2. Leseabschnitt: 2008 (Seite 57 - 94)

Yolande

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13. Februar 2020
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Der zweite Abschnitt ist etwas kürzer gehalten und wir erfahren etwas über Jakes Vater Liam. Was für eine seltsame Kindheit. Immer mit der Hippie-Mutter unterwegs im VW-Bus, die Mutter mehr mit sich und ihrem Kampf gegen Umweltsünder beschäftigt.
Wie traurig, der Junge merkt, dass er im Prinzip nur ein Anhängsel ist. Er will geliebt werden, das merkt man dann auch in der Beziehung zu Meena. Allerdings fand ich ihre Reaktion auf die selbstgebaute Bratsche ziemlich daneben. Soviel Mühe und Arbeit und dann so eine abwehrende Reaktion. Sie hat ihn offensichtlich nicht so geliebt, wie er es gern gehabt hätte. Der arme Liam - beide geliebten Frauen halten ihn auf Distanz :(
 

Literaturhexle

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Wunderbar ist auch hier der Einstieg in den Abschnitt gelungen: Liam ist offenbar bei der Arbeit vom Gerüst gefallen und schwer verletzt. "Mit dem Schmerz stürzt ein Schwarm von Erinnerungen auf ihn ein wie Vögel, die im Astwerk des Verstandes nisten." (S.60)

Seine Mutter Willow ist Umweltaktivistin im fanatisch bis kriminellen Sinn. Ihren Sohn, der dadurch kaum andere Kontakte hat, schleift sie im VW Bus mit. Er hat permanent Angst, die Mutter zu verlieren, Angst vor dem Waisenhaus, falls sie eingesperrt wird. Willow ist ihrem Sohn gegenüber kalt, der wiederum alles tut, um es ihr Recht zu machen. Willow kommt aus reichem Hause (Holzunternehmer Harris Greenwood ist ihr Vater), bringt ihr Erbe allerdings in eine Stiftung ein.

Liam wird Schreiner, nach einer Pleite als Fachmann für Oberlichter spezialisiert er sich auf die Arbeit mit "wiedergewonnenem" Holz, einem Trend bei den Reichen und Schönen, mit dem er erfolgreich ist.
Durch einen Auftraggeber lernt er die Bratschistin Meena kennen und lieben. Leider ist Meena ihre Musik wichtiger als die Liebe. Als Liam ihr eine selbst gebaute Bratsche schenkt, kommt es zum Bruch zwischen den beiden.
So richtig verstanden habe ich den Anlass für die Trennung nicht: man hat schon gespürt, dass Liam gefühlsmäßig stärker involviert ist als Meena, der ihre Konzerte und Termine immer vorgehen. Aber warum bringt sie die selbst gebaute Bratsche so aus der Fassung? Schlechtes Gewissen?

Die Erinnerungsfetzen werden von der schmerzhaften Gegenwart durchbrochen. Für Liam sieht es nicht gut aus: Das Handy ist kaputt, der Unterleib gelähmt. Liam schleppt sich zum Transporter, wo er weder das Zweittelefon noch seinen Gehilfen findet. Die Hoffnungslosigkeit lässt seine dunkelste, verschlossenste Erinnerung aufsteigen: die an seine Tochter!

Die Dramaturgie gefällt mir: zwei Jahreszahlen, zwei Perspektiven, die jedoch deutliche Verbindungen haben. Liam hier als tragische, getriebene Figur, dem seine haltlose Kindheit nachhängt.
 

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Willow ist ihrem Sohn gegenüber kalt
Ich würde nicht sagen kalt, sondern gleichgültig - eventuell auch eine Folge des Marihuana. Sie sagt ja ganz deutlich, Liam sei nur ein einzelner Mensch, während die Natur, der Wald viel wichtiger und größer sei. Ein seltsam verzerrte Perspektive meiner Meinung nach.

Die Hoffnungslosigkeit lässt seine dunkelste, verschlossenste Erinnerung aufsteigen: die an seine Tochter!
Eine schöne Verbindung zum ersten Teil. Angeblich ist Liam bei diesem Unfall gestorben, das Ende des Kapitels ist jedoch offen - vielleicht erwartet uns noch eine Überraschung. Zunächst geht es aber jetzt weiter zurück ins Jahr 1974, wenn ich mich nicht verrechnet habe, Liams Geburtsjahr.
 

