1.Leseabschnitt: Teil EINS (Beginn bis Seite 68)

GAIA

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Ich muss zugeben, dass ich von dem Schreibstil Gurnahs etwas enttäuscht bin. Natürlich wirkt da der Nobelpreis mit rein. Ich habe immer die Vorstellung, dass jemand, der diesen Preis bekommen hat, auch einen besonderen Stil hat. Aber dieser erste Leseabschnitt erschien mir recht blutleer runtererzählt. Unglaublich schnell springen wir nicht nur von einem Charakter zum nächsten, sondern auch von einer Lebensphase zur nächsten. Ganz deutlich wurde dies mir ganz zum Ende hin des LAs, wo innerhalb von einer oder eineinhalb Seiten fix erzählt wird, wie schlecht (erneut) Afiya, die kleine Schwester von Ilyas, bei den Bekannten behandelt wird und dann innerhalb von wenigen Zeilen von Khalifa gerettet wird. Das passiert dann alles immer so "einfach" (mit "einfach" meine ich die recht emotionslose Schreibe).
Im Klappentext heißt es ja, es handle sich um eine "generationsübergreifende Saga". Wenn die Erzählgeschwindigkeit so anhält, wird es wirklich eine Saga auf nur 400 Seiten.

Es wird mir irgendwie alles zu stark auserzählt und erklärt. In bessere Worte kann ich mein erstes Gefühl hier gerade nicht kleiden. Das erscheint mir unpassend für die Erzählung aus der personalen Perspektive heraus. Das funktioniert meines Erachtens an der Stelle gut, wo Ilyas als ein 20jähriger seiner 10jährigen Schwester in der direkten Rede erzählt, warum er von zuhause weg ist und warum er so lange fort war. Die einfache Erzählstruktur mit vielen Erklärungen passt dann, denn es soll ja eine 10jährige verstehen. Aber das ist gefühlt auch im restlichen Text so, und damit unterschätzt mir ein bisschen der Autor seine Leserschaft zu sehr.

Was ich interessant finde: Dass Ilyas aufgrund seiner positiven Erfahrung mit dem deutschen Kaffeeplantagenbesitzer (war er doch, oder?) auch generell gegenüber der deutschen Besatzungsmacht so positiv eingestellt ist, dass er sich sogar freiwillig für deren Krieg mit den Briten als Kanonenfutter meldet.

Insgesamt bleibe ich also erst einmal verhalten gegenüber dem Buch, lese aber auf jeden Fall interessiert weiter.
 
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Anjuta

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Ich bin noch nicht ganz durch, möchte aber auf @GAIA s Beitrag reagieren und noch anmerken, dass ich auch etwas enttäuschend fand, wie sachlich hier geschichtliche Daten und Ereignisse eingeflochten sind, irgendwie als reine Daten und Fakten, ohne dass sie so richtig einen Bezug zur Geschichte und den Figuren bekommen und auch ohne dass sie irgendwie gewertet oder zumindest eingeordnet werden.
Wobei: da gibt es auch Ausnahmen: Wohltuend fand ich die Ausführungen zum deutschen Kolonialismus so etwa auf den Seiten 24 und 25, die nicht so blutleer daherkommen.
Ich melde mich bestimmt nochmal nach Abschluss des LA.
 

Lesehorizont

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dass ich auch etwas enttäuschend fand, wie sachlich hier geschichtliche Daten und Ereignisse eingeflochten sind, irgendwie als reine Daten und Fakten, ohne dass sie so richtig einen Bezug zur Geschichte und den Figuren bekommen und auch ohne dass sie irgendwie gewertet oder zumindest eingeordnet werden.
Das finde ich grundsätzlich gar nicht schlecht, Fakten als Fakten zu behandeln und für sich sprechen zu lassen. Die Leserschaft kann sich ann im Kontext ein eigenes Bild dazu machen.
Wohltuend fand ich die Ausführungen zum deutschen Kolonialismus so etwa auf den Seiten 24 und 25, die nicht so blutleer daherkommen.
Das finde ich tatsächlich auch als Thema wichtig, da dieser part der deutschen Vergangenheit ja gerne etwas "vergessen" wird. Insgesamt denke ich auch, dass ein Nobelpreis auch für den Inhalt und die Thematik des Buches sowie damit verbundene Aussagen verliehen werden kann. Es stimmt, dass die Sprache bislang nicht durch eine besondere Stilistik hervorsticht, aber dennoch kann ein Buch meines Erachtens sehr ansprechend sein.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Ich bin ja jemand an dem die historischen Fakten eher nebensächlich vorbei rauschen…ist wohl ein Überbleibsel aus der Schulzeit:rofl

Mir liegt aber zur Zeit das Schicksal der Kleinen sehr am Herzen. Erst holt ihr Bruder, von dem sie nicht einmal etwas wusste, sie aus der Familie, die sie als Sklavin missbraucht. Dann meint er unbedingt an die Front zu müssen. Gut wenn man Freunde hat! Ilya kann sich glücklich schätzen, dass seine Schwester abgeholt wird, und von nun an hoffentlich ein unbeschwertes Leben bei seinem Freund führen darf. Ob ihr Bruder von den Ereignissen etwas erfahren wird, bleibt erstmal ungewiss.
 

Sassenach123

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Was ich interessant finde: Dass Ilyas aufgrund seiner positiven Erfahrung mit dem deutschen Kaffeeplantagenbesitzer (war er doch, oder?) auch generell gegenüber der deutschen Besatzungsmacht so positiv eingestellt ist, dass er sich sogar freiwillig für deren Krieg mit den Briten als Kanonenfutter meldet.
Das ist mir auch aufgefallen, er scheint voll und ganz auf der Seite der Deutschen zu stehen.
 

GAIA

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Insgesamt denke ich auch, dass ein Nobelpreis auch für den Inhalt und die Thematik des Buches sowie damit verbundene Aussagen verliehen werden kann. Es stimmt, dass die Sprache bislang nicht durch eine besondere Stilistik hervorsticht, aber dennoch kann ein Buch meines Erachtens sehr ansprechend sein.
Da hast du bestimmt recht. Meine Erwartungshaltung an ein Buch von einem Nobelpreisträger wäre aber bestenfalls eine Symbiose aus beidem: Form und Inhalt. Obwohl noch nie selbst etwas von ihr gelesen, sondern nur Besprechungen gesehen/gelesen, hatte ich den Eindruck gewonnen, dass bei der frisch gekürten Annie Ernaux genau beide Komponenten gekonnt zusammenfließen.
 

Anjuta

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Es ist ein holpriges Leseerlebnis bisher. Reichlich hölzern werden wir durch Zeiten und Figuren gehetzt. Die deshalb auch noch wenig Kontur annehmen. Dabei lauert dahinter ein Schauplatz und eine historische Situation, der ich gern näher kommen würde. Meine Hoffnung ruht auf den weiteren LAs.
 

Literaturhexle

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Das finde ich grundsätzlich gar nicht schlecht, Fakten als Fakten zu behandeln und für sich sprechen zu lassen. Die Leserschaft kann sich ann im Kontext ein eigenes Bild dazu machen.
Sehe ich auch so.
Ich habe erst das erste Kapitel gelesen und bin sehr angetan von Sprache und Stil. Die Erzählhaltung ist sachlich. Die Aufstände gegen die kolonialen Eroberer finden, bislang auch für die Protagonisten, nur im Hintergrund statt. Wie brutal die Deutschen vorgehen, wie sie das fruchtbare Land unter sich aufteilen, wird sehr deutlich. Mehr (blutige) Details brauche ich nicht. Die Sätze stehen kerzengerade und lösen Erschrecken in mir aus.

Wie Gurnah die Familiengeschichte auspackt, immer mal wieder die unterschiedlichen Perspektiven einbindet, gefällt mir sehr. Erinnert mich ein bisschen an 1001 Nacht oder Rafik Schami - wobei mir letzterer inhaltlich viel süßlicher daherkam, in dem einen Buch, das ich von ihm las.

Auch wie schnell er den Kaufmann sterben lässt - mit all seinen Schuldnern im Kopf... Besonders klug kann der Mann nicht gewesen sein - oder er hielt sich für unsterblich...

Ich freue mich aufs Weiterlesen!
 

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Mehr (blutige) Details brauche ich nicht. Die Sätze stehen kerzengerade und lösen Erschrecken in mir aus.
Da geht es mir ähnlich wie Dir. Form und Inhalt scheinen mir bislang gut zusammenzupassen.
Wie Gurnah die Familiengeschichte auspackt, immer mal wieder die unterschiedlichen Perspektiven einbindet, gefällt mir sehr. Erinnert mich ein bisschen an 1001 Nacht oder Rafik Schami - wobei mir letzterer inhaltlich viel süßlicher daherkam, in dem einen Buch, das ich von ihm las.
Was die Perspektivenvielfalt angeht, mag dies stimmen. Ansonsten sehe ich eigentlich wenig Parallelen zu Schami, der ja sehr stark in "orientalistischer Erzähltradition" zu verwureln sein scheint. Ein begnadeter Geschichtenerzähler besonders in Lesungen. In meiner Studienzeit habe ich alles von ihm gelesen, was mir in die Hand kam. Inzwischen ist er nicht mehr so produktiv wie früher.
 

parden

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... noch anmerken, dass ich auch etwas enttäuschend fand, wie sachlich hier geschichtliche Daten und Ereignisse eingeflochten sind, irgendwie als reine Daten und Fakten, ohne dass sie so richtig einen Bezug zur Geschichte und den Figuren bekommen und auch ohne dass sie irgendwie gewertet oder zumindest eingeordnet werden.
Ich finde es im Gegenteil ganz gut, dass hier so viele geschichtliche Ereignisse einfach nur erwähnt werden, weil sie mir (als in Kolonialmachts-Historie wenig Bewanderter) einen guten Überblick gewähren über das damalige Geschehen.
 

parden

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Mir gefällt der Roman trotz der anfangs etwas verwirrenden Perspektivwechsel bisher sehr gut. Er liest sich angenehm, und auch wenn hier viele Namen ins Spiel kommen und die Handlungsorte und Zeiten teilweise sprunghaft wechseln, wird es mir nicht zu viel. Es scheint keine:n klaren Protagonist:in zu geben, aber das ist völlig okay. Vielleicht ist der erste LA auch v.a. zum Kennenlernen der Personen und Verhältnisse gedacht. Vieles erfährt man so nebenbei, aber gerade das gefällt mir. Und @GAIA hat natürlich Recht: bei einer generationsübergreifende Saga muss der Autor auf im Verhältnis so wenigen Seiten natürlich Gas geben... ;) Bislang habe ich aber auch nicht das Gefühl, dass mir etwas fehlen würde. Der Spagat zwischen den Kulturen wird schon deutlich. Inder, Ostafrikaner, Deutsche - und die jungen Leute wie Ilyas so mittendrin ohne klare Orientierungsmöglichkeit an irgendwelchen Kulturen. Hat eigentlich jemand verstanden, weshalb die Deutschen lächelten als sie erfuhren, dass der Junge Ilyas heißt? Ich nicht.
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Hat eigentlich jemand verstanden, weshalb die Deutschen lächelten als sie erfuhren, dass der Junge Ilyas heißt?
Ich hatte reininterpretiert, dass sie sich an das wichtige europäische Werk „Ilias“ von Homer über den Trojanischen Krieg erinnert fühlten. Also etwas Belustigung, dass sie in Ostafrika jemanden antreffen, der scheinbarnach einer großen europäischen Erzählung benannt ist. Als ob „die Afrikaner“ nicht selbst einen kulturellen Hintergrund zu bieten hätten, sie sind ja laut Vorstellungen der Kolonialmächte in allem rückständig.
Aber das ist nur mein Gedanke dazu gewesen, ob das gemeint war, weiß ich natürlich nicht.
 

parden

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Ich hatte reininterpretiert, dass sie sich an das wichtige europäische Werk „Ilias“ von Homer über den Trojanischen Krieg erinnert fühlten. Also etwas Belustigung, dass sie in Ostafrika jemanden antreffen, der scheinbarnach einer großen europäischen Erzählung benannt ist. Als ob „die Afrikaner“ nicht selbst einen kulturellen Hintergrund zu bieten hätten, sie sind ja laut Vorstellungen der Kolonialmächte in allem rückständig.
Aber das ist nur mein Gedanke dazu gewesen, ob das gemeint war, weiß ich natürlich nicht.
An Homers Ilias hatte ich auch kurz gedacht, aber das kam mir dann doch irgendwie weit hergeholt vor. Eine andere Erklärung habe ich aber nicht. :think
 

Sassenach123

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Auch wie schnell er den Kaufmann sterben lässt - mit all seinen Schuldnern im Kopf... Besonders klug kann der Mann nicht gewesen sein - oder er hielt sich für unsterblich...
Bei dieser Geschichte musste ich daran denken, dass vielleicht auch einige auf den Zug aufgesprungen sind, obwohl er ihnen gar kein Geld schuldete. Nachweisen konnte man es ja schlecht.
Die Leidtragenden sind nun die vermeintlichen Erben
 

Literaturhexle

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Im zweiten Kapitel wird die kleine Schwester gerettet. Ein schöner Twist, dass Khalifa seinem Freund zuredet, in sein Heimatdorf zu gehen, um nach den Verwandten zu suchen. In der Stadt lebt es sich aufgeklärter und freier. Hier darf auch Afiya Lesen lernen. Es ist so schön zu erleben, wie das arme Mädchen in der neuen Umgebung aufblüht und Freundinnen findet. Da wurde das Buch zum Wohlfühlbuch:). Erst im Austausch mit dem Bruder wurde ihr klar, WIE schlecht es ihr früher erging.

Doch der Bruder fühlt sich den deutschen Besatzern verpflichtet, denen er selbst sein besseres Leben zu verdanken meint. Er will an ihrer Seite kämpfen. Es scheint ihm nicht klar, was die Rückkehr zu Onkel und Tante für seine Schwester bedeutet.... Mir setzte fast das Herz aus. Lesen/Schreiben sind für Frauen auf dem Dorf Teufelswerk. Man will sie dort dumm und gefügig halten. Vielleicht spielt auch die Religion mit hinein.
Der Onkel rastet so sehr aus, dass sogar die Nachbarn Kritik üben. Wie toll, dass Khalifa sein Versprechen tatsächlich hält und Afiya holt. Ansonsten wäre sie der (sexuellen) Gewalt der Verwandten ausgeliefert gewesen. Schlimme Zustände!
Ob Ilyas wohl heil aus dem Krieg zurückkommt?

Ich lese tatsächlich mit großer Spannung. Manche Szene sind mir schon fast zu heftig. Bei Brutalität und Ungerechtigkeit zieht sich mir gerne alles zusammen... Aber es ging ja dank der schnellen und distanzierten Erzählweise rasch zu Ende.
 

Irisblatt

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Bisher ist es keine Geschichte, in die ich tief versinken konnte, weil sie eher sachlich erzählt ist und nur verhältnismäßig kurz bei den jeweiligen Protagonist:innen verweilt. Trotzdem lese ich den Roman mit großem Interesse und bin gespannt, wohin er führen wird. Sehr deutlich zeigt Gurnah mit wenigen Sätzen die Grausamkeit der deutschen Kolonialherrschaft. Die widerständige Bevölkerung wurde beseitigt, ausgehungert … Die deutsche Kolonialmacht verstand es vortrefflich die unterschiedlichen ethnischen Gruppierungen gegeneinander auszuspielen, sie für die eigenen Zwecke zu nutzen und damit den Grundstein für heutige Konflikte zu legen. Irgendwann versuchte man, den Widerstand der Bevölkerung nicht nur durch Machtdemonstrationen, sondern auch durch sanftere Methoden zu brechen, baute Schulen, Krankenhäuser, die auch den ansässigen Menschen zugute kamen. Bei Ilyas ging diese Strategie auf, bei vielen anderen wohl auch. Bei aller Dankbarkeit, die Ilyas gegenüber den Deutschen empfindet, ist es mir trotzdem ein Rätsel, warum er seine Schwester im Stich ließ und sich freiwillig für den Kriegsdienst meldete. Ich war sehr froh, dass Khalifa Afiya so schnell wieder vom Dorf wegholen konnte …. die letzten Seiten hatten es in sich ....
 

Irisblatt

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Im zweiten Kapitel wird die kleine Schwester gerettet. Ein schöner Twist, dass Khalifa seinem Freund zuredet, in sein Heimatdorf zu gehen, um nach den Verwandten zu suchen. In der Stadt lebt es sich aufgeklärter und freier. Hier darf auch Afiya Lesen lernen. Es ist so schön zu erleben, wie das arme Mädchen in der neuen Umgebung aufblüht und Freundinnen findet.
Das hat mir auch gefallen. Gurnah zeichnet auch hier ein differenziertes Bild: es gibt die Unterschiede zwischen Stadt und Land, aber auch innerhalb dieser groben Kategorisierungen gibt es Unterschiede. Die Nachbarn verurteilen die Gewalttätigkeit des "Onkels" - eingegriffen hat leider niemand. Und wie sehr die Meinungen über die Deutschen auseinandernehmen zeigt sich an Ilyas und seinen kritisch eingestellten Gesprächspartnern.
s scheint ihm nicht klar, was die Rückkehr zu Onkel und Tante für seine Schwester bedeutet.... Mir setzte fast das Herz aus.
Mir auch - ich habe es nicht kapiert, dass Ilyas das nicht klar ist.

Ob Ilyas wohl heil aus dem Krieg zurückkommt?
Ich habe da so ein ungutes Gefühl.
Der Spagat zwischen den Kulturen wird schon deutlich. Inder, Ostafrikaner, Deutsche - und die jungen Leute wie Ilyas so mittendrin ohne klare Orientierungsmöglichkeit an irgendwelchen Kulturen.
Richtig gut hat mir in diesem Zusammenhang die Szene gefallen als Ilya auf seiner Reise eingeladen wird, mit seinem Gastgeber gemeinsam zu beten. Geschickt kann er verstecken, dass er überhaupt nicht weiß, wie die Regeln sind. Sehr überraschende Szene, die verdeutlicht wie anders Ilyas durch seine Zeit auf der Plantage aufgewachsen ist.
Meine Erwartungshaltung an ein Buch von einem Nobelpreisträger wäre aber bestenfalls eine Symbiose aus beidem: Form und Inhalt.
Diese Erwartungshaltung habe ich auch. Gurnahs Stil empfinde ich als unauffällig, gehoben konventionell (versteht das jemand? :apenosee ). Er punktet bisher in meinen Augen vor allem durch die Thematik und seinen Blickwinkel. Ich wüsste nicht, wer über die Jahre der deutschen Koloniageschichte aus der Sicht der Kolonisierten geschrieben hätte.
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Ich wüsste nicht, wer über die Jahre der deutschen Koloniageschichte aus der Sicht der Kolonisierten geschrieben hätte
Mir geht es auch so, dass mir kein entsprechendes Beispiel einfällt. Aber die Tatsache, dass Gurnah nicht einmal Literaturwissenschaftlern bekannt war und so ziemlich jede:r nach der Nobelpreisbekanntgabe erst einmal nachschauen musste, wer das eigentlich ist, zeigt, wie vernachlässigt die Geschichte und die Geschichten dieses ganzen Kontinents wurden.
Nach Abschluss der Lektüre bin ich für mich zu dem Schluss gekommen, dass der Preis hier eher für die Themen, über die sich der Autor entschied zu schreiben, verliehen wurde, als für die literarische Umsetzung. Es ist gut, dass der Blick mehr auf Literatur der Kolonisierten gerichtet wird.
 
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