Euer Fazit

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich denke, ich habe in den letzten beiden Abschnitten mein Fazit begründet. Das Buch gefiel mir nicht.
Allerdings habe ich auch keine Einblicke in die Kultur Koreas, die mir vielleicht helfen würden, den Inhalt besser zu verstehen.

Die erste Hälfte habe ich noch interessiert verfolgt, danach haben mich Handlung sowie Figuren nicht mehr erreichen können.
 
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Anjuta

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8. Januar 2016
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@Literaturhexle , irgendwie wundert es mich nicht, dass wir mal wieder zum gleichen Schluss kommen.
Mich hat die Kälte und Distanz in den menschlichen Beziehungen des Buches abgeschreckt und mich nie warm werden lassen mit dem Buch. Ich kann leider nur den Schluss ziehen, dass als das "Gegenteil von Warum?" (angekündigt zu Beginn des Bildhauer-Berichts) hier in diesem Buch die absolute Sinn- und Zwecklosigkeit des Tuns und Handelns herausgearbeitet wird und kann nur hoffen, dass das nicht als Darstellung der koreanischen Gesellschaft gemeint ist. Und mit dieser absoluten Sinn- und Zwecklosigkeit, die dann auch zu einer Beziehungslosigkeit der Personen führt und zu der (quasi) Schockreaktion des Bildhauers auf die wohl in seiner Vorstellungswelt vollkommen unangemessen gestellten Frage "Warum?" , konnte ich zu dem Buch eben auch keine Beziehung aufbauen und habe unbewegt, unberührt und kalt gelesen bis zum Schluss. Und stelle am Ende die Frage: "Warum?" hat die Schriftstellerin mir diese Geschichte erzählen wollen?
??? - 3 Fragezeichen - 3 Sterne
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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dass als das "Gegenteil von Warum?" (angekündigt zu Beginn des Bildhauer-Berichts) hier in diesem Buch die absolute Sinn- und Zwecklosigkeit des Tuns und Handelns herausgearbeitet wird
Das ist ja mal ein Ansatz :D
Ich weiß auch nicht, was die Autorin wollte. Auch die Tatsache, die Personen im Manuskript nur mit den Anfangsbuchstaben zu benennen: kälter und distanzierter geht es kaum...

Mir ist es immer ein Trost, @Anjuta , wenn belesene Menschen wie du die selben Schwierigkeiten mit einer Lektüre haben wie ich.
Wahrscheinlich hätte ich mich gar nicht für die Leserunde melden sollen. Aber manchmal habe ich auf diese Weise auch schon richtige Perlen entdeckt:rolleyes:

Also immer nach vorne schauen.
Frei nach Sepp Herberger: nach dem Buch ist vor dem Buch ;)
 

Renie

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19. Mai 2014
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renies-lesetagebuch.blogspot.de
Ich habe lange nachgedacht und komme zu folgendem Schluss:

Han Kang hat die Unfähigkeit ihrer Charaktere, ihr wahres Gesicht zu zeigen, in den Vordergrund gestellt. Ich würde auch soweit gehen, dass ihre Protagonisten stellvertretend für die Gesellschaft stehen. Gefühle werden nicht gezeigt und keiner weiß, welches wahre Gesicht der andere hat. Komischerweise habe ich das schon immer mit Menschen, die aus den "Ländern des Lächelns" stammen, verbunden. Insofern ist mir der Gedanke nicht fremd.
Damit einher gehen Emotionslosigkeit und Distanz, die ihren Roman komplett durchziehen.

Meines Erachtens hat Han Kang diesen Grundgedanken konsequent durchgezogen. Und die Tatsache, dass keiner von uns etwas mit den Charakteren anfangen konnte, geschweige denn, sie verstehen konnte, zeigt die grandiose Umsetzung der Grundidee (von der ich meine, dass sie die Grundidee ist ;)).

Mich müssen Charaktere nicht berühren. Insbesondere, wenn sie so angelegt sind, dass sie nichts von sich preisgeben sollen. Ganz im Gegenteil, wenn dem so ist, hat die Autorin alles richtig gemacht.