RuLeka

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Ich würde nicht sagen kalt, sondern gleichgültig - eventuell auch eine Folge des Marihuana. Sie sagt ja ganz deutlich, Liam sei nur ein einzelner Mensch, während die Natur, der Wald viel wichtiger und größer sei. Ein seltsam verzerrte Perspektive meiner Meinung nach.
Ich habe schon manches Mal gehört, gelesen, dass Menschen, die das Wohl der ganzen Menschheit im Auge haben, die nächsten Mitmenschen vernachlässigen.
 

RuLeka

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Eine schöne Verbindung zum ersten Teil. Angeblich ist Liam bei diesem Unfall gestorben, das Ende des Kapitels ist jedoch offen
Im ersten Teil heißt es, dass Jakes Vater starb, während er in den USA illegal als Schreiner arbeitete, als Jake drei Jahre alt war.
Das würde heißen, dass Liam diesen Unfall nicht überlebt hat.
 

RuLeka

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So wie Willow sich gegen ihren Vater auflehnt, so trotz Liam dem Leben seiner Mutter. Beide fühlen sich unbeachtet vom Vater ( Willow), von der Mutter ( Liam). Weitere Parallelität: beide wachsen nur mit einem Elternteil auf.
Traurig fand ich auch die Szene in der beschrieben wird, dass Liam sich jedes Jahr an Halloween als Baum verkleidet, um von der Mutter beachtet zu werden. Irgendwann gibt er auf, lehnt sich auf und verkleidet sich als Holzfäller. Ob Willow darauf reagiert hat?
 

RuLeka

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Leider ist Meena ihre Musik wichtiger als die Liebe. Als Liam ihr eine selbst gebaute Bratsche schenkt, kommt es zum Bruch zwischen den beiden.
So richtig verstanden habe ich den Anlass für die Trennung nicht: man hat schon gespürt, dass Liam gefühlsmäßig stärker involviert ist als Meena, der ihre Konzerte und Termine immer vorgehen. Aber warum bringt sie die selbst gebaute Bratsche so aus der Fassung? Schlechtes Gewissen?
Das Geschenk war ihr anscheinend zu viel. Sie konnte vielleicht schon ermessen, wieviel Zeit,Geld und Arbeit in dem Instrument steckt. So viel Liebe, viel mehr, als sie ihm zurückgeben kann.
Die Reaktion von beiden war hart. Es tat mir richtig weh, wie Liam danach mit der Bratsche umging.
Ein trauriges Leben, so viel Liebe, die keiner annehmen will. Kein Wunder, dass er sich so in seine Arbeit vergräbt.
 

Literaturhexle

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Im ersten Teil heißt es, dass Jakes Vater starb, während er in den USA illegal als Schreiner arbeitete, als Jake drei Jahre alt war.
Das würde heißen, dass Liam diesen Unfall nicht überlebt hat.
Das habe ich auch gelesen. Jakes Informationen stammen aber von ihrer Mutter, die ein Interesse daran gehabt haben kann, Liam für tot zu erklären.
 

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Das habe ich auch gelesen. Jakes Informationen stammen aber von ihrer Mutter, die ein Interesse daran gehabt haben kann, Liam für tot zu erklären.
Das sehe ich auch so, warten wir ab ;). Mir hat Liam sehr Leid getan, als Meena die Bratsche nicht annehmen will. Aber ich gebe @RuLeka Recht, das ist zu viel des Guten, damit kommt Meena nicht zurecht.
 

Wandablue

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So richtig verstanden habe ich den Anlass für die Trennung nicht: man hat schon gespürt, dass Liam gefühlsmäßig stärker involviert ist als Meena, der ihre Konzerte und Termine immer vorgehen. Aber warum bringt sie die selbst gebaute Bratsche so aus der Fassung? Schlechtes Gewissen?

Das ist wirklich bisserl rätselhaft, da wir selber so anders reagiert hätten.

Ich denk mir das so, dass sie wollte, dass Liam was aufbaut, ein Geschäft. Selbständig wird.

Aber dennoch finde ich diese Reaktion nicht ganz glaubwürdig. Gibt ein Minus. Eine Musikerin hätte sich niemals davon abhalten lassen, das Instrument sofort auszuprobieren.
 

