Rezension Rezension (4/5*) zu Die New-York-Trilogie: von Paul Auster

MRO1975

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11. August 2018
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Buchinformationen und Rezensionen zu Die New-York-Trilogie von Paul Auster
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Die New York Trilogie – Drei Geschichten oder doch nur eine?

Die Trilogie umfasst drei Geschichten „Stadt aus Glass“, „Schlagschatten“ und „Hinter verschlossenen Türen“. Jede fängt wie eine Detektivgeschichte an, jede ist in sich abgeschlossen und doch gehören sie irgendwie zusammen.

In Stadt aus Glas bekommt der Schriftsteller Daniel Quinn einen nächtlichen Anruf. Der Anrufer hält Quinn für einen Detektiv namens Paul Auster. Quinn wimmelt den Anrufer zunächst ab, ist dann jedoch von der Vorstellung fasziniert, die Rolle des Detektivs zu übernehmen. Als der Anrufer wieder anruft, willigt er in ein Treffen ein. Bei dem Anrufer handelt es sich um Peter Stillmann. Dieser erzählt ihm, dass er als Kleinstkind von seinem Vater viele Jahre im Dunkeln eingesperrt worden war, weil dieser die Ursprache erforschen wollte. Peter wird nach neun Jahren befreit und der Vater kommt in eine Anstalt. Zum Zeitpunkt der Romanhandlung steht seine Entlassung bevor. Peter befürchtet Rache und bittet Quinn, den Vater zu beschatten. Quinn übernimmt den Auftrag und verfolgt den alten Stillmann. Er schreibt alles in einem roten Notizbuch nieder. Auch nach längerer Beobachtung findet Quinn aber nichts heraus. Er ist gelangweilt und desillusioniert. In seiner Verzweiflung spricht er den Alten an. Nach dem dritten Gespräch verschwindet der Alte. Quinn ist von sich enttäuscht und schuldbewusst. Er macht sich auf die Suche nach dem echten Paul Auster, da er sich von ihm Hilfe verspricht. Es stellt sich heraus, dass Paul Auster ein Schriftsteller ist, der ihm nicht helfen kann. Quinn verliert den Boden unter den Füßen. Das Ende bleibt offen.

In der Geschichte „Schlagschatten“ geht es um den Detektiv Blue. Dieser wird eines Tages von White aufgesucht, der ihn beauftragt, Black zu beschatten und ihm wöchentlich zu berichten. White hat bereits eine passende Wohnung angemietet. Blue verabschiedet sich von seiner Verlobten und beginnt seine einsamen Beobachtungen von der angemieteten Wohnung aus, die sich direkt gegenüber der Wohnung von Black befindet. Black sitzt den ganzen Tag an seinem Schreibtisch und liest ein Buch oder schreibt. Er geht Einkaufen und manchmal spazieren. Er scheint keinerlei soziale Kontakte zu haben. Blue schreibt seine Berichte, es passiert nichts. Viel Zeit vergeht. Blue drängt auf eine Entwicklung. Er spricht Black bei mehreren Gelegenheiten an und gewinnt den Eindruck, dass dieser Bescheid weiß. Er bricht in Blacks Wohnung ein. Es kommt zur Konfrontation. Was Blue dabei erfährt wird bereits ganz zu Anfang der Geschichte vorgezeichnet. Blue sinnt dort über das Wort „spekulieren“ nach. „Spekulieren vom lateinischen speculor, was ich spähe aus, ich beobachte heißt und mit dem Wort speculum, Spiegel, zusammenhängt. Denn während er Black auf der anderen Straßenseite beobachtet, ist es, als blicke Blue in eine Spiegel, und anstatt nur einen anderen zu beobachten, findet er, dass er auch sich selbst beobachtet.“ Die Geschichte ist ein wahres Spiegelkabinett.

