1. Leseabschnitt: Seite 7 bis Seite 71

claudi-1963

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29. November 2015
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Wir lesen von Dresden 31. August 1959 Nachmittag bis einschl. Dresden 1. September 1959 Abends
 
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Bibliomarie

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10. September 2015
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Gestern habe ich nach einem sehr sehr anstrengenden Familientreffen abends noch zu lesen begonnen. Die Morde in Ludensruh waren danach richtig entspannend ;)

1959 ist die Paranoia der DDR Behörden schon recht hoch. Sie traut keinem ihrer Bürger mehr über den Weg und fast jeder bespitzelt jeden. Heller spürt das sowohl auf der Dienststelle, wie auch im Privaten, wenn er bemerkt dass einige der Briefe seines Sohns aus dem Westen nicht angekommen. Es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn Klaus dahinter steckt. Eine politisch unzuverlässige Familie mit Westverwandtschaft ist für seine Position und Einstellung kaum vereinbar.

Bei den Morden merkt Heller auch sehr schnell, dass nur das ermittelt werden darf, was politisch opportun ist. Frühere SS-Mitgliedschaft wird totgeschwiegen, Verbindungen dürfen nicht untersucht werden, da fragt sich Heller natürlich immer häufiger, was er überhaupt noch machen soll. Auch wenn sein Vorgesetzter kein solcher Betonkopf ist, wie man vermutet, aber ein Kollege gesteht ihm, dass die Stasi ihn als IM anwerben will um Heller im Auge zu behalten und ausgerechnet sein Sohn Klaus steckt dahinter.

Wieder gefällt mir der genau beobachtete Alltag. Der Mangel an fast allem, was Heller beim Garagenbau spürt, die Unsicherheit der Menschen, das allgegenwärtige Misstrauen - was für eine graue, bedrückende Atmosphäre.

Ein Abschnitt fiel mir besonders auf: als Heller über die Aufarbeitung der Vergangenheit schreibt. Die sowjetischen Brüder und die Widerstandskämpfer werden zu Heroen stilisiert und Mitläufer, Nazis oder SS-Angehörige waren alles nur Leute, die jetzt im Westen sind. Sie brauchten sich einer eigenen Aufarbeitung gar nicht zu stellen. Das wurde alles geflissentlich totgeschwiegen und grade diese Leute wurden oft ganz besonders überzeugte Parteigenossen. Sie habe nur die Farbe ihres Mäntelchens gewechselt.
 

buchregal

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8. April 2021
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Heller und seine Kollegen bekommen es mit einem brutalen Mordfall zu tun. Man spürt, dass Heller Polizist ist und seine Fälle klären will. Aber politisch ist es nicht gewollt, dass Verbrechen publik werden. Aber Menschen sind neugierig und Menschen wollen ihr Wissen nun auch mal gerne weitergeben. Es ist hirnrissig, so etwas unter der Decke halten zu wollen. Aber es gibt auch für die Polizei enge Grenzen für ihre Ermittlungen. Das passt Heller gar nicht und er prescht vor und macht sich unbeliebt. Zum Glück ist sein Vorgesetzter recht umgänglich. Aber auch er muss sich an die Anweisungen von höherer Stelle halten.

Ich kann mir das gar nicht vorstellen, mit Kollegen zu arbeiten, die an die Stasi berichten. Aber Heller weiß es und lebt damit. Doch dass ausgerechnet sein Sohn Klaus hinter der Anwerbung steckt, macht ihm schwer zu schaffen. Er will das vor Karin verheimlichen. Ob das klappt? Klaus ist voll auf Parteilinie und die privaten Kontakte zu seinen Eltern sucht er zu vermeiden. Karin hat ihn auch im Verdacht, dass er dafür verantwortlich ist, dass Briefe des anderen Sohnes aus dem Westen teilweise nicht angekommen sind. Außerdem geht es mit dem Garagenbau nicht voran, bei Hellers gibt es immer Gründe, dass nicht weitergearbeitet werden kann. Ich frage mich nur, ob Karin wirklich etwas ausrichten kann, wenn sie sich beschwert. Es muss Eltern schwer treffen, wenn dieses Misstrauen in der Familie da ist.

Es ist schwierig, in solch einer Atmosphäre des Misstrauens zu leben. Zuvor waren es die Nazis, die ein solches Klima geschaffen haben und nun ist es das MfS bzw. die Stasi.
 

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Eine politisch unzuverlässige Familie mit Westverwandtschaft ist für seine Position und Einstellung kaum vereinbar.
Auch wenn man in einer Familie nicht umbedingt einer Meinung ist, so ist man doch immer noch Familie und sollte zusammenstehen.
Die sowjetischen Brüder und die Widerstandskämpfer werden zu Heroen stilisiert und Mitläufer, Nazis oder SS-Angehörige waren alles nur Leute, die jetzt im Westen sind.
Man kann sich alles schönreden, dann muss man sich nicht mit sich selbst auseinandersetzen.
 

Bibliomarie

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Auch wenn man in einer Familie nicht umbedingt einer Meinung ist, so ist man doch immer noch Familie und sollte zusammenstehen.
Eigentlich schon, aber das Bespitzelungsystem war schon sehr ausgeklügelt und man setzte viel auf's Spiel. Manches erinnert mich schon an Sippenhaft, wenn man bedenkt, wie mit den Angehörigen von Republikflüchtlingen umgegangen wurde.
Man kann sich alles schönreden, dann muss man sich nicht mit sich selbst auseinandersetzen.
Da hast du Recht, das hat im Westen auch Jahrzehnte gedauert und dauert noch an.
 
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wal.li

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1. Mai 2014
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Ich fühlte mich gleich heimisch in dem Buch. Der Gedanke, dass es der letzte Fall sein soll, gefällt mir nicht so besonders. Aber wenn Heller bald pensioniert wird, muss es wohl so sein.

Wie die Toten aufgefunden wurden, war schon heftig. Ob tatsächlich eine Beziehung zu ehemaligen SS-Mitgliedern besteht? Das mit den Narben weist in die Richtung, aber es ist noch nicht klar, ob sich das bewahrheiten wird.

Max hat noch Glück, dass Salbach ihn vorwarnt, dass ihn die Stasi als Spitzel anwerben will. Er rät dem jungen Kollegen sogar, zuzusagen. Was macht es mit der Familie, wenn der eigene Sohn den Spitzel anwirbt. Sein Verhältnis zu Klaus war seit dem Krieg nie gut, nun ist es wohl endgültig zerbrochen.

Karin hat gemerkt, dass die Briefe von Erwin nicht immer ankommen. Hat die Stasi ein Problem damit, dass Erwin im Westen lebt?

Der erste Abschnitt hat es gleich in sich. Die Ermittlung wird bestimmt schwierig, weil Max sich nach allen Seiten absichern muss. Zum Glück hat Karin in immer unterstützt.
 

Bibliomarie

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Was macht es mit der Familie, wenn der eigene Sohn den Spitzel anwirbt. Sein Verhältnis zu Klaus war seit dem Krieg nie gut, nun ist es wohl endgültig zerbrochen.
Es muss furchtbar für Max und Karin sein, dass Klaus so geworden ist. Ich verstehe zwar, dass er nach seinen Erlebnissen im Krieg alle Hoffnungen auf den neuen Staat setzte, aber inzwischen muss ihm doch klar geworden sein, dass er seine Ideale nicht mehr lebt.
 

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8. April 2021
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Max hat noch Glück, dass Salbach ihn vorwarnt, dass ihn die Stasi als Spitzel anwerben will. Er rät dem jungen Kollegen sogar, zuzusagen.

