2. Leseabschnitt: 2007 - Seite 75 bis 136

Irisblatt

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15. April 2022
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In diesem Abschnitt taucht Julis Erinnerung an Bruno wie er in einer Blutlache auf dem Teppich liegt und vom Vater getreten wird, wieder auf. Es ist ein wiederkehrender Albtraum von ihr. Zum ersten Mal träumt sie, was davor geschah: Die Mutter zieht dem Vater seine Schuhe an (damit er besser zutreten kann) während der Vater Bruno bereits würgt. Was davon nun wirklich geschehen ist, was Traumelemente sind, scheint mir nicht so wichtig zu sein. Entscheidend ist die Erkenntnis (auch für Juli), dass die Mutter Mittäterin ist. Sehr treffend finde ich in diesem ganzen Täter-Komplex auch die Bezeichnung der Mutter als „Tatortreinigerin“ (S. 106) und ihr Einwirken darauf, dass nichts nach draußen dringt: „Aber was Papa gemacht hat, erzählst du keinem, gell? Alles ist gut, mein Schatz, …“ (S. 106).

Die Geschichte mit der verwaisten Maus, versuche ich gerade noch für mich klar zu bekommen. Juli fühlt eine tiefe Verbindung zu diesem kleinen Wesen, dessen Leben am seidenen Faden hängt. Ich sehe darin das, was Naibenak bereits im ersten Teil geschrieben hat: nämlich dass Juli leben möchte. Das Überleben in ihrer Situation ist jedoch sehr schwierig für sie. Es hat mich berührt, wie sehr sie trotz der kräftezehrenden Notwendigkeit im Rhythmus von nur wenigen Stunden die Maus versorgt. Die Maus überlebt und dann setzen der Vater und (die Mutter!) die Maus ohne Julis Wissen aus. Was ist das genau? Warum tut der Vater das? Möchte er einfach nur verletzen? Ist es ihm zuwider, dass Juli etwas „Eigenes“ hat, das ihr etwas bedeutet? Erträgt er es nicht, dass sie sich mehr um eine kleine Maus kümmert als um Ihn? Fürchtet er dadurch ein Stück Kontrolle zu verlieren, weil Juli ihren eigenen Kopf hat? Ist es eine Machtdemonstration? Was meint ihr?

Ich könnte noch ganz viel schreiben, warte aber erst einmal eure Kommentare ab.

Bisher finde ich das Thema komplex dargestellt und ich lese das Buch trotz der schweren Thematik sehr gerne.
 

Irisblatt

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15. April 2022
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Noch ein Gedanke zur Maus. Ich sehe da durchaus Parallelen im Verhalten der Mutter gegenüber der Maus und ihren Kindern. Die Maus erhält von der Mutter Salat, ihre Kinder erhalten Geschenke quasi als Wiedergutmachung für das, was ihnen angetan wird.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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In diesem Abschnitt ist alles bunt mit meinen Zettelchen. Fast auf jeder Seite könnte ich etwas kommentieren. Das ist alles so unfassbar und trotzdem folgt es dem alten, bekannten Muster. Ich hab mich so für Juli gefreut: die kleine verwaiste Maus kam zur richtigen Zeit. Sie hat das Unmögliche geschafft: die Maus überlebt. Gleichzeitig bangte ich: ich wusste, dass das kleine Tier Juli verletzlich macht. Mir war klar, dass der Vater (der Vater!) irgendwann die Chance nutzen würde, das Tier zu töten. Einfach nur um wehzutun. Das reicht ihm. Juli ist bereits zu erwachsen, viel Aufmerksamkeit bekommt er eh nicht von ihr. Er tut es, um Schmerz zuzufügen. Das reicht dem Sadisten.
Ob Juli ihre Drohung wahr macht, "dass sie jedem erzählt, was er für ein verdammtes Schwein ist,..." 86, wir werden sehen (glaube ich nicht). Für Juli war die Maus weit mehr. Sie war ein Gleichnis für ihr eigenes Leben, sie war etwas, was sie lieben konnte, ohne Angst enttäuscht zu werden.

Was mich über den gesamten Abschnitt beeindruckt hat, ist Julis Klugheit. Sie kann klare Analysen treffen, sie hat das Familiendrama kapiert, weiß wie wer tickt und warum. Immer klarer sieht sie, dass die Mutter kein Mitopfer ist, sondern Mittäterin. Wie brutal muss diese Erkenntnis gewesen sein!

