Ich finde den Roman immer noch großartig, wobei ich besonders die Sprache faszinierend, weil so unfassbar authentisch, finde. So präzise den Ton einer Heranwachsenden zu treffen, die sich selbst und ihre Familie doch so klar sieht und und dabei der Situation dennoch so ohnmächtig und völlig überfordert gegenübersteht, empfinde ich als äußerst stark gemacht. Gleichzeitig macht diese Art zu Erzählen Juli ebenfalls zu einer starken Figur, trotz ihrer deutlich zu Tage tretenden Schwäche im täglichen Leben und ihrer durchaus existenten Gewaltbereitschaft.
Die Liebe zur Mathematik erscheint mir absolut nachvollziehbar, die Rationalität und Berechenbarkeit der Wissenschaft erscheint Juli in ihrem konstant von Willkür bedrohten Leben als besonders attraktiv. So richtig gefallen hat mir dieser Studienwunsch aber nicht, gerade weil es so naheliegend und offensichtlich war - da fehlt mir die Überraschung.
Von der Maus bin ich nicht so begeistert (ich habe es gar nicht mit Nagetieren
und stelle sie mir beim Lesen auch nur äußerst ungern vor; das hat mich bei Yaa Gyasis "Ein erhabenes Königreich" schon viele Nerven gekostet). Mir ist das Maus-Bild grundsätzlich ebenfalls zu offensichtlich, ähnlich wie hier ja auch allen schon Böses schwante. Da ich es aber sehr gut fand, wie die Mutter sich in Bezug auf die Maus (mal wieder) zur Handlangerin des Bösen macht, bin ich im Großen und Ganzen mit diesem Strang wieder versöhnt.
Die Mutter ist für mich mittlerweile fast die schlimmste Person in der ganzen "Melange". Der Vater ist gewalttätig, aber bei der Mutter geht das Ganze irgendwie noch einen schlimmen psychologischen Schritt weiter.
Entscheidend ist die Erkenntnis (auch für Juli), dass die Mutter Mittäterin ist. Sehr treffend finde ich in diesem ganzen Täter-Komplex auch die Bezeichnung der Mutter als „Tatortreinigerin“ (S. 106) und ihr Einwirken darauf, dass nichts nach draußen dringt: „Aber was Papa gemacht hat, erzählst du keinem, gell? Alles ist gut, mein Schatz, …“ (S. 106).
"Mittäterin" reicht für mich da schon nicht mehr aus. Die Mutter ist wesentlich für die Durchführung der Gewalt des Vaters (man denke an die Schuhe im "Traum"). Dazu kommt noch, dass die "Gewalt" der Mutter auf psychologischer Ebene wahrscheinlich noch viel furchtbarer wirkt. Sie sollte die Kinder schützen und behüten, stattdessen liefert sie sie aus und bietet, selbst wenn es nur um Erinnerungen geht, keine Verlässlichkeit und Sicherheit.
Insgesamt nehme ich bei Juli ein fortgesetztes "Austesten" der Grenzen war - es gab schon so einige Szenen, bei denen ich dachte, dass es gleich ins Auge gehen könnte...wahrscheinlich kommt da noch etwas.