1. Leseabschnitt: Prolog - Ihre kalten Hände - Erster Teil (Anfang bis S. 75)

Renie

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Ich habe gerade den Prolog gelesen. ich finde es immer immens spannend, wenn, so wie hier, die Ich-Erzählperspektive ein Alter Ego der Autorin sein könnte. Da stellt sich mir immer die Frage, hätte das, was jetzt kommt, auch tatsächlich passiert sein können.
So geht es mir auch. Man ist als Leser doch immer auf der Suche nach einem autobiografischen Ansatz. Eigentlich merkwürdig. Wir Leser freuen uns immer über die Phantasie eines Autors. Und am Ende ist es das Fünkchen Realität, das wir besonders schätzen. Als ob wir an dem Leben des Autors teilhaben wollen. (Verdammt, jetzt werde ich aber philosophisch :confused::D)
 

ulrikerabe

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Ich mag dieses Buch im Buch Szenario. Wie die Ich erzählerin aus dem Prolog, zu dem Mansukript kommt. Dass sich dann die Erzählperspektive dreht und wir plötzlich in der Kindheit des Bildhauers sind. Da sind so viele gute Sätze in den Kapiteln. "Warum ist die Mitte meines Lebens so absolut hohl?" (S. 27) Keine so ungewöhnliche Frage, die sich der Bildhauer stellt. Was er aber dann mit der Frage macht und zu erzählen beginnt, finde ich großartig. Ich finde es auch typisch für asiatische Schriftsteller*innen, dass die Figuren sehr genau beobachten. Der Bildhauer wirkt oft fast unbeteiligt, doch was Han Kang schreibt geht ganz schön tief.
 

Renie

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Was er aber dann mit der Frage macht und zu erzählen beginnt, finde ich großartig. Ich finde es auch typisch für asiatische Schriftsteller*innen, dass die Figuren sehr genau beobachten. Der Bildhauer wirkt oft fast unbeteiligt, doch was Han Kang schreibt geht ganz schön tief.
Das stimmt. Bei ihr sitzt jeder Satz. Und manche Sätze gