Rezension (2/5*) zu Novembermord: Martin Velsmann ermittelt - Der erste Fall von Berndt Schulz

M

Mikka Liest

Gast

Auf den ersten Seiten, die aus der Sicht des Mörders geschrieben sind, gefiel mir der Schreibstil noch richtig gut: prägnant, einfallsreich und dabei nicht zu übertrieben, mit viel Gefühl für die Schattierungen der menschlichen Psyche.

Leider überzeugte mich der Schreibstil im Laufe des Buches dann aber immer weniger - ja, manche Metaphern sind hervorragend und originell, aber es häufen sich zunehmend konstruierte Vergleiche und bemüht intellektuelle Betrachtungen. So erleichtert sich der Kommissar zum Beispiel in den Schnee und philosophiert dann über seinen Exkrementen(!!):

"All das steckte in seinem Leib, und in seinem Kopf schwebten schillernde Gedankenblasen."

Auch die Dialoge lesen sich zum Teil leider etwas hölzern. Aber besonders Takt und Tempo waren für mich oft überhaupt nicht stimmig. In manchen ruhigen Szenen sind die Sätze auf einmal kurz und abgehackt, während in eigentlich rasanten Szenen philosophische Betrachtungen richtiggehend ausgewalzt werden.

Die Charaktere werden mit interessanten, aufschlussreichen Details beschrieben; sie haben alle viel Potential, das aber in meinen Augen nicht ausgereizt wurde. Entweder blieben sie für mich trotz allem blass, oder aber sie waren einfach nicht stimmig oder sympathisch.

Besonders der Kommissar funktionierte für mich nicht als Handlungsträger.

Er spekuliert ausführlich über die Täterpsychologie, was ich prinzipiell sehr interessant fand und was ja auch zu seinem Beruf gehört. Allerdings schenkt er seinen eigenen psychologischen Problemen mindestens genauso viel Aufmerksamkeit und verrennt sich für mein Empfinden oft zu sehr darin. Überhaupt verhält er sich manchmal sehr ich-bezogen und bewahrt keinerlei professionelle Distanz.

So besucht er zum Beispiel eine Zeugin, lädt sie zum Essen ein, weint sich dann bei ihr - einer völlig fremden Frau! - über seine Eheprobleme aus und gesteht sogar Suizid-Gedanken.

Einer der Hauptverdächtigen ist ihm sehr sympathisch, und dessen Zuhause gibt ihm ein Gefühl von Heimat und Geborgenheit. Also besucht er ihn, als er das Gefühl hat, dringend einen männlichen Gesprächspartner zu brauchen, und übernachtet sogar dort! Und weil ihm der Mann so sympathisch ist, weigert er sich lange, ihn auch nur ernsthaft als Verdächtigen zu betrachten...

Zu Beginn konnte mich die Spannung noch packen, aber im Verlauf der Geschichte verlief sie für mich mehr und mehr im Sand. Die Ermittlungen der Polizei kamen mir konfus und planlos vor, und der Fall wird im Endeffekt eher zufällig gelöst. Dennoch wird der Kommissar als der große Held gefeiert, was ich wirklich nicht nachvollziehen konnte.

Fazit:
Leider konnte mich das Buch überhaupt nicht überzeugen. Ein sehr selbstbezogener Kommissar schlägt sich hauptsächlich mit seinen persönlichen Problemen herum und wandert eher nebenher durch eine verworrene Ermittlung ohne Sinn und Plan. Die Spannung wird dabei immer wieder ausgebremst durch ausführliche, bemüht psychologische oder philosophische Überlegungen.

Mikka Liest

Zum Buch... (evtl. mit weiteren Rezensionen)