Juli und Bruno haben ein Aggressionsproblem. Wenn sie rot sehen, gibt es kein Halten mehr. Auch das ein gängiges Muster. Wie mutig, dass gerade der sanfte Max den Vater in der Küche zu stellen versucht? Wenn es den Kindern gelingen würde, ZUSAMMEN zu halten, kriegten sie vielleicht Oberwasser. Doch bislang ist das nicht geglückt. Selbst Bruno schert aus, anstatt seinem Bruder zur Seite zu eilen (was aber sitiationsbedingt auch schwierig gewesen wäre, schließlich ging es um ihn).
Alex scheint am wenigsten belastet aus der Familiensituation entkommen zu sein. Ob das nur die Fassade ist oder ob es stimmt, können wir noch nicht sagen. Juli erklärt das damit, "dass Alex nichts hatte, was Papa besitzen wollte." 108

Im Grunde sehnt sich Juli nach Harmonie. Wenn es Gelegenheit gibt, die heile Familie zu spielen, ist sie dankbar und gleich dabei. Das ist schon beim Lesen sehr schmerzhaft. Sie hat in Esma eine Freundin gefunden, anvertrauen tun sie sich ihr auch nicht: Das eigene Nest beschmutzt man nicht. Ein alter Spruch, der nur zu wahr ist. Esma hat sich zurückgezogen, was ich aus ihrer Sicht nachvollziehen kann.

Eskalation in der Disco.
In Folge wird Mutters Treibsand in vielen kleinen Szenen thematisiert. Ich glaubte es kaum, als sie sagte:
Haben wir dir nicht immer alles gegeben? - Ja bravo: Drehscheibe und Streuselkuchen, kommentiert Juli im Kopf. 111
Weißt du eigentlich, was du uns für Schmerzen bereitet hast? 113
Man ist sprachlos.
Juli sieht augenscheinlich seit diesem Erlebnis klarer. Sie ist die Schraube, die aus der Familien-Dampflok gesprungen ist. 120

Die Mutter glaubt offenbar selbst an ihre Unschuld (der Vater später auch!!!). Wahrscheinlich psychologisch völlig nachvollziehbar. Die "Menschenfängerin", die "Papa geholfen hat, uns kaputt zu machen."

Eskalation wegen der Maus: Hier tickt Juli aus, bis ihr schwarz vor Augen wird. Absoluter Kontrollverlust. Und die Eltern sind scheinheilig schuldlos...Es fehlen einem die Worte!

Ich möchte den Stil loben. Er ist jugendlich, schnoddrig und sehr authentisch. Juli muss hochbegabt sein (IQ Test!). Wie sonst sollte sie ihre Spitzennoten unter diesen Bedingungen erreichen?
Mir gefallen ihre Metaphern immer wieder. "Sie saugt am Trichter wie ein Deutscher am Ballermann" uvm.

Jetzt ein Zeitsprung von 7 Jahren. Ich bin gespannt. Der Roman fasziniert mich sehr.
 

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29. März 2022
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Puh- ich muss erst mal schlucken und durchatmen. Mir ist all das nicht fremd, auch lese ich immer wieder harten Tobak. Die Lektüre nimmt mich dennoch sehr mit.

Die Sache mit der Maus. Juli ist froh, etwas Eigenes zu haben, um das sie sich kümmern kann. Man spürt, wie wichtig diese Maus ihr ist. Sie probt den Aufstand, als ihr Vater sie ihr nehmen will. Man merkt, wie rebellisch Juli sein kann, wie viel Aggression sie aufgestaut hat. Eigentlich hasst sie beide Elternteile irgendwie, ihren Vater wegen all der Brutalität, ihre Mutter, weil diese stets kuscht und alles beschönt, sich im Endeffekt selbst als Opfer sieht. Wenn ich ehrlich bin, halte ich diese Rebellion und Gegenwehr gegen all die Gewalt, nicht unbedingt für typisch . Ich frage mich, ob dies nicht überzogen ist. Man hört ja immer wieder davon, dass Opfer in solchen Szenen, eher dissoziieren, also quasi alles über sich ergehen lassen, aber quasi aus ihrem Körper steigen und das Ganze sozusagen ubeteiligt wahrnehmen.

