1.Leseabschnitt: Teil EINS (Beginn bis Seite 68)

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Gelöschtes Mitglied 2403

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Doch der Bruder fühlt sich den deutschen Besatzern verpflichtet, denen er selbst sein besseres Leben zu verdanken meint. Er will an ihrer Seite kämpfen. Es scheint ihm nicht klar, was die Rückkehr zu Onkel und Tante für seine Schwester bedeutet.... Mir setzte fast das Herz aus. Lesen/Schreiben sind für Frauen auf dem Dorf Teufelswerk. Man will sie dort dumm und gefügig halten. Vielleicht spielt auch die Religion mit hinein.
Der Onkel rastet so sehr aus, dass sogar die Nachbarn Kritik üben.
Das ist auch ein etwas komisch gewählter Prozess. Ilyas holt seine Schwester zu sich, hat ein schlechtes Gewissen, dass er nicht eher gekommen ist. Und obwohl er gesehen hat, wie es Afiya bei den Zieheltern ging, schickt er sie wieder dahin zurück, nur um in den Krieg zu ziehen. Wo ist da sein schlechtes Gewissen? Oder ist dies auch ein Mittel seine Verblendung den Deutschen gegenüber aufzuzeigen?
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Interessant finde ich, dass der Autor auch die Inder in seinem Buch eine Rolle spielen lässt. Ebenso wie die Araber, sind sie Einwanderer in Ostafrika und haben im ostafrikanischen Küstengebiet eine Wichtigkeit, besonders im Handel.

Schön, dass ein Autor, der den Arabern und den aus ihnen hervorgegangenen Suaheli entstammt, auf die Inder deutet. Ich dachte, dass es auch bei diesen beiden Bevölkerungsgruppen Konflikte gab, sind doch beide Bevölkerungsgruppen im Handel tätig und stehen damit auch in einer gewissen Konkurrenz.
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Die deutsche Kolonialmacht verstand es vortrefflich die unterschiedlichen ethnischen Gruppierungen gegeneinander auszuspielen, sie für die eigenen Zwecke zu nutzen und damit den Grundstein für heutige Konflikte zu legen.
Hier wird gut gezeigt, wie dies damals funktioniert hat und heute sehen wir immer noch die Folgen, denn in den kolonialen Grenzziehungen wurden ja nur die eigenen Eroberungen begrenzt. In den heutigen Staaten leben dann die kulturellen und ethnischen Konflikte weiter und schaden diesen Staaten. Ein Teufelskreis. Es ist auch interessant sich mal die Sprachfamilien in Afrika auf einer Karte anzuschauen und dann die Länderkarte darüberzulegen.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Aber ist jemand, der mit 20 nach England auswandert noch ein Afrikaner, fühlt er sich noch so oder sieht er sich als Engländer?
Das ist ein dünnes Eis. Wer darf dann noch über koloniale Verbrechen schreiben? Die Weißen nicht. Die aus Afrika stammenden, aber jetzt in Europa Wohnenden nicht,....
Nur die echten Afrikaner, die auch noch dort leben?
Für mich darf jeder schreiben, der ordentlich recherchiert und seine Figuren ehrlich und authentisch handeln lässt und nichts beschönigt. Ich bin da nicht so streng. Aber dein Gedanke ist durchaus gerechtfertigt angesichts der laufenden Diskussionen zum Thema, renee.

Oder ist dies auch ein Mittel seine Verblendung den Deutschen gegenüber aufzuzeigen?
Völlig schwer nachzuvollziehen. Dankbarkeit und Abenteuerlust müssen größer gewesen sein als die Sorge um die kleine Schwester. Für einen jungen Mann ja glaubwürdig, dass er sein Leben frei gestalten will. Nur passt das eben nicht so recht zum zuvor ausgeführten "schlechten Gewissen".
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Das ist ein dünnes Eis. Wer darf dann noch über koloniale Verbrechen schreiben? Die Weißen nicht. Die aus Afrika stammenden, aber jetzt in Europa Wohnenden nicht,....
Nur die echten Afrikaner, die auch noch dort leben?
Für mich darf jeder schreiben, der ordentlich recherchiert und seine Figuren ehrlich und authentisch handeln lässt und nichts beschönigt. Ich bin da nicht so streng. Aber dein Gedanke ist durchaus gerechtfertigt angesichts der laufenden Diskussionen zum Thema, renee.


Völlig schwer nachzuvollziehen. Dankbarkeit und Abenteuerlust müssen größer gewesen sein als die Sorge um die kleine Schwester. Für einen jungen Mann ja glaubwürdig, dass er sein Leben frei gestalten will. Nur passt das eben nicht so recht zum zuvor ausgeführten "schlechten Gewissen".
Kein dünnes Eis. Du missverstehst mich. Ich habe nicht geschrieben, dass er nicht schreiben darf. Würde ich auch nicht tun. Ich dachte du kennst mich dahingehend und weißt dass ich sehr aufgeschlossen und offen bin. Aber gut. Anscheinend scheinst du die Möglichkeit einzubeziehen. Schade! Mich würde nur interessieren wie Gurnah sich selbst wahrnimmt, denn er klingt sehr europäisch, weniger afrikanisch-märchenhaft, weniger blumig-orientalisch. Und dies wundert mich einfach.
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Aber dieser erste Leseabschnitt erschien mir recht blutleer runtererzählt. Unglaublich schnell springen wir nicht nur von einem Charakter zum nächsten, sondern auch von einer Lebensphase zur nächsten. Ganz deutlich wurde dies mir ganz zum Ende hin des LAs, wo innerhalb von einer oder eineinhalb Seiten fix erzählt wird, wie schlecht (erneut) Afiya, die kleine Schwester von Ilyas, bei den Bekannten behandelt wird und dann innerhalb von wenigen Zeilen von Khalifa gerettet wird. Das passiert dann alles immer so "einfach" (mit "einfach" meine ich die recht emotionslose Schreibe).
Im Klappentext heißt es ja, es handle sich um eine "generationsübergreifende Saga". Wenn die Erzählgeschwindigkeit so anhält, wird es wirklich eine Saga auf nur 400 Seiten.
Ich sehe wir empfinden auch dieses Buch ähnlich. Dieses Runtererzählen lässt mich keine Nähe zu den Figuren aufbauen und dieses Buch an mir vorbeiplätschern. Was schade ist. Sehr schade.
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Anscheinend scheinst du die Möglichkeit einzubeziehen. Schade!
Nö, gar nicht. Ich habe deine Frage nicht mit deiner persönlichen Meinung assoziiert. Ich habe nur deinen Gedanken (wie versteht sich der Autor selbst?) vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte weiter geführt. Im Sinne von: darf er nach Meinung der CC darüber schreiben?
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Insgesamt denke ich auch, dass ein Nobelpreis auch für den Inhalt und die Thematik des Buches sowie damit verbundene Aussagen verliehen werden kann. Es stimmt, dass die Sprache bislang nicht durch eine besondere Stilistik hervorsticht, aber dennoch kann ein Buch meines Erachtens sehr ansprechend sein.
Dies denke ich auch. Der Inhalt und die Thematik werden der Grund für die Verleihung gewesen sein. Und von diesem Blickpunkt ist das Buch auch interessant. Sehr interessant. Denn ich kenne sonst keine Bücher über Tanganyika/Tansania. Und dieses erhellt ja durchaus.
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Nö, gar nicht. Ich habe deine Frage nicht mit deiner persönlichen Meinung assoziiert. Ich habe nur deinen Gedanken (wie versteht sich der Autor selbst?) vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte weiter geführt. Im Sinne von: darf er nach Meinung der CC darüber schreiben?
Das beruhigt mich sehr! :smileeye:joy
 

Irisblatt

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Hier spricht kein Afrikaner, sondern eine eher nüchtern gehaltene Stimme. Was durchaus schade ist!
Solche Zuschreibungen finde ich schwierig. Was bedeutet denn "afrikanisch" sein, wie schreiben "Afrikaner"?

