Rezension Rezension (4/5*) zu Deine kalten Hände: Roman von Han Kang.

milkysilvermoon

Bekanntes Mitglied
13. Oktober 2017
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5.061
49
Hinter der Maske

Der koreanische Bildhauer Jang Unhyong ist eines Tages verschollen. In seiner künstlerischen Arbeit hat er Gipsabdrücke von Händen und Körpern angefertigt. Dadurch ist er der Schriftstellerin H. aufgefallen, die mit ihm auch einmal ein Gespräch geführt hat. In dem Versuch seiner Schwester, den Mann zu finden, gelangt H. an sein bewegendes Tagebuch. Es dokumentiert seine lebenslange Suche nach Nähe und Wahrhaftigkeit in einer Welt voller Masken.

„Deine kalten Hände“ ist ein ungewöhnlicher Roman von Han Kang.

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem langen Prolog, der in sieben Kapitel unterteilt ist. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht der Schriftstellerin H. Dann folgt – nach einem Vorwort – das Tagebuch des Bildhauers, ebenfalls aus der Ich-Perspektive geschrieben. Es besteht aus drei Teilen, die wiederum in mehrere Abschnitte, jeweils mit Überschriften markiert, untergliedert sind. Der Roman endet mit einem Epilog, wieder aus der Sicht der Schriftstellerin, mit vier kurzen Kapiteln. Der Aufbau wirkt gut durchdacht und einleuchtend.

Der Schreibstil ist besonders. Er scheint einerseits schnörkellos und recht nüchtern, andererseits aber geradezu poetisch und voll von Symbolen. Die Sprache hat mich fasziniert, verlangt dem Leser allerdings eine hohe Aufmerksamkeit ab. Der Einstieg in die Geschichte gelang mir ohne Probleme.

Der Roman beschränkt sich auf wenige Charaktere. Im Vordergrund steht natürlich der Künstler, über den man am meisten erfährt. Jedoch fiel es mir schwer, aus ihm und den anderen Protagonisten schlau zu werden. Alle Figuren erscheinen recht kühl und bleiben merkwürdig auf Distanz, was sich zum Beispiel darin äußert, dass der Name der Schriftstellerin nur abgekürzt wird. Es ist schwierig, Sympathie für die Personen zu empfinden, obwohl es sich um reizvolle Charaktere handelt.

Die Grundthematik des Romans finde ich sehr interessant. Es geht um die Einsamkeit der menschlichen Existenz und die Suche nach der Wahrheit. Was verbergen die Menschen hinter ihrer Maske, hinter ihrer Hülle? Was ist Schein, was ist Sein? Mit diesen Fragen setzt sich der Bildhauer auch künstlerisch auseinander.

In seiner Kindheit erlebt der Künstler Neid, Eifersucht und Verrat, was ihn zum Außenseiter werden lässt. Die Schilderungen dazu konnten mich bewegen. Allerdings lässt der Roman auch vieles offen – für meinen Geschmack zu viel, denn so blieb mir einiges unverständlich.

Das Nachwort der Autorin fällt leider ziemlich kurz aus und trägt recht wenig zum Verständnis der Lektüre bei. Es gibt aber Einblicke in den Schreibprozess, was ich interessant finde.

Das Cover wirkt sehr künstlerisch, was thematisch gut zum Roman passt. Der deutsche Titel ist treffend gewählt.

Mein Fazit:
„Deine kalten Hände“ von Han Kang ist ein Roman, zu dem ich keinen vollständigen Zugang finden konnte. Der Inhalt ist verstörend, aber auch aufwühlend und zum Nachdenken anregend. Meinen hohen Erwartungen wurde das Buch leider nicht in Gänze gerecht. Doch wegen seiner Besonderheit halte ich es dennoch für lesenswert.

 

kingofmusic

Bekanntes Mitglied
30. Oktober 2018
7.311
18.966
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48
Schöne Rezension, die präzise beschreibt, wie du dich fühlst bzw. gefühlt hast! Toll! ;)