Dennoch hat die Autorin diese ganze Wut von Juli brilliant in die Sprache übertragen. Insgesamt finde ich, findet sie sehr treffende Worte und Bezeichnungen für Gefühlszustände oder Verhaltensweisen. Einige wurden hier ja bereits zitiert, aber das Buch ist voll davon.

Interessant ist die unterschiedliche Betroffenheit der Kinder. Bruno scheint es ja besonders abzubekommen, ebenso wie Juli. Beide scheinen aber die rebellischen Typen zu sein. Über Alex (Julis Schwester) wissen wir bisher eigentlich gar nichts. Vielleucht kommt da noch was. Und de Brüder scheinen ja sehr unterschiedliche Charaktere zu haben.

Dieses Buch ist so entsetzlich wie gleichzeitig brilliant. Die ganzen Vorfälle im "Geisterhaus" - einfach meisterhaft erzählt!
 

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Sehr treffend finde ich in diesem ganzen Täter-Komplex auch die Bezeichnung der Mutter als „Tatortreinigerin“ (S. 106) und ihr Einwirken darauf, dass nichts nach draußen dringt: „Aber was Papa gemacht hat, erzählst du keinem, gell? Alles ist gut, mein Schatz, …“ (S. 106)
Ich würde noch differenzieren, dass sie mitunter Mitwisserin ist und alles versucht unter den Tisch zu kehren. In der Situation, wo die Maus freigelassen wurde allerdings, wurde sie in Julis Sicht ganz klar zur Mittätäterin und zur Verbündeten des Vaters. Juli quittiert das, indem sie die Mutter verdrescht. Am Ende haut sie ab. Ich vermute aber, dass ihr die Flucht irgendwie vereitelt wird...
 

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Die Maus überlebt und dann setzen der Vater und (die Mutter!) die Maus ohne Julis Wissen aus. Was ist das genau? Warum tut der Vater das? Möchte er einfach nur verletzen? Ist es ihm zuwider, dass Juli etwas „Eigenes“ hat, das ihr etwas bedeutet? Erträgt er es nicht, dass sie sich mehr um eine kleine Maus kümmert als um Ihn? Fürchtet er dadurch ein Stück Kontrolle zu verlieren, weil Juli ihren eigenen Kopf hat? Ist es eine Machtdemonstration? Was meint ihr?
Eine sehr gute Frage. Ist die Maus tatsächlich auch ein Konkurrent in Vaters Augen? Will er, dass Julis Aufmerksamkeit einzig ihm gilt und nichts und niemand anders?

Was mich über den gesamten Abschnitt beeindruckt hat, ist Julis Klugheit. Sie kann klare Analysen treffen, sie hat das Familiendrama kapiert, weiß wie wer tickt und warum. Immer klarer sieht sie, dass die Mutter kein Mitopfer ist, sondern Mittäterin. Wie brutal muss diese Erkenntnis gewesen sein!
Juli analysiert glasklar und hat die Beziehungsdynamik verstanden. Sie weiß auch, dass sie von einem immer wieder ruhig gehalten wird und versteht sogar, dass sie im Endeffekt dann die "Böse" ist. Für sie scheint dann die Flucht/ der Ausbruch konseuqnet die einzige Lösung zu sein.

Im Grunde sehnt sich Juli nach Harmonie. Wenn es Gelegenheit gibt, die heile Familie zu spielen, ist sie dankbar und gleich dabei. Das ist schon beim Lesen sehr schmerzhaft. Sie hat in Esma eine Freundin gefunden, anvertrauen tun sie sich ihr auch nicht: Das eigene Nest beschmutzt man nicht. Ein alter Spruch, der nur zu wahr ist. Esma hat sich zurückgezogen, was ich aus ihrer Sicht nachvollziehen kann.
Wer sehnt sich nicht nach Heimat und Geborgenheit?
Und dieser Spruch enthält sicher viel Wahres. Leider ist familiäre Gewalt sehr häufig und wird oft nicht mal wahrgenommen. Vieles, was hier bereits angemerkt wurde (auch im ersten Abschnitt) trägt dazu bei.
 

Irisblatt

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15. April 2022
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Für Juli war die Maus weit mehr. Sie war ein Gleichnis für ihr eigenes Leben, sie war etwas, was sie lieben konnte, ohne Angst enttäuscht zu werden.
Stimmt!
Was mich über den gesamten Abschnitt beeindruckt hat, ist Julis Klugheit. Sie kann klare Analysen treffen, sie hat das Familiendrama kapiert, weiß wie wer tickt und warum.
Ich finde ihre Klarsicht auch beeindruckend - leider ist Erkenntnis nur ein erster Schritt, um Distanz zu dieser toxischen Familie zu bekommen.
Dennoch hat die Autorin diese ganze Wut von Juli brilliant in die Sprache übertragen. Insgesamt finde ich, findet sie sehr treffende Worte und Bezeichnungen für Gefühlszustände oder Verhaltensweisen.
Super!
Dieses Buch ist so entsetzlich wie gleichzeitig brilliant. Die ganzen Vorfälle im "Geisterhaus" - einfach meisterhaft erzählt!
Ich bin auch begeistert!
Alex scheint am wenigsten belastet aus der Familiensituation entkommen zu sein. Ob das nur die Fassade ist oder ob es stimmt, können wir noch nicht sagen. Juli erklärt das damit, "dass Alex nichts hatte, was Papa besitzen wollte." 108
Ich denke nicht, dass das Fassade ist. Sie hat sich ganz früh der Familie entzogen und war durch ihre "Mittelmäßigkeit", die der Vater in ihr sieht, vor ihm geschützt.

Sie hat in Esma eine Freundin gefunden, anvertrauen tun sie sich ihr auch nicht: Das eigene Nest beschmutzt man nicht.
Ja, es ist schwer die von Kindheit an gehörte Indoktrination, dass nichts nach außen dringen darf, abzuwerfen.
Die Mutter glaubt offenbar selbst an ihre Unschuld (der Vater später auch!!!). Wahrscheinlich psychologisch völlig nachvollziehbar.
Das scheint gar nicht so selten zu sein. Ich kenne es aus meinem Freundeskreis. Da behauptet eine Mutter doch tatsächlich, nie ihre Kinder Kinder geschlagen zu haben - dabei ist der eine oder ander Kochlöffel auf dem Rücken ihrer Kinder zerbrochen. Selbst der Vater hat als das Gespräch darauf kam, leise gesagt, dass es stimmt und dass er wusste, das würde irgendwann zurückkommen. Die Mutter behauptet aber weiterhin, dass das gar nicht wahr ist.
Juli muss hochbegabt sein (IQ Test!). Wie sonst sollte sie ihre Spitzennoten unter diesen Bedingungen erreichen?
Ist sie. Ihre analytische Klarsicht spricht dafür, ihre Schulnoten unter solchen Bedingungen sowieso.
Mir gefallen ihre Metaphern immer wieder. "Sie saugt am Trichter wie ein Deutscher am Ballermann" uvm.
Mir auch!
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Einige wurden hier ja bereits zitiert, aber das Buch ist voll davon.
Jaaa. Genau. Man kann unmöglich auf alle eingehen;)
Echt gut geschrieben!
Ich finde ihre Klarsicht auch beeindruckend - leider ist Erkenntnis nur ein erster Schritt, um Distanz zu dieser toxischen Familie zu bekommen.
Stimmt. Der Hinweis ist gut. Sie müsste auch die richtigen Schlüsse daraus ziehen und erkennen, dass sie das alleine nicht hinter sich lassen kann.

Die Mutter behauptet aber weiterhin, dass das gar nicht wahr ist.
Unglaublich! Verdrängung auf höchster Ebene. Nicht im Rausch des Alkohols, sondern der Gewalt:sad
 

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29. März 2022
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Das scheint gar nicht so selten zu sein. Ich kenne es aus meinem Freundeskreis. Da behauptet eine Mutter doch tatsächlich, nie ihre Kinder Kinder geschlagen zu haben - dabei ist der eine oder ander Kochlöffel auf dem Rücken ihrer Kinder zerbrochen. Selbst der Vater hat als das Gespräch darauf kam, leise gesagt, dass es stimmt und dass er wusste, das würde
Ich bin da immer unsicher, ob das wirklich ein Glaube an die eigene Unschuld ist oder vielmehr ein Verdrängen als ein Selbstschutz-Mechanismus?