Dass Salbach ihn informiert zeigt doch, wie sehr die Kollegen sich vertrauen. Was soll Max auch anders machen, als Salbach das zu raten. Er möchte bestimmt nicht, dass Salbach Schwierigkeiten bekommt.
Karin hat gemerkt, dass die Briefe von Erwin nicht immer ankommen. Hat die Stasi ein Problem damit, dass Erwin im Westen lebt?
Die Stasi hat natürlich mit Westkontakten ihre Schwierigkeiten, denn das untergräbt eventuell die sozialistische Einstellung.
 

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Es muss furchtbar für Max und Karin sein, dass Klaus so geworden ist. Ich verstehe zwar, dass er nach seinen Erlebnissen im Krieg alle Hoffnungen auf den neuen Staat setzte, aber inzwischen muss ihm doch klar geworden sein, dass er seine Ideale nicht mehr lebt.
Vielleicht hat er das längst erkannt, kann aber nicht mehr heraus. Er muss sich immer wieder beweisen. Aber das ist fürchterlich, ganz besonders für Max und Karin.
 

Bibliomarie

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Vielleicht hat er das längst erkannt, kann aber nicht mehr heraus. Er muss sich immer wieder beweisen. Aber das ist fürchterlich, ganz besonders für Max und Karin.
Möglich. Das ist ja das Perfide an solchen Strukturen, man steht ständig unter Beobachtung und darf nie abweichen.
 

Xanaka

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12. Juli 2015
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Berlin
Vieles von dem was geschrieben wird, über Heller, über den Staat, über die Überwachungen kommt mir bekannt vor. Ich bin schließlich in dem Land groß geworden, obwohl ich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht gelebt habe.

Und ja, es war genauso. Vieles von dem was passiert ist, hat man eigentlich kaum erfahren. Über Mordfälle wurde nicht berichtet, deshalb waren vermutlich auch die Ermittlungen so schwierig. Kompliziert wurde es eigentlich nur, wenn man die Bevölkerung um Hilfe bitten musste. Das führte dann zwangsläufig zu einer Veröffentlichung, aber nur mit den wenigsten notwendigen Details.
Interessant finde ich die Vermutung von Heller, dass es sich bei den beiden Mordopfern eventuell um ehemalige Mitglieder der SS handeln könnte. Die Verletzungen an den Armen machen das ganze noch glaubhafter. Ich bin gespannt, wie sich die Dinge hier entwickeln werden. Auch die Aussagen der Ehefrauen, die beide schnell und ausdrücklich versicherten, dass alle Unterlagen im Krieg verbrannt sind, lassen den Eindruck zu, dass da noch mehr ist.

Traurig finde ich, die Entfremdung von Klaus und seinen Eltern. Der Einfluss anderer auf Klaus muss so groß sein, dass er bereit ist, seinen Vater zu bespitzeln und sicher auch die Post kontrolliert. Merkwürdig, dass einige Briefe verschwinden. Wer weiß, was dort drinstand?!

Ich mache mich voller Spannung an den nächsten Abschnitt!
 

Bibliomarie

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Und ja, es war genauso. Vieles von dem was passiert ist, hat man eigentlich kaum erfahren. Über Mordfälle wurde nicht berichtet, deshalb waren vermutlich auch die Ermittlungen so schwierig.
Für die Regierung war die Steuerung der Presse oberstes Gebot. Ganz abgedroschen: Was nicht sein darf, kann nicht sein.
 

Amena25

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23. Oktober 2016
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Der Gedanke, dass es der letzte Fall sein soll, gefällt mir nicht so besonders. Aber wenn Heller bald pensioniert wird, muss es wohl so sein.
Das hat sich ja (leider) in den letzten Bänden schon so allmählich angekündigt. Außer Heller würde doch noch in den Westen gehen.....
 

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Das hat sich ja (leider) in den letzten Bänden schon so allmählich angekündigt. Außer Heller würde doch noch in den Westen gehen.....
Selbst wenn, Heller hat ja inzwischen fast das Pensionsalter erreicht. Deshalb finde ich, dass die Reihe einen guten Abschluss damit findet.
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Sorry, dass ich erst jetzt zu euch stoße aber ich hatte den vorherigen Heller Band begonnen nachdem das Buch nicht kam und den wollte ich erst beenden bevor ich diesen beginne.

