühl, dass sie sich zu umklammert fühlte, das war ihr alles zu eng. Denn mit der Bratsche will er ja erreichen, dass sie nicht mehr auf Tournee gehen muss. Aber diese Zurückweisung war zuviel für ihn.
 
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Bibliomarie

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10. September 2015
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Das Geschenk war ihr anscheinend zu viel. Sie konnte vielleicht schon ermessen, wieviel Zeit,Geld und Arbeit in dem Instrument steckt. So viel Liebe, viel mehr, als sie ihm zurückgeben kann.

Ich könnte mir schon vorstellen, dass ihr das auch Angst machte. Er hat in der Beziehung wahrscheinlich viel mehr gesehen als sie. Das Ende des Instruments hat mir richtig weh getan.
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Liams Geschichte ist echt tragisch. Und sie scheint ja auch weitreichende Folgen für Jake zu haben. Sie wächst vaterlos auf, und vielleicht kommt bei ihr ja noch etwas von den Willow-Genen durch;)
Der Bau der Stradivari sollte ein großer Liebesbeweis sein, doch ich denke Meena hat es richtig gedeutet. Er wollte sie ganz für sich, ohne Konzerte und längere Aufenthalte woanders. Er konnte nicht verstehen, dass sie ihren Beruf gern hat, ihn nicht aufgeben will und ihn trotzdem liebt. Dies wundert mich bei seiner Kindheit allerdings auch nicht

Genau das denke ich auch, Liam hat so sehr geklammert, dass Meena Angst bekam.
 

MRO1975

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11. August 2018
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Bevor ich lese was ihr geschrieben habt:
Irgendetwas fehlt mir bei dem Buch. Es ist gut geschrieben. Keine Frage. Ich würde es auch Menschen empfehlen die nicht sehr viel aber gerne lesen und etwas über Natur, Umwelt, Familie lesen wollen. Aber da ist nicht viel Neues. Die Figuren wirken auf mich, als wären sie von Boyle oder Irving ausgeliehen ohne das völlig Skurrile mitzunehmen. Ich weiß schon das man das Rad nicht neu erfinden kann und genaugenommen alle Geschichten schon mal erzählt wurden. Ich kann mir gut vorstellen, wie es ist, wenn in einem eine Geschichte steckt, die raus will. Ich erlebe es gerade selber und meine Geschichte wird gerade mal ein bis zwei Seiten lang werden. :)

Ich finde ja auch die Idee mit der Baumscheibe und den Jahresringen nett. Aber ist das nicht sowas von naheliegend.
Deinen Eindruck teile ich. Das Buch ist schön geschrieben und geht gut voran, aber irgendwie fehlt etwas Würze. Und die Jahresringe mit Lebensjahren zu verbinden liegt etwas zu nahe. Trotzdem gefällt es mir bislang recht gut.
 

MRO1975

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11. August 2018
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So richtig verstanden habe ich den Anlass für die Trennung nicht: man hat schon gespürt, dass Liam gefühlsmäßig stärker involviert ist als Meena, der ihre Konzerte und Termine immer vorgehen. Aber warum bringt sie die selbst gebaute Bratsche so aus der Fassung?
Richtig nachvollziehbar fand ich den Anlass für die Trennung nicht. Meine Interpretation war, dass Liam Meena mit der Bratsche eine Verpflichtung auferlegen wollte, bei ihm zu bleiben - so ähnlich wir mit der Leihgabe der echten Stradivari der Verleiher bestimmte Erwartungen an den Künstler richtet und dieser sich in der Regel fügt. Evtl. hat Meena diesen Aspekt in dem „Geschenk“ gesehen, sich erpresst gefühlt und reißaus genommen. Selbst wenn, wäre das aber eher ein Grund zum Reden und nicht zum Weglaufen gewesen.

Mein Mann sagt oft, in einer Beziehung liebt immer einer mehr...
 

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Jetzt hat mich der Roman voll gepackt. Ein echter Pageturner.
Christie zeigt am Beispiel von Liam wunderbar eindrücklich und psychologisch stimmig, wie Arbeit als Ablenkung über den Mechanismus der Verdrängung vor psychischer Destabilisierung bewahrt.
Liam wird unfassbar gut seziert und glaubhaft geschildert. Seine Kindheit bei einer extremen Mutter, die ihm zu wenig Aufmerksamkeit, Interesse und liebevolle Zuwendung schenkte. Dann „sucht“ er sich eine ganz ähnliche Partnerin aus. Auf eine andere Art genauso extrem. Neu berufen Frauen kann er nie die erste Geige spielen. Flucht in die Sucht als Ersatzbefriedigung. Dann dieses bewundernswerte Ankämpfen dagegen. Allerdings fehlt leider die Aufarbeitung...
Mir gefällt dieses langsamer und intensive Kennenlernen der Figuren außerordentlich gut!
 

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Allerdings fand ich ihre Reaktion auf die selbstgebaute Bratsche ziemlich daneben
...auf den ersten Blick wirkt ihre Reaktion seltsam, aber ich verstehe, um was es ihr geht. Sie sieht die Bratsche als Handschliesse, die ihre Autonomie einengen wird. Sie ist ein Symbol seiner Abhängigkeit von ihr und seines Wunsches nach Symbiose. Er will die entbehrte Mutterliebe von Meena bekommen, will sie zum Hierbleiben „zwingen“... sein Wunsch ist natürlich auf den ersten Blick völlig nachvollziehbar, aber ich glaube, Meena spürt das Drängende und Dringende dahinter, das nur dann da ist, wenn man in seiner Kindheit große Defizite hatte...
 

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Aber warum bringt sie die selbst gebaute Bratsche so aus der Fassung? Schlechtes Gewissen?
Ich habe Yolande gerade geantwortet und kopiere es hier mal rein, denn ich glaube, dass es Drine Frage aufgreift...
...auf den ersten Blick wirkt Meenas Reaktion seltsam, aber ich verstehe, um was es ihr geht. Sie sieht die Bratsche als Handschliesse, die ihre Autonomie einengen wird. Das bringt sie als extreme und freiheitsliebende Person natürlich aus der Fassung. Die Bratsche ist ein Symbol von Liams Abhängigkeit von Meena und ein Symbol seines Wunsches nach Symbiose.
Er will die entbehrte Mutterliebe von Meena bekommen, will sie zum Hierbleiben „zwingen“... sein Wunsch ist natürlich auf den ersten Blick völlig nachvollziehbar, aber ich glaube, Meena spürt das Drängende und Dringende dahinter, das nur dann da ist, wenn man in seiner Kindheit große Defizite hatte...und das bringt die aus der Fassung. Das macht ihr Angst. Das treibt sie in die Flucht...
 

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sich jedes Jahr an Halloween als Baum verkleidet, um von der Mutter beachtet zu werden. Irgendwann gibt er auf, lehnt sich auf und verkleidet sich als Holzfäller. Ob Willow darauf reagiert hat?
Wunderbare Strategie. Vordergründig, um sie zu ärgern, in Wahrheit aber, um endlich von ihr wahrgenommen zu werden. Lieber missbilligende Zuwendung als gar keine Zuwendung. Welch‘ tragische und traurige Kindheit...
 

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Das Geschenk war ihr anscheinend zu viel. Sie konnte vielleicht schon ermessen, wieviel Zeit,Geld und Arbeit in dem Instrument steckt. So viel Liebe, viel mehr, als sie ihm zurückgeben kann.
Die Reaktion von beiden war hart. Es tat mir richtig weh, wie Liam danach mit der Bratsche umging.
Ein trauriges Leben, so viel Liebe, die keiner annehmen will. Kein Wunder, dass er sich so in seine Arbeit vergräbt.
... Meena spürt bei Liam ZU viel Liebe bzw. Abhängigkeit, Liebessehnsucht und Symbiosewunsch. Sie spürt das Drängende. Es geht nicht um die Bratsche an sich, sondern um das, was sie symbolisiert. Sie symbolisiert die unerfüllbare Forderung, den unerfüllbar intensiven Liebesewunsch, die Gefahr, eingeengt und erdrückt zu werden. Liam hat so ein großes Defizit, das niemand wirklich füllen KANN. Er hat eine wahrlich schwere Kindheit hinter sich. Durch Ablenkung (Arbeit) kann er diese Sehnsucht und dieses Defizit und so manch andere Erinnerung verdrängen... eine zeitlang klappt das...die Sucht lenkt auch ab und ist Ersatzbefriedigung.
 

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das ist zu viel des Guten, damit kommt Meena nicht zurecht.
... ich glaube nicht, dass es um ein zu viel des Guten geht, sondern um das Gegenteil... ich habe schon viel dazu geschrieben, deshalb gehe ich hier nicht nochmal drauf ein. Vielleicht magst du es ja in den anderen Kommentaren von mir nachlesen. Ich hoffe, du verstehst, was ich meine...
 

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da er klammert. Kein Wunder, dass M. die Flucht ergreift; sie scheint viel Wert auf ihre Unabhängigkeit zu legen
... genau so sehe ich es auch. Meena spürt dieses Klammern, dieses Drängende und Dringende. Sie spürt, dass er etwas möchte und braucht, das sie nicht geben kann und das macht ihr Angst und schlägt sie in die Flucht. Die Bratsche ist das Symbol der Bedrohung.
 

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Das Bauen beschreibt seine innige Verliebtheit.
... ich würde sagen „ungesunde emotionale Abhängigkeit“, nicht „gesunde Verliebtheit... die Abhängigkeit wird ja dann auch immer wieder umgeleitet auf Substanzen, die verfügbarer, greifbarer und zuverlässiger (?) sind als Menschen...