1. Leseabschnitt: Teil 1 (Beginn bis Seite 55)

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Die war es für mich. Ich musste es zweimal lesen, weil ich mir das gar nicht vorstellen konnte.
Umso besser, dann war der Überraschungseffekt größer. Ich wusste es leider, fand aber auch gerade diese Konstellation so spannend, dass ich das Buch unbedingt lesen wollte.
Es müsste doch Sympathien für diese Leute hegen. Tut er aber nicht.
Das ist glaube ich ganz leicht zu erklären. Ben verurteilt sich ja selbst dafür, ist zutiefst zerrissen. Dieses Einteilen in eine gute und eine böse Seite lässt ja sogar auf einen gewissen Selbsthass schließen. Letztlich hat er sich die sexuelle Präferenz nicht ausgesucht.

Ich glaube, einer der großen Vorzüge dieser Reihe und dieses Romans ist es, dass Jan Costin Wagner seine Figuren psychologisch so austariert, dass jede/r eine gewisse Ambivalenz ausstrahlt und keiner mit sich so im Reinen ist. Jeder Blick, jede Geste hat eine Bedeutung. Was man auch noch einmal daran erkennt, dass Landmann sich an einen speziellen Blick Bens bei der Fernsehübertragung erinnerte... Das ist schon toll gemacht und mir so selten begegnet.

In diesem Zusammenhang: Ich meine, dass auch Christian ein Problem mit sich herumschleppt, das im ersten Band angesprochen wurde. Vielleicht hinsichtlich möglicher Beziehungen oder so. Ich erinnere das leider nur noch rudimentär, vielleicht weißt du das noch, weil es bei dir kürzer her ist? Ich habe es auf die Schnelle leider nicht wiedergefunden. Ansonsten wird es aber bestimmt auch noch einmal thematisiert.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Dieses Einteilen in eine gute und eine böse Seite lässt ja sogar auf einen gewissen Selbsthass schließen.
Das ist ein interessanter Gedanke.

Ich erinnere das leider nur noch rudimentär, vielleicht weißt du das noch, weil es bei dir kürzer her ist?
Leider nein. Ich bin froh, dass ich die Story noch grob im Kopf hab :rolleyes:. Wenn es wieder zur Sprache kommt, wird hoffentlich was klingeln.
Es könnte sein, dass seine frühere Freundin verstorben war und er in Anne große Ähnlichkeit wahrgenommen hat, die ihn für sie einnahm. Ist ja schon komisch, dass man sich in eine Obdachlose verliebt. Da war irgendein Twist, meine ich. Sein Interesse scheint momentan auch komplett ohne Sexualität auszukommen, es wirkt nicht wie reine Rücksichtnahme (zumal der Missbrauch Jahre her ist).
 
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Xanaka

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12. Juli 2015
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Ich war neugierig auf dieses Buch und bin überrascht. Die Art des Erzählens ist anders, aber nicht schlecht. Auch gefallen mir die relativ kurzen Abschnitte, die jeweils einzelnen Personen zugeordnet sind.

Aufgefallen ist mir dabei Ben. Er ist Ermittler und fast stolz darauf ein entführtes, mißbrauchtes Kind aus den Händen des Peinigers berfreit zu haben, auch wenn er diesen dabei erschießen musst. Dabei stellt es sich aber so dar, dass er im Nachhinein scheinbar Dinge anders dargestellt hat, als sie in Wirklichkeit passiert sind. Auf der anderen Seite dann die Situation, bei der er sich den Stick mitnimmt und zu Hause in Ruhe ansieht. Da stimmt doch was nicht?! Offensichtlich hat auch er pädophile Neigungen, aber versteckt diese hinter der Rettung der Mädchen und auch Jungen.

Die Rolle von Christian, als seinem Kollegen, der mit Anne zusammenlebt, ist mir auch noch nicht klar. Anne ist offensichtlich eines der mißbrauchten Kinder von damals. Mal sehen, inwieweit die Beziehung noch klarer wird.

Landmann war wohl der frühere Kollege von Ben. Er trauert um seine Tochter Barbara, die sich das Leben genommen hat. Aber ihm ist wohl doch etwas an Ben aufgefallen, er kann den Gedanken nur nicht fassen.

Ich bin gespannt, wie es weitergeht.
 

Xanaka

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12. Juli 2015
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Ich habe das mittlerweile noch einmal nachgelesen, auf S. 292 in "Sommer bei Nacht". Tatsächlich ist es eine sehr emotionale und heftige Szene. Ben stürmt völlig ungebremst auf Marko zu und schießt ihn einfach nieder. Danach tritt er ihm noch ins Gesicht. Das mit dem Griff an die Hosentasche ist folglich gelogen, auch Christian wird das wissen.


Das ist sicherlich die zentrale Frage. Er ist ja trotzdem ein sehr guter Ermittler - mit Fehlern, die direkt aus seiner sexuellen Gesinnung resultieren, siehe Marko. Wahrscheinlich ist er nicht haltbar. Allerdings behindert er nicht die Ermittlungen.

Auch hier habe ich noch einmal nachgeschaut, und der erste Band endet ja damit, dass Anne Christian bittet, sie "Nadine" zu nennen. Weil sie mit ihrer "echten" Identität einfach nicht zurechtkommt. Das ist hier gar kein Thema mehr. Entweder weil J.C. Wagner die Leser:innen nicht verwirren will, oder weil sich die beiden mittlerweile dann doch auf "Anne" geeinigt haben...
Jetzt wo ich die Kommentare lesen, wird mir klar, es gab bereits einen ersten Band. Gut, dass ihr in den Kommentaren einige Ereignisse darstellt, so kann ich bestimmte Ereignisse jetzt besser nachvollziehen.
 
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buchregal

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8. April 2021
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Das ist für mich mehr als nur ein persönlicher Konflikt, mit dieser Neigung ausgerechnet in diesem Recherchebereich, als Beruhigung des Gewissens, Schönreden? Ein Fall für einen guten Therapeuten und gerade als Ermittler sollte Ben Neven das wissen.
Selbst mit Therapeut ist er in der falschen Abteilung. Ich würde sogar sagen, dass er mit der Einstellung wie er ich das schönredet im falschen Job ist.
 

buchregal

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8. April 2021
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Die Handlung wirft Fragen auf. Landmann plagen Selbstzweifel, er glaubt den Freitod der Tochter hätte verhindern zu können. Seine Erkenntnis stützt er auf mathematische Gleichungen, doch das Leben unterwirft sich anderen Gesetzen. Wer kann wissen, ob sie sich, wäre sie vor Ort geblieben, nicht schon früher genommen hätte. Das er als Vater an solche Dinge denkt, kann ich gut verstehen, es zeigt den innigsten Wunsch, nämlich das sie noch da wäre.
Ich glaube, dass die Zurückgebliebenen immer fragen, ob sie es hätten verhindern können. Oder ob sie es hätten spüren müssen. Ich kann mir gut vorstellen, dass man sich schuldig fühlt, weil man es nicht hat kommen sehen, so dass man etwas unternehmen konnte.
Josy wirkt momentan irgendwie wie ein Racheengel auf mich, es ist ein Gefühl, auf Informationen kann ich mich da bisher nicht stützen.
Sie ist wohl ein Racheengel.
Ausserdem bereue ich doch, den ersten Band im Vorfeld nicht gelesen zu haben, es wäre glaube ich doch von Vorteil gewesen.
Denke ich auch.
Auch der sehr häufige Perspektivwechsel macht es einem nicht leicht, Zugang zu den Figuren zu finden.
Ich weiß nicht, ob es nur die häufigen Perspektivwechsel sind, aber ich bekomme auch noch keinen rechten Zugang.
Spürst du denn nicht die Zerrissenheit der Figur?
Er ist zerrissen, das stimmt. Aber dieses vor sich selbst entschuldigen, gefällt mir nicht.
Aber das Wesentliche wird wiederholt. Man wird gebrieft, so dass die wichtigsten Versatzstücke für jeden verständlich sind.
Es ist verständlich, dennoch glaube ich, dass es gut gewesen wäre, den Vorgänger zu kennen.
 
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buchregal

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8. April 2021
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Noch kann ich Anne nicht einschätzen. Sie war obdachlos, als Christian sie im Zuge der besagten Ermittlung kennenlernte. Sie gab ihm über ein Kinderbild den entscheidenden Tipp zur Ergreifung der Kinderschänder um Anton Holdner. Nun scheint sie bei ihm zu wohnen. Er hatte sich sehr schnell in sie verliebt. Die Erwartungen der beiden an eine Beziehung scheinen jedoch unterschiedlich zu sein. Anne wirkt zwar weit gefestigter als in Band 1, dennoch halte ich die Freundschaft für fragil.
Das ist so ein Teil, zu dem ich gerne die Vorgeschichte besser kennen würde.
Allerdings behindert er nicht die Ermittlungen.
Das tut er nicht, aber er nimmt den Stick mit nach Hause, weil er sich an dem Material aufgeilen will. Der Ordner Mädchen interessiert ihn ja auch wenig.
Es müsste doch Sympathien für diese Leute hegen. Tut er aber nicht.
Weil er weiß, dass es verwerflich ist. Doch er ist (noch?) nicht bereit, ehrlich gegenüber sich selbst zu sein und etwas zu unternehmen.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Das ist so ein Teil, zu dem ich gerne die Vorgeschichte besser kennen würde.
Soviel mehr gab es da nicht. Da werden bewusst Fragen offen gelassen.

Doch er ist (noch?) nicht bereit, ehrlich gegenüber sich selbst zu sein und etwas zu unternehmen.
So sehe ich das auch! Man kann noch nicht absehen, ob ihn seine Veranlagung in die Therapie, ins Gefängnis oder den Selbstmord treibt. Das macht es aber auch spannend. Das wahre Leben liefert meist auch keine Reißbrettlösungen;)