Hier bekommt man den ganze Ausmaß des DDR Regimes mit, die einfach mal Briefe beschlagnahmen. Ich vermute ja, das Klaus die Briefe einbehalten hat. Das Max und Karin kein gutes Verhältnis mehr zu Klaus haben kann ich gut verstehen. Besonders wenn man jetzt sieht, das er sogar seinen eigenen Vater bespitzeln lässt. Ich denke es wäre damals besser gewesen wenn sie in den Westen zu Erwin gezogen wären. Den ich vermute das auch Anni irgendwann es zu spüren bekommt, das Max nicht in der Partei ist. Und wenn es nur darum geht das sie nicht studieren darf.

Und wenn ich mir vorstelle, das diese Regierung sogar solche Morde unter den Teppich gekehrt hat, weil das ja nicht in das Regime passte und es sowas in ihrem Land nicht gab. Zumindest hieß es das immer bei uns, das es in der DDR keine Morde gab. Man wollte halt die heile Welt der Bevölkerung vorgaukeln.

Während Frau Bogel total zusammenbricht als sie vom Tod ihres Mannes erfährt, finde ich Frau Scheuermann sehr eigenartig kühl. Ob sie wirklich die Frau eines SS Mannes war, von der Art her könnte man es ihr durchaus zutrauen.

Bemerkenswert finde ich, das Peter Salbach Max erzählt, dass Stasileute bei ihm waren und ihn in der Partei haben wollen. Das hätte er ja nicht tun müssen, aber man merkt seine Verbundenheit wie auch die von Oldenbusch zu ihm. Ich kann mir auch nicht vorstellen, das Oldenbusch je seiner Partei was schlechtes über Max berichten würde.

Ich frage mich nur, was Erwin in den Briefen geschrieben hatte, das man sie einbehielt?
Wollte er Karin und Max nochmals bitten in den Westen zu kommen?

Ich bin gespannt wie es weitergeht und wer die beiden ermordet hat und warum.
 
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Bibliomarie

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10. September 2015
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Ich denke es wäre damals besser gewesen wenn sie in den Westen zu Erwin gezogen wären. Den ich vermute das auch Anni irgendwann es zu spüren bekommt, das Max nicht in der Partei ist. Und wenn es nur darum geht das sie nicht studieren darf.
Karin und Max haben wirklich die Gelegenheit verpasst, aber dann hätten sie die schwangere Erika allein zurücklassen müssen und Klaus wollte ja das Kind nicht. Karin und Max haben immer ihre Familie über ihre eigenen Interessen gestellt.

Mit Anni könnte es schon so sein, die Studienplätze wurden ja vielfach nur an Kinder von absolut linientreuen Familien gegeben.
 

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Ich denke es wäre damals besser gewesen wenn sie in den Westen zu Erwin gezogen wären. Den ich vermute das auch Anni irgendwann es zu spüren bekommt, das Max nicht in der Partei ist.
Hinterher ist man immer schlauer. Wer hätte damals geahnt, dass da über Nacht eine Mauer entsteht.
Den ich vermute das auch Anni irgendwann es zu spüren bekommt, das Max nicht in der Partei ist. Und wenn es nur darum geht das sie nicht studieren darf.
Das glaube ich auch, dass Anni darunter leiden muss.
Bemerkenswert finde ich, das Peter Salbach Max erzählt, dass Stasileute bei ihm waren und ihn in der Partei haben wollen. Das hätte er ja nicht tun müssen, aber man merkt seine Verbundenheit wie auch die von Oldenbusch zu ihm. Ich kann mir auch nicht vorstellen, das Oldenbusch je seiner Partei was schlechtes über Max berichten würde.
Das zeigt doch, dass vielen Respekt und Freundschaft auch in solchen Regimen wichtiger ist als Linientreue.
 
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