Stimmt. Der Hinweis ist gut. Sie müsste auch die richtigen Schlüsse daraus ziehen und erkennen, dass sie das alleine nicht hinter sich lassen kann.
das stimmt grundsätzlich. Erkennen ist nur ein erster Schritt, Handeln ein zweiter. Wir hatten das ja auch bei "Eine Laune Gottes". Ob Therapien da aber immer der goldene Weg sind, ist eine andere Frage.
 

otegami

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17. Dezember 2021
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Zum ersten Mal träumt sie, was davor geschah: Die Mutter zieht dem Vater seine Schuhe an (damit er besser zutreten kann) während der Vater Bruno bereits würgt. Was davon nun wirklich geschehen ist, was Traumelemente sind, scheint mir nicht so wichtig zu sein. Entscheidend ist die Erkenntnis (auch für Juli), dass die Mutter Mittäterin ist. Sehr treffend finde ich in diesem ganzen Täter-Komplex auch die Bezeichnung der Mutter als „Tatortreinigerin“ (S. 106) und ihr Einwirken darauf, dass nichts nach draußen dringt: „Aber was Papa gemacht hat, erzählst du keinem, gell? Alles ist gut, mein Schatz, …“ (S. 106).
Boah, bei der Szene stellten sich richtig meine Nackenhaare auf. Aber die Bezeichnung 'Tatortreinigerin' fand ich sowas von treffend!
Die Maus überlebt und dann setzen der Vater und (die Mutter!) die Maus ohne Julis Wissen aus. Was ist das genau? Warum tut der Vater das? Möchte er einfach nur verletzen? Ist es ihm zuwider, dass Juli etwas „Eigenes“ hat, das ihr etwas bedeutet? Erträgt er es nicht, dass sie sich mehr um eine kleine Maus kümmert als um Ihn?
Da fand ich Julis Gedanken so treffend: 'Darf ich nichts lieben außer ihn, nicht mal neunzehn Gramm Fell?' Ich interpretiere das als reine Machtdemonstration!
 

otegami

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17. Dezember 2021
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In diesem Abschnitt ist alles bunt mit meinen Zettelchen. Fast auf jeder Seite könnte ich etwas kommentieren.
*Giggel* ich kann das Buch 'Osterbuch' nennen, so bunt ist es! Und wie bei Dir, auch auf jeder Seite! Ob es Szenen oder Erkenntnisse sind.......... es gibt so viel, was ich nötig zum Markieren finde!

Sie hat das Unmögliche geschafft: die Maus überlebt. Gleichzeitig bangte ich: ich wusste, dass das kleine Tier Juli verletzlich macht. Mir war klar, dass der Vater (der Vater!) irgendwann die Chance nutzen würde, das Tier zu töten. Einfach nur um wehzutun.
Das lag auch für mich so richtig in der Luft! Ich wartete nur noch, w a n n es passiert!
Was mich über den gesamten Abschnitt beeindruckt hat, ist Julis Klugheit. Sie kann klare Analysen treffen, sie hat das Familiendrama kapiert, weiß wie wer tickt und warum. Immer klarer sieht sie, dass die Mutter kein Mitopfer ist, sondern Mittäterin.
Oh ja, Juli ist ein schlaues Köpfchen! Und sie kann logisch denken! (Sieht man auch an ihrer Vorliebe für Mathe: 'Hier gibt es kein gefühliges Gelaber wie daheim, wo jeder irgendeinen Kack behauptet und auf sein Recht pocht. In der Zahlenwelt herrscht Klarheit, und Recht hat nur einer: der mit der Lösung'. (Ich verstehe sie da sehr gut!)
m Grunde sehnt sich Juli nach Harmonie. Wenn es Gelegenheit gibt, die heile Familie zu spielen, ist sie dankbar und gleich dabei. Das ist schon beim Lesen sehr schmerzhaft.
Genau! Ob es die Szene mit ihrem Vater ist, wo er nachgibt, bloß weil unten die Putzfrau steht und er Angst hat, dass etwas nach außen dringt, oder der Besuch von Asram, wo er als charmanter und liebevoller Vater auftritt......... :p . Boah, da kann einem richtig schlecht werden!
Juli und Bruno haben ein Aggressionsproblem. Wenn sie rot sehen, gibt es kein Halten mehr. Auch das ein gängiges Muster.
Oh ja, von wem sie das nur haben?! :smilehorn
Wenn es den Kindern gelingen würde, ZUSAMMEN zu halten, kriegten sie vielleicht Oberwasser. Doch bislang ist das nicht geglückt.
*Gg* das war immer ein Trost, wenn sich unsere Kinder gezofft haben, was natürlich vorkam :helo . Dann dachte ich mir immer: in gestörten Familien müssen Kinder gegen die Eltern zusammenhalten, da können sie gar nicht normal miteinander streiten.
Die Mutter glaubt offenbar selbst an ihre Unschuld (der Vater später auch!!!). Wahrscheinlich psychologisch völlig nachvollziehbar. Die "Menschenfängerin", die "Papa geholfen hat, uns kaputt zu machen."
Sie sind offensichtlich sogar überzeugt davon. :p
Mir gefallen ihre Metaphern immer wieder. "Sie saugt am Trichter wie ein Deutscher am Ballermann" uvm.