Wandablue

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ie sagt ja ganz deutlich, Liam sei nur ein einzelner Mensch, während die Natur, der Wald viel wichtiger und größer sei. Ein seltsam verzerrte Perspektive meiner Meinung nach.

What? Nein, das stimmt.
Das ist im Prinzip die Frage, was man tun soll, wenn ein Flugzeug droht über ein dicht besiedeltes Gebiet abzustürzen. Einige opfern oder viele. Willow ist eigentlich klasse. Sie opfert für das Gesamte alles. Es ist natürlich die Frage, ob man es einem Kind auf die Nase bindet, dass es im Vergleich zum großen Ganzen nicht zählt. Aber Willow schont ihr Kind nicht, sie mutet ihm Augenhöhe zu.

Na ja, sie hat ein paar kleine Geheimnischen. Never mind.

Ich finde, die Erzählung ja sehr spannend. Und rasant geschrieben. Aber stimmig ist sie hier nicht ganz. Die meisten Kinder hätten so ein Rumgondelleben genossen.
 

Wandablue

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So wie Willow sich gegen ihren Vater auflehnt, so trotz Liam dem Leben seiner Mutter. Beide fühlen sich unbeachtet vom Vater ( Willow), von der Mutter ( Liam). Weitere Parallelität: beide wachsen nur mit einem Elternteil auf.
Traurig fand ich auch die Szene in der beschrieben wird, dass Liam sich jedes Jahr an Halloween als Baum verkleidet, um von der Mutter beachtet zu werden. Irgendwann gibt er auf, lehnt sich auf und verkleidet sich als Holzfäller. Ob Willow darauf reagiert hat?
Das sind sehr nette Goodies des Autors.
 
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Liam leidet unter Verlustängsten. Er erlebt wie die Mama alle Menschen abserviert, die ihre Auffassungen nicht teilen.

Diese Ängste machen ihn beziehungsunfähig, da er klammert. Kein Wunder, dass M. die Flucht ergreift; sie scheint viel Wert auf ihre Unabhängigkeit zu legen und hält Liam für einen Träumer. Der auf seine Weise aber ein Pragmatiker ist. (In gewisser Weise erinnert er mich an Hermann).
 

Literaturhexle

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Eine Musikerin hätte sich niemals davon abhalten lassen, das Instrument sofort auszuprobieren.
Das hat mich auch irritiert. Allerdings kann ein Nichtmusiker ohne Hilfe wohl auch keine Bratsche bauen, deren Intonation stimmig ist. Ist aber eine Kleinigkeit, gibt keine Abzüge. Das Bauen beschreibt seine innige Verliebtheit.
Das ist im Prinzip die Frage, was man tun soll, wenn ein Flugzeug droht über ein dicht besiedeltes Gebiet abzustürzen.
Nein, der Vergleich hinkt. Jede Mutter liebt ihr Kind NORMALERWEISE über alles. In Bezug auf das Kind wäre sie nie objektiv, Gefühle machen inkonsequent.

Willow ist verblendet. Das Kind ist ihr mehr Last als Lust. Das spürt Liam auch. Durch die Reiserei hat er keine anderen Bindungen/Bezugspersonen und hat Angst, die Mutter auch noch zu verlieren. Entsprechend versucht er ihr zu gefallen - bis er etwas rebelliert und wahrgenommen werden möchte (Holzfäller).

Ich habe nichts übrig für Fanatiker/innen. Willow ist eine. Sie hat ihr eigenes Weltbild, ihr eigenes Feindbild. Sie sieht sich als Kämpferin für eine bessere Welt. Da hat der Sohn keinen Platz.
In der Tat hat sie da Parallelen mit unserem Physiker:D
 

Wandablue

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Na ja, Hexe, bei allem Respekt, das sehe ich anders. Wo wären wir in der Welt ohne aufopferungsbereite Idealisten.
Und es gibt durchaus Eltern, die relativieren können. Gott sei Dank. Willow liebt ihren Sohn durchaus, aber sie setzt ihren Verstand ein. Sie versucht ja auch, ihr Weltbild zu vermitteln. D a s wollen alle Eltern. Ihre Werte vermitteln.

Willow ist kein Muttermonster.
 
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