1. Leseabschnitt: Teil I. - Untergrund (Beginn bis Seite 87)

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Wie kommt ihr so zurecht? Ich leider gar nicht besonders gut. Der Erzähler stellt so gut wie alles, was er sagt, gleich darauf wieder in Frage. Die Misanthropie und der manchmal grimmige Zynismus in seinem Vortrag sind für mich in so geballter Form schwer erträglich. Aber es ist interessant, wenn er von der Lust an Schmerz und Leiden spricht; für die damalige Zeit sicher ein mutiger Wurf. Ich hoffe, dass er bald mal konkreter wird (bin in der Mitte des ersten LA).
Ich habe mir übrigens ein paar Bilder dieses Malers Ge angesehen, von dem die Rede ist, ich hatte noch nie von ihm gehört.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Auch bei mir geht es langsam und schleppend voran.
Mir gefällt es zwar, dass der Erzähler sich mit seinen Gedanken direkt an den Erzähler wendet, aber es ist doch alles sehr negativ behaftet. Er hadert irgendwie mit allem, überdenkt alles und fragt sich was dahinter steckt. Persönlich erfahren wir nur wenig über ihn, und das was ich bisher erfahren habe, wirft Fragen auf. Warum man sich zum Beispiel in so eine triste, heruntergekommen Behausung setzt, seinen Job in so jungen Jahren aufgibt, nur wegen einer kleinen Erbschaft. Kein Wunder, dass er mit allem hadert.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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für die damalige Zeit sicher ein mutiger Wurf. Ich hoffe, dass er bald mal konkreter wird (bin in der Mitte des ersten LA).
Ich habe mir übrigens ein paar Bilder dieses Malers Ge angesehen, von dem die Rede ist, ich hatte noch nie von ihm gehört.
Ich denke auch, dass dies ein Büchlein ist, wo man sich während des Lesens immer wieder vor Augen halten, dass es vor langer Zeit geschrieben wurde.
Bei der Erwähnung des Malers erging es mir ähnlich. Wobei ich seine ErLäuterungen zum Thema Lust etwas befremdlich fand, kann den Zusammenhang zum Thema Lust und Schmerz nicht nachvollziehen, bei dem Vergleich mit dem Zahnarzt war ich raus….
Bei seinen anderen Überlegungen konnte ich ihm allerdings meist zustimmen, er bringt es gut auf den Punkt, was oft unterschwellig in den Köpfen der Menschen herumspukt, aber ob mich das den gesamten Rest des Inhalts überzeugen kann?
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Ich habe mich sehr gefreut auf das Buch, bin nun aber etwas ernüchtert.
Es geht mir wie Euch. Bisher komme ich nur langsam voran. Vieles, was hier behauptet und wieder verworfen wird, kann ich nicht einordnen. Da scheint manches dem Zeitgeist geschuldet zu sein. Auch die Figur bleibt mir bisher fremd.
Allerdings bin ich auch noch nicht durch mit dem LA. Ein dünnes Buch, das seine Zeit braucht zum Lesen.
Mal sehen, wohin es sich entwickelt.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Ich habe den ersten LA durch und von Kapitel VII an hat es mich sehr gepackt. (Ich habe so viele Bookdarts gesteckt, bis ich es irgendwann aufgegeben habe, da in fast jeder Seite einer steckte.)
Die Ausführungen zum Thema "freier Wille" sind ja wieder hochaktuell, da neueste neurologische Forschungen zu zeigen scheinen, dass wir unsere Entscheidungen rein instinktiv treffen und die Kopfentscheidung (also das, was wir als solche ausgeben) erst danach fällt.
Auch dass es nicht verlässlich glücklich macht, alle hochgesteckten Ziele erreicht zu haben, ist bekannt.
Die Hölle ist ein Ort, wo wir alles, was wir uns wünschen, bekommen haben. Es gibt eine Geschichte dazu, von Julian Barnes vielleicht? Ich erinnere mich grade nicht genau.
Und nun scheint es konkret zu werden, es wird eine Erinnerung erzählt.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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So ganz steige ich auch am Ende dieses Abschnittes noch nicht durch. Aber es wird klar, dass unser Erzähler sich teilweise als unzulänglich ansieht, mehr noch, er bezeichnet sich Mensch des Untergrundes. Aber sind wir das nicht manchmal alle? Wer wünscht sich nicht ab und an mal etwas besseres, schöneres? Vieles kann man nicht nur auf sein Leben beziehen, vieles lässt sich auf fast jeden anwenden. Dennoch würde ich langsam gern konkreter etwas über unseren Erzähler erfahren.
 
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Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Und nun scheint es konkret zu werden, es wird eine Erinnerung erzählt.
Ja, eine von vielen sogar, bin gespannt was diese Geschichte, die des nassen Schnees, so mit sich bringt.
Da er aber vorher sehr gut erklärt hat, dass wir Menschen dazu neigen bei solchen Erzählungen nicht ehrlich zu sein, bin ich sehr gespannt wie diese Geschichte auf uns wirken wird.
Und was meint er damit, das er vierzig ohne Beschäftigung war? Ich dachte erst an sein Beamten dasein, aber er ist ja selbst gerade mal an die Vierzig, er bezieht seine Kindheit also mit ein. War sein Leben bisher wirklich so nichtssagend, so unzulänglich?
 
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Emswashed

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9. Mai 2020
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Augen zu, oder besser auf, und durch... war auch mein erster Gedanke nach den ersten Kapiteln bis

Aber zwei mal zwei gelich vier ist gleichwohl eine vollkommen unerträgliche Sache. (S. 73).

mich zumindest aus meiner Lethargie riss. Schließlich war es von dort nicht mehr weit bis zum Ende des 1. LA. ;-)
Der Untergrundhocker hat eindeutig zu viel Zeit zum Nachdenken, zuwenig Rückmeldungen seiner Umgebung, die ihn schlussendlich an seinem gesunden Menschenverstand zweifeln lassen. Er glaubt, er habe zuviel davon. Er fertigt seine Aufzeichnungen nur für sich selbst, um Ordnung in seine Welt zu bringen. Dabei verheddert er sich ganz schön und legt seinem imaginären Lesepublikum Fragen und Äußerungen in den Mund, die von seinem Wunsch, doch erhört zu werden, zeugen, nur um dies gleich wieder zu negieren.

Ganz schön anstrengend, aber trotzdem gibts einen Cliffhänger. Wird er jetzt eine Geschichte erzählen?

Sosehr ich über den Verkaufspreis dieses Büchleins gestaunt habe, gefällt es mir in Farbe (genau mein Grün) und Ausstattung sehr. Ich habe es mit einer alten Übersetzung (Swetlana Geier) im Reclam Verlag verglichen und muss sagen, dass mir Kellers Übersetzung wesentlich angenehmer ist.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Mit was für einem Menschen haben wir es hier zu tun? „ Ich bin ein kranker Mensch…Ich bin ein zorniger Mensch. Ein hässlicher Mensch bin ich.“ So stellt er sich gleich in den ersten Sätzen vor.
Ist das Selbsterkenntnis oder Koketterie?
Ein vierzigjähriger Staatsbeamter im Ruhestand, dank einer Erbschaft kann er sich das leisten. Es scheint ihm nicht zu bekommen.
Er hat nun genug Zeit zum Grübeln.Vor allem über sich selbst. Er fühlt sich den anderen überlegen, denn er ist klüger als die anderen. Dabei würde ein durchschnittliches menschliches Bewusstsein genügen. Denn seine Intelligenz hindert ihn am Handeln.
Recht hat er in seiner Kritik an der Zivilisation. Sie macht den Menschen nicht edler, im Gegenteil. Es sind alles zivilisierte Menschen, die die größten Verbrechen begehen.
Der Wille des Menschen steht manchmal im Widerspruch zur Vernunft, da muss ich ihm auch recht geben.
Der Schreiber wendet sich beständig an ein Gegenüber, obwohl er betont, nur für sich selbst zu schreiben. Er greift Gegenargumente des Lesers auf, um diese oder sich selbst zu widerlegen.
Das ist einerseits interessant, andererseits aber auch anstrengend. Und im Moment bin ich gezwungenermaßen zu sehr ein Mensch der Tat ( d.h. meine Aufgaben und Pflichten fressen mich geradezu auf ), dass ich wenig Geduld habe mit diesem Menschen. Vielleicht erwischt mich das Buch zur falschen Zeit.
Ich hoffe nun auf etwas mehr Handlung im zweiten Teil.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Eine Gedankenerguss voller fehlender Selbstachtung, Verwirrung und Wut auf sich und andere, eigentlich auf alles rundherum - das ist nicht wirklich ein Lesevergnügen. Kann es wohl nicht sein. Aber ich bemühe mich, darin einen Kern Erkenntnis über die Gedankenwelt von so komplett negativ gestimmten Figuren zu erhaschen. Und da gibt es dann immer wieder Sätze, die mich ansprechen und aufhorchen lassen. Denn eigentlich geht es mir bei der Lektüre immer nur darum: Wie könnte man diese Stimmung und Lebenseinstellung irgendwie durchbrechen und auf eine rationale, von der menschlichen Vernunft geprägte und getragene Bahn bringen. Bis zum Ende des ersten LA allerdings bleibe ich rat- und hilflos. Was mich sehr bewegt. Denn seht ihr nicht auch, dass der Held hier sehr viele Parallelen zu Wutbürgern unserer Zeit hat. Ich habe eine Zeit meines Lebens in Russland verbracht und hatte dort immer das Gefühl, dass ein trennendes und unsere Gesellschaft unterscheidendes Element die Bindung zur Aufklärung und damit zum Vertrauen auf die menschliche Gattung und deren Vernunft ist. In Russland hat diese philosophische Strömung nie so richtig Fuss gefasst und so blieb das Denken und Handeln dort eher für dogmatische Vorgaben und Anweisungen offen. Und wir stehen heute vielleicht auch in der Gefahr, wie es aussieht, nun auch unsere Bindung an dieses Grundvertrauen an menschliches Wissen, Einsicht und Schöpfungskraft zu verlieren. Wut und Verwirrung ist die Folge, wie es scheint.
Und so ist für mich das Buch bisher gleichermaßen eine Zumutung wie eine überaus treffende Charakter- bzw. Geistesstudie.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Irgendwie hab ich das Gefühl, dass ich zu dumm bin für Dostojewski. Ich habe jetzt bestimmt schon zwei oder drei Mal das 2. Kapitel gelesen und bin immer noch nicht schlau draus geworden. Soll ich einfach weiterlesen ohne mir Gedanken zu machen? Wird es besser? Helft mir ha ha ha.
 
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kingofmusic

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Ist mit der Maus in Kapitel IV die Obrigkeit gemeint? Ich glaube, so langsam fange ich an, zu verstehen - ohne es zu verstehen muhahaha. Ehrlich gesagt lese ich lieber Bandwurmsätze von Thomas Mann - die sind feinfühliger formuliert :D.
 

kingofmusic

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Hat Orson Welles wohl auch Dostojewski gelesen? 2+2=5 kommt in "1984" nämlich auch vor :cool:. Ich mein ja nur ha ha ha...
 
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kingofmusic

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So, der 1. LA ist durch - ich hoffe, jetzt wird es spannend(er) und weniger anstrengend :D . Aber die Aussage Heine´s bzgl. dem "ehrlich sich selbst gegenüber" (beim Verfassen einer (Auto-)Biografie) finde ich überzeugend klar positioniert. Und ich muss ihm weitestgehend Recht geben. Es wird Ausnahmen geben (auch wenn die Leser:innen das nie wirklich herausfinden), aber ein Großteil der Biografien wird doch "beschönigt und begradigt".
 
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