...............................Der Roman fasziniert mich sehr.
Mir geht es genauso: ich finde ihn verstörend, würde auf jeden Fall sensiblen Gemütern abraten, ihn zu lesen, aber ich kann ihn kaum aus der Hand legen und er fasziniert mich!
 

otegami

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17. Dezember 2021
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Puh- ich muss erst mal schlucken und durchatmen. Mir ist all das nicht fremd, auch lese ich immer wieder harten Tobak. Die Lektüre nimmt mich dennoch sehr mit.
:thumbsup Oh ja, mich auch!
Dennoch hat die Autorin diese ganze Wut von Juli brilliant in die Sprache übertragen. Insgesamt finde ich, findet sie sehr treffende Worte und Bezeichnungen für Gefühlszustände oder Verhaltensweisen. Einige wurden hier ja bereits zitiert, aber das Buch ist voll davon.
Oh ja, ich finde das ganze Buch brillant! Diese Sprache! Einfach der Wahnsinn!
 

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29. März 2022
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Das einzige Richtige, sich beizeiten von dieser Familie abzunabeln!
In manchen Fällen wäre es das einzig Richtige. In der Praxis ist das jedoch nicht so leicht. Und genau das können wir auch am Beispiel Julis sehen. Diese ganze Ambivalenz. Genau zu wissen, was einem schadet, aber nichtsdestotrotz sich nicht lösen zu können wegen der Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit, möglicherweise auch Selbstvorwürfen.
 

otegami

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In manchen Fällen wäre es das einzig Richtige. In der Praxis ist das jedoch nicht so leicht. Und genau das können wir auch am Beispiel Julis sehen. Diese ganze Ambivalenz. Genau zu wissen, was einem schadet, aber nichtsdestotrotz sich nicht lösen zu können wegen der Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit, möglicherweise auch Selbstvorwürfen.
Ich mache da drei Kreuzzeichen, dass ich nicht in so einer Situation war!
 

otegami

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17. Dezember 2021
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Grinsen musste ich ja bei der Stelle auf S. 199: 'Aber sie hat entschieden, dass wir drinnen essen. Falls es laut wird, vermute ich.'
Das hat mich so dran erinnert, dass meine Mutter als erstes immer die Fenster geschlossen hat, wenn es mal lauter wurde :rofl . Mietswohnung und mehrere Parteien! Man hörte alles! Man hatte das Gefühl, dass man mit in der Nachbarwohnung säße! :p
(Meine Freundin, die direkt unter uns wohnte, erzählte mal, dass sie genau höre, wer gerade durch's Wohnzimmer gehe: meine Großeltern, meine Eltern oder ich.)

Nein, keine Sorge, so schlimm war es nicht wie im Elternhaus von Juli, aber logisch, dass es auch mal laut wurde! Aber 'was sollen denn die Nachbarn sagen' war immer eine große Sorge meiner Mutter! :p (Allerdings bei allem!)
 

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29. März 2022
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Mainz
Nein, keine Sorge, so schlimm war es nicht wie im Elternhaus von Juli, aber logisch, dass es auch mal laut wurde! Aber 'was sollen denn die Nachbarn sagen' war immer eine große Sorge meiner Mutter! :p (Allerdings bei allem!
Auf die ein oder andere Weise wurde vermutlich jeder schon mal mit der Befürchtung konfrontiert, was die Nachbarn denken könnten...