Der Sprachstil stand im krassen Gegensatz zu der Geschichte. Poesie prallt auf Gefühlskälte. Was für ein Widerspruch!
Dieser Kontrast war schon sehr besonders, so dass ich diesen Roman sehr gern gelesen habe.
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Mich müssen Charaktere nicht berühren. Insbesondere, wenn sie so angelegt sind, dass sie nichts von sich preisgeben sollen. Ganz im Gegenteil, wenn dem so ist, hat die Autorin alles richtig gemacht.
Das würde ich für mich auch in Anspruch nehmen, Charaktere müssen einen nicht (persönlich) berühren.
Dennoch muss ich eine Geschichte gerne lesen wollen, das Konzept sollte mich vorwärts ziehen. Das hat in der ersten Hälfte auch funktioniert, obwohl alles kalt schien.
Dein Ansatz könnte stimmen. Vielleicht ist in dem Buch viel mehr Sozialkritik enthalten, als ich mit meinem mangelnden Wissen über Korea herauslesen konnte. Es bereichert immer, wenn es auch einen gibt, der einem Buch in der Leserunde die Stellung hält ;)
Der Sprachstil stand im krassen Gegensatz zu der Geschichte. Poesie prallt auf Gefühlskälte.
Ja. Das sehe ich auch so.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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@Renie , das hast Du in deinem Fazit sehr gut gesagt. Und du hast recht: Ich muss mich auch nicht auf jeden Fall von den Personen eines Buches berühren lassen. Aber zumindest würde ich solche gefühlskalten Menschen gern in einem Spannungsverhältnis mit anders gearteten Menschen sehen. Hier aber ist eine solche Spannung nicht vorhanden. und das ist mir dann doch zu düster. Denn als unwidersprochene Hauptaussage eines Buches kann ich mich nicht mit der Botschaft Die Menschen leben sinn- und zweckfrei anfreunden und möchte meine Lektüre auch nicht darauf aufbauen.
 
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Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
wordpress.mikkaliest.de
Ich zitiere einfach mal meine ganz Rezension – ich habe versucht, mein Fazit zusammenzufassen, bin aber daran gescheitert... (Ich glaube, ich habe mein Gehirn schon dabei verbraucht, die Rezension zu schreiben!)

Die Dunkelheit dieser Körperhüllen

Wie ein Leitmotiv zieht sie sich durch das Buch: die Maske, die Hülle, die Schale.

Der Bildhauer Jang Unhyong ist besessen davon. Sie prägt sein ganzes künstlerisches Werk, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne: er zeigt Gipsabdrücke menschlicher Körper und damit den Inbegriff des Oberflächlichen. Ohne Interpretation oder emotionale Suggestion seinerseits präsentieren sich seine Skulpturen dem Zuschauer und lösen dennoch einen starken, oft verstörenden Widerhall aus.

Was zeigt ein Mensch dem anderen von sich selbst? Wie viel davon ist wahrhaftig und wie viel nur schöner Schein? Jang Unhyong misstraut nicht nur seinen Mitmenschen, sondern wähnt sich selbst gänzlich hohl und leer.

Nur Oberfläche. Nur Maske. Keine Substanz.

Die Ursachen seiner Obsession liegen in Jang Unhyongs Kindheit. Als kleiner Junge beobachtete er seine Eltern mit scharfem Blick und sah, was anderen verborgen blieb: die leere Schönheit seiner Mutter, die hohle Herzlichkeit seines Vaters – emotionale Kälte verborgen hinter gesellschaftlicher Konvention. Als Leser spürt man den Nachhall dieser Kälte auf jeder Seite.

Ein Großteil der Handlung wird als Auszug aus Unhyongs Tagebüchern erzählt, und das liest sich oft vage unbehaglich, auf diffuse Art unangenehm.

Wie ein ständiger Misston, der eine instinktive emotionale Ablehnung auslöst, wie das Quietschen von Fingernägeln auf einer Kreidetafel.

Die Menschen, denen der Bildhauer im Laufe der Handlung begegnet und die eine Rolle in seinem Leben spielen, sind ebenfalls gefangen in diesem Zerrbild von Schein und Sein. Selbst die schönste Fassade wirkt so grundlegend falsch, so erbärmlich, dass man als Leser kaum glauben kann, dass nur Unhyong dies bemerkt.

Interessanterweise wird den meisten Charakteren ein Name verwehrt, sie werden auf einen Anfangsbuchstaben reduziert:

Da ist zum Beispiel H., die Schriftstellerin, die Unhyong nach dem Grund seiner Arbeit fragt und ihn dadurch zum Führen des Tagebuchs veranlasst – obwohl er die Frage zunächst als kindisch abtut.

Die wichtigste Frauengestalt des Buches ist in meinen Augen die stark übergewichtige L., deren weiche Hände Unhyong so verzaubern, dass er zahllose Abdrücke von ihnen nimmt. Mit ihr beginnt er eine zunehmend obsessive Liebesbeziehung, und sie verkörpert am deutlichsten die Gratwanderung zwischen Maske und wahrem Ich, denn ihr Äußeres und ihr Inneres passen nie zusammen.

Das Triumvirat der weiblichen Charaktere wird von E. vervollständigt. Diese erscheint zunächst wie die in jeder Hinsicht perfekte Frau, hat sich diese Perfektion jedoch bis zur Selbstaufgabe antrainiert. Bei Unhyong und einem seiner Bekannten löst sie Gefühle von Verschmutzung und Übelkeit hervor, ohne dass sie dies begründen könnten.

Die Frage, ob ich dieses Buch mochte, lässt sich nicht leicht beantworten.

Es ist unbequem, sperrig, gelegentlich abstoßend, oft verstörend. Seine Figuren sind nicht liebenswert, die Geschichte macht keinen Spaß und ist auch nicht auf herkömmliche Art spannend. Dennoch bietet es eine hochinteressante Studie seiner wichtigsten Charaktere und ihrer Abgründe – ein Spiel mit Identität und Erwartung, das in meinen Augen nie trivial oder langweilig wird.

Bisher habe ich zwei Bücher der Autorin gelesen, “Menschenwerk” und “Deine kalten Hände”. Beide sind nicht die Art von Lektüre die man zur Unterhaltung liest, dann zuschlägt und vergisst. Tatsächlich glaube ich, dass die Bücher von Han Kang dieser viel zitierten Anforderung Franz Kafkas an die Literatur Genüge tun:

[zitat]“Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Menschen weg, wie ein Selbstmord, ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.”[/zitat]

Was bleibt also am Ende – und muss so ein Buch überhaupt eine Botschaft haben?

Han Kang reißt den Charakteren nur für wenige kurze Augenblicke die Masken herunter, ihre Einsamkeit und emotionale Verkümmerung hat eine Aura der Unvermeidlichkeit an sich. Und vielleicht muss man mehr darüber gar nicht sagen.

Nur den großartigen Schreibstil, der auch bei poetischen, zarten Bildern keine Gleichgültigkeit zulässt, möchte ich noch erwähnen.



Im Ganzen betrachtet betrachte ich das Buch jetzt schon als eines meines Jahreshighlights.
 
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parden

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13. April 2014
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Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ich habe mich mit der Bewertung nicht ganz leicht getan. Aber jetzt ist auch meine Rezension fertig:


Mir geht es ähnlich wie kingofmusic: Ganz begeistert war ich nicht, trotzdem finde ich den Roman interessant und bin froh, bei der Runde dabei gewesen zu sein.
 
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G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Sofort nimmt mich wieder die Schreibe dieser Ausnahmeautorin gefangen. Aber man merkt, dass dieser Roman vor der Vegetarierin entstanden ist. Die Vegetarierin ist deutlich ausgereifter, aber auch hier ist schon dieser süchtig machende Stil zu entdecken und zu bewundern. Es ist ein Roman über traumatisierte Menschen und ihre daraus resultierenden Schutzmechanismen, spannend, symbolhaft, verstörend. Ein Buch was ich definitiv empfehle, aber ich denke trotzdem nicht jeder wird dieses Buch mögen. Aber ich hab es genießen dürfen.
 

pengulina

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22. November 2022
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Ich habe dieses Buch gerade geschenkt bekommen, und ich werde es auch lesen.
Ich werde aber beruhigt sein, falls ich es doch nicht mag.
 
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