In diesem zweiten Teil spielt das Mädchen Tanja eine zentrale Rolle, die mir noch nicht so ganz klar wird.
Karl hat sich ja entschlossen, allein in Leinsee zu bleiben. Er schläft nach wie vor auf dem Boden seines ehemaligen Kinderzimmers, wo er sich aus Kleidung ein "Nest" gebaut hat. Später wird er dieses mit einer Matratze ergänzen.
Täglich wartet er auf Tanja. Er hat verschiedene Sachen in den Kirschbaum gehängt, um sie anzulocken, späht ständig nach ihr aus. Bei einem Besuch im Ort sieht er sie zufällig mit einem Freund und verfolgt sie. Beide machen sich ein Spiel daraus, kleine Dinge fallen zu lassen oder auszulegen. Der Erzähler nennt das "Austausch von Schätzen". Das ganze geschieht jedoch ohne Worte und noch aus der Distanz.
Sowohl das Schlafnest (das zudem mit diesen "Schätzen" ausgestaltet wird) als auch diese eigenartige Verbindung zu Tanja machen mir deutlich, dass mit Karl im psychologischen Sinn etwas nicht stimmt.
Ein bisschen Slapstick hat die Szene mit der Polizei: Zwei Beamte kommen zu Karl, weil er angeblich auf die Kinder im Garten geschossen haben soll. Schnell schaltet der Beschuldigte um und erzählt "eine Geschichte", in der er sich seine Rolle als Künstler zu Nutze macht und den Staatsdienern einen Bären über die tatsächlichen Geschehnisse aufbindet, die sie schließlich auch glauben.
Karl bekommt die Nachricht, dass seine Mutter wieder ansprechbar sei und fährt ins Krankenhaus. Die Mutter begrüßt ihn liebevoll, Karls aufgestaute Emotionen lösen sich in einem Tränenmeer, zum ersten Mal seit langem fühlt er sich geliebt...
Als er merkt, dass Ada ihn mit ihrem Mann August verwechselt, ist das ein (im tiefsten Inneren aber erwarteter) Schock. Hier tat mir der Protagonist entsetzlich leid. Dennoch spielt Karl das Verwechslungsspiel weiter mit, auch um die Mutter zu schonen. Sehr befremdlich fand ich, als er sich von der Mutter küssen ließ und sich dieser Kuss "nicht seltsam anfühlte". Als Karl die Mutter mit in die Villa nimmt, fangen beide sogar an, das unvollendete Kunstprojekt beider Elternteile weiter zu bearbeiten. Karl übernimmt die Rolle von August.
Eine Szene, die ich nicht so recht verstanden habe, ist die, in der die Mutter im Garten des Krankenhauses die sternenförmigen Kaugummikleckse zeichnen will. Karl benimmt sich sehr rücksichtsvoll, übernimmt die Aufgabe und zeichnet nicht nur die Kleckse, sondern auch die Mutter und die Umgebung...
Später hängt das Bild im Krankenzimmer. Was hat das zu bedeuten?
Karl beginnt eine intime Beziehung mit Schwester Alexandra, die sich sehr gut in ihn hineinversetzen kann, ohne Ansprüche zu stellen. Mara gegenüber scheint er dabei kein schlechtes Gewissen zu haben. Vielleicht hat
@Bibliomarie Recht, die in jener Beziehung nur eine zweckmäßige Verbindung sah.
In diesem Abschnitt wird sehr deutlich, wie stark Karl psychisch verletzt ist. Er hat kein gesundes Verhältnis zu seinem Elternhaus, zu seiner Mutter, zu Tanja. Kann er überhaupt tragfähige Beziehungen eingehen?
Der Alkohol diente ihm schon oft als Flucht, offensichtlich kann er aber auch einige Tage ohne auskommen. Der Arzt seiner Mutter hat das diesbezügliche Problem erkannt, weil er fordert, dass Karl "absolut nüchtern" zu erscheinen habe, wenn er Ada mit dem Auto abholen komme.