Rezension Rezension (4/5*) zu Der Lärm der Zeit: Roman von Julian Barnes.

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7. Juni 2017
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Buchinformationen und Rezensionen zu Der Lärm der Zeit: Roman von Julian Barnes
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Leben in einer Diktatur

Julian Barnes beschreibt in dem biographischen Roman : "Der Lärm der Zeit" das Leben des russischen Komponisten Schostakowitsch. Der Einstieg ist sehr spannend: Schostakowitsch steht jede Nacht mit einem Koffer am Fahrstuhl in seinem Haus und wartet darauf von Stalins Geheimpolizei abgeholt, gefoltert und getötet zu werden. Wir Leser erfahren in Episoden und Rückblenden, jeweils aus der Innenperspektive des Komponisten, wie es dazu kam, wie er die Terrorzeit Stalins überlebt hat, bzw. wie es ihm unter der Chruschtschow- Ära erging.

Julian Barnes beschreibt sehr differenziert und nuanciert die Gedanken und Gefühle eines Menschen, der sich verbiegen, anpassen und sich selbst verleugnen "muss" um zu überleben. Die Scham, und die Verzweiflung, die er empfindet.. Der Autor lässt seinen Protagonisten sogar selbstkritisch über seine Versuche, sich mit Ironie zu retten, nachdenken. Inwieweit eine ironische Haltung der Macht gegenüber überhaupt für ihn oder andere sichtbar und wirksam ist.

Die Episoden sind alle mit leichter Hand geschrieben, mit viel Ironie, wobei es nur in der Mitte des Buches manchmal zu Längen oder Wiederholungen kommt. Dies ist allerdings nicht sehr störend, da der Roman eher schmal ist. Teilweise ist die Innenperspektive beim Erzählen nicht ganz durchgehalten worden, aber auch das stört nicht den positiven Gesamteindruck.

Insgesamt hat mich das Buch beeindruckt. Es wird mit ineinandergreifenden Episoden, Erinnerungen, Anekdoten gezeigt,, wie die Machtmechanismen in Diktaturen funktionieren, wie wenig Möglichkeiten es gibt, sich der Macht entgegenzustellen. Bei mir kamen auch Erinnerungen an die Zeit des kalten Krieges auf, insbesondere an diese verlogene, scheinheilige Rhetorik der Kommunisten. Gerade bei Musik ist der Interpretationsspielraum noch viel größer als bei Literatur oder gar Journalismus, so dass die Gängelungen des Machtapparates noch willkürlicher erscheinen.

Fazit: Ein schweres Thema sehr gelungen dargestellt.






 
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