„Hinter verschlossenen Türen“ beginnt mit dem Verschwinden des Schriftstellers Fanshawe, der nie etwas veröffentlicht hat. Seine Ehefrau Sophie wendet sich an den Erzähler (dessen Name nicht genannt wird), der ein Jugendfreund von Fanshawe war. Fanshawe hat für den Fall seines Todes bestimmt, dass sein Jugendfreund sein schriftstellerisches Werk analysieren und entscheiden soll, ob es veröffentlicht oder vernichtet werden soll. Der Erzähler nimmt den Auftrag an und entscheidet sich für die Veröffentlichung. Er findet einen Verleger und Fanshawe wird berühmt. Dann erhält der Erzähler einem Brief von Fanshawe. Dieser möchte weiterhin für tot gehalten werden. Fanshawe bittet den Erzähler, Sophie zu heiraten und seinen Sohn anzunehmen. Der Erzähler solle aber nicht nach ihm suchen, andernfalls werde er ihn töten. Der Erzähler, der längst in Sophie verliebt ist, erkennt, dass er Sophie von dem Brief nichts erzählen kann, wenn er sie nicht verlieren will. Also schweigt er, die beiden heiraten und führen zunächst ein normales Leben. Der Erzähler wird allerdings durch sein geheimes Wissen um Fanshawe gequält. Diese Qual verstärkt sich noch, als er den Auftrag übernimmt, eine Biografie über Fanshawe zu schreiben. Unter dem Vorwand, Informationen für die Biografie zu sammeln, beginnt er nach Fanshawe zu suchen. Er entfremdet sich immer mehr von Sophie. Schließlich reist er nach Frankreich, um Fanshawe zu finden und zu stellen – ohne Erfolg. Er erleidet einen Zusammenbruch, kehrt nach Hause zurück und versöhnt sich mit Sophie. Da erreicht ihn ein weiterer Brief von Fanshawe. Dieser bestellt ihn nach Boston. Dort offenbart ihm Fanshawe, dass er alles genauso geplant hatte und alles in einem roten Notizbuch niedergeschrieben habe. Er könne nun sterben und habe bereits Gift genommen. Der Erzähler findet das rote Notizbuch, das aber nur Unverständliches enthält.

In der dritten Geschichte wird der Hinweis gegeben, dass es sich bei allen drei Geschichten um dieselbe Geschichte handele, nur in verschiedenen Stadien. Dies wird dadurch unterstrichen, dass in der dritten Geschichte Personen auftauchen, welche die Namen der Protagonisten aus der ersten Geschichte tragen. So hatte Sophie nach dem Verschwinden von Fanshawe einen Detektiv mit Nachforschungen beauftragt. Dieser Detektiv hieß Daniel Quinn. Der Erzähler der dritten Geschichte verfolgt in Paris einen Mann, den er für Fanshawe hält. Bei dem Fremden handelt es sich um einen Mann namens Peter Stillmann. Auch das rote Notizbuch spielt eine Doppelrolle.

Die drei Geschichten lassen sich nach meinem Eindruck inhaltlich nicht übereinbringen. Sie sind aber Bruchstücke und Spiegelungen desselben Themas. In allen Erzählungen wird mit Identitäten gespielt. Es gibt Namensgleichheiten und Verwechslungen. In der Mittelgeschichten heißen die Protagonisten nur noch nach Farben, könnten also Jedermann sein. Der Zufall spielt eine große Rolle. Damit immer verbunden ist die Frage nach dem Sinn des Lebens. Hat das Leben einen Sinn? Gibt es ein Schicksal oder ist alles nur Zufall? Auster scheint diese Fragen im Sinne des Zufalls zu beantworten.

Stilistisch sind alle Geschichten locker und eingängig geschrieben und daher leicht zu lesen. Anfangs kommen sie wie Detektivgeschichten daher. Diese Erwartung wird allerdings nicht erfüllt. Stattdessen werden viele, interessante, auch philosophische Fragen aufgeworfen, auf die Auster aber keine Antworten gibt. Ein Buch, das nachdenklich macht und keine einfachen Lösungen präsentiert.


von: Peter Stamm
von: Saša Stanišić
von: Chimamanda Ngozi Adichie
 

Helmut Pöll

Moderator
Teammitglied
9. Dezember 2013
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München
Ich habe die New York Trilogie von Paul Auster vor vielen Jahren schon einmal gelesen und erinnere mich, dass ich damals begeistert war. In unsrer kleinen Leserunde zu "Stadt aus Glas" konnte ich diese Begeisterug von damals leider nicht mehr hervorrufen. Vielleicht muss ich mich bei Gelegenheit mal an den 2. Band wagen.

In jedem Fall findet sich die New-York-Trilogie auch in dieser Buchliste "New York"
Bücher, die in New York spielen
 
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