Rezension Rezension (4/5*) zu Washington Square: Roman von Henry James.

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Gesellschaftskritik mit Ironie und nervigen Charakteren

„Catherine hatte unterdessen im Salon ihre Häkelarbeit wieder aufgenommen und sich damit niedergelassen – gewissermaßen fürs Leben.“ (S. 280)

Dieser Satz – es ist der letzte in Henry James´ 1881 erstmals erschienenen Roman „Washington Square“ – kann die geneigte Leserschaft eigentlich als Quintessenz nehmen; charakterisiert er doch (meiner Meinung nach) Catherine´s wesentliche Züge: fast ihr ganzes Leben lebt sie im Schatten ihres Vaters Dr. Austin Sloper (ein erfolgreicher Arzt im New York des 19. Jahrhunderts) als Mauerblümchen und Jungfer.

Warum sie den Schatten ihres Vaters (bis auf eine kurze Zeit) in ihrem Leben und über seinen Tod hinaus nicht verlassen hat und warum sie am Ende des Buches immer noch Jungfer ist – nun, das sollte jede*r selber herausfinden.

Henry James hat die Handlung seines Romans in das dem Haus der Familie seiner Mutter angelehnte Heim am Washington Square gelegt, welches der Leser (bis auf ein paar, vom auktorialen Ich-Erzähler eingestreute Ortswechsel) kaum verlässt. Man kann also von einer Art „Kammerspiel“ reden, das mit immer neuen Konstellationen der handelnden Personen aufwartet.

Dabei erweist sich Henry James immer mal wieder mit ironisch-spitzer Zunge als Kritiker des damals vorherrschenden Frauenbildes.

Ich kann nicht behaupten, dass ich zu einer der handelnden Personen einen richtigen „Draht“ entwickelt habe; dafür hatten einfach alle einen ziemlichen Spleen, der teilweise auch immer nerviger wurde. Trotzdem muss man sagen, dass die Figuren in „Washington Square“ alle irgendwo Gefangene ihres Selbst waren – keiner konnte oder wollte aus „seiner“ Rolle ausbrechen. Über diese Aussage sollte aber jede*r selbst entscheiden.

Alles in Allem ein ordentlicher Gesellschaftsroman mit Ironie!