Dass mich die Charaktere merkwürdig wenig tangieren, mich eher kalt lassen, fand ich allerdings wenig erbaulich.
Das ist natürlich schade. Mich erreichen die Charaktere durchaus, trotz des eher nüchternen Stils.
Das ist auch ein etwas komisch gewählter Prozess. Ilyas holt seine Schwester zu sich, hat ein schlechtes Gewissen, dass er nicht eher gekommen ist. Und obwohl er gesehen hat, wie es Afiya bei den Zieheltern ging, schickt er sie wieder dahin zurück, nur um in den Krieg zu ziehen. Wo ist da sein schlechtes Gewissen?
Das finde ich auch schwer verständlich. Wir wissen nicht, ob er ein schlechtes Gewissen hat. Offensichtlich war seine Abenteuerlust und seine Loyalität gegenüber den Deutschen größer als sein Verantwortungsbewusstsein gegenüber Afiya.

Oder ist dies auch ein Mittel seine Verblendung den Deutschen gegenüber aufzuzeigen?
Das ist von Gurnah bestimmt so angelegt. Hinzu kommt, dass Ilya den Deutschrn tatsächlich viel verdankt.
 

GAIA

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Wo ist da sein schlechtes Gewissen? Oder ist dies auch ein Mittel seine Verblendung den Deutschen gegenüber aufzuzeigen?
So habe ich das interpretiert. Er ist so vernarrt in die Idee für die Askari und damit die Deutschen und ihre Sache zu kämpfen, dass er sogar seine erst wiedergefundene Schwester dafür hintanstellt.
Nachtrag:
Ah, habe gerade gesehen, dass schon ähnliches vorab gesagt wurde. Also ist mein Kommentar etwas redundant... ;)
 
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Mir geht es auch so, dass mir kein entsprechendes Beispiel einfällt. Aber die Tatsache, dass Gurnah nicht einmal Literaturwissenschaftlern bekannt war und so ziemlich jede:r nach der Nobelpreisbekanntgabe erst einmal nachschauen musste, wer das eigentlich ist, zeigt, wie vernachlässigt die Geschichte und die Geschichten dieses ganzen Kontinents wurden.
Ja, das ist sicher bis heute eine gewisse Leerstelle. Mir fällt eigentlich nur Wa O' Thiongo ein, der aber nicht auf die deutsche Kolonialgeschichte fokussiert.
 
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Während es Ilyas bei den Deutschen nicht mal so schlecht geht - wobei es natürlich erschreckend ist, wie er dabei seine eigene Kultur völlig verliert- so hat es seine Schwester viel schlimmer getroffen. Sie wird als Sklavin gehalten, muss allerlei Schikanen aushalten. Aber wie furchtbar ihr Leben ist, wird ihr erst bewusst, als sie eine Alternative erlebt. Umso schlimmer, dass sie ihr Bruder wieder zurückschickt.
Ein interessanter Schachzug des Autoren, dass er die Ambivalenz der Kolonialgedchichte aufzeigt; eben auch die Wirksamkeit der Kolonialisierung von innen.
Bisher scheinrt Ilyas den Deutschen durchaus wohlgresonnrn, aber ich bin gespannt, ob sich das im Lauf der Geschichte ändern wird...
 
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Das ist auch ein etwas komisch gewählter Prozess. Ilyas holt seine Schwester zu sich, hat ein schlechtes Gewissen, dass er nicht eher gekommen ist. Und obwohl er gesehen hat, wie es Afiya bei den Zieheltern ging, schickt er sie wieder dahin zurück, nur um in den Krieg zu ziehen. Wo ist da sein schlechtes Gewissen? Oder ist dies auch ein Mittel seine Verblendung den Deutschen gegenüber aufzuzeigen?
Vielleicht sieht er keine Alternative? Ich habe mich auch daran gestoßen.
 
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