Rezension Rezension (2/5*) zu Das Böse kommt auf leisen Sohlen von Ray Bradbury

anne_weiss

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29. Juni 2016
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Buchinformationen und Rezensionen zu Das Böse kommt auf leisen Sohlen von Ray Bradbury
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Ein Horrorroman ohne richtigen Spannungsbogen

Ich hatte vorher Fahrenheit 451 gelesen (vor Urzeiten), und ich erinnere mich daran als sehr beeindruckend. Leider hat der zweite Roman, den ich von Bradbury gelesen habe, nicht meine Erwartungen erfüllt.

Die Geschichte an sich ist phantasievoll, und mir gefällt Bradburys Idee eines Karussells, das die Zeit für den, der sich darauf befindet, zurückdreht oder vorwärtslauten lässt. Das kann sehr gruselig sein, und auch ein Zirkus ist ein tolles Setting für einen Horrorroman, wie andere Autoren, unter anderem Stephen King am Beispiel von Elementen aus dieser Welt (Clown) bewiesen haben.

Dennoch finde ich aus mehreren Gründen, dass "Das Böse kommt auf leisen Sohlen" kein guter Roman ist. (Ich weiß, dass wahrscheinlich tausende von Fans jetzt gerne kübelweise Unmut über mir ausgießen würden, aber da bin ich, um im Bild des Horrorromans zu bleiben, eher von der furchtlosen Sorte.)

Zum einen war die Sprache durchmixt mit einem Wust von Bildern, die meines Erachtens weder zur Handlung noch zueinander passten. Es kam mir bisweilen vor, als hätte der Autor einfach alles aufgeschrieben, was ihm so durch den Sinn geschossen ist, egal, ob die Bilder stimmig sind. Wo war der Lektor? Hat es mit der Übersetzung zu tun? Es wirkte gestopft, und vieles davon war mir der Horror ;) Die Überfrachtung mit bildhafter Sprache sorgte bei mir ganz schnell für Überdruss, ich habe nicht gerne weitergelesen.

Zum anderen fehlt das, was wir sonst sehr oft im Horror (und in der Spannungsliteratur, in der Genreliteratur allgemein) finden: Cliffhanger, Spannungsaufbau in den Szenen. Bradbury ist zwar bisweilen sehr poetisch, aber das kostet ihn vielfach Tempo, die philosophischen Betrachtungen unterbrechen den Fluss der Handlung. Und da, wo es in der Szenengestaltung meist heißt: "Spät kommen, früh gehen", erzählt er alles aus.

Außerdem hat mir tatsächlich die Auflösung nicht gefallen. Den ganzen Roman über werden Jim und Will als Helden aufgebaut. Zwischendurch kommt mal der Mr Halloway vor, Wills Vater. Dass er dann noch eine wichtige Rolle spielen wird, ist klar - aber dass er den beiden die Auflösung ihres Abenteuers fast komplett aus der Hand nimmt, ist enttäuschend. Der Showdown findet immer zwischen Protagonist und Antagonist statt. Die Jungen hätten meiner Ansicht nach das Böse selbst bekämpfen sollen. Und dass es am Ende so einfach ist, den Oberbösen Mr. Dark zu killen, fand ich überdies nicht besonders clever gemacht.

Fazit: Nur für diejenigen, denen Stephen Kings Frühwerke zu spannend sind und die sich bei Serien wie "The Walking Dead" die Hände vor die Augen halten. Für mich bitte das nächste Mal wieder richtigen Horror. Oder Romane, die wirklich poetisch, phantasievoll und philosophisch sind - zum Beispiel von Neil Gaiman oder, wenn's um Klassiker der phantastischen Literatur geht: Philip K Dick, Douglas Adams, Roald Dahl oder Aldous Huxley, der ein so schönes Quote für die U4 bei Bradbury gespendet hat...

 

Sakuko

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27. Juni 2016
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Oh, ich denke das Buch muss ich doch mal lesen. Ich mag den traditionellen Horror lieber als diesen Thriller-Horror den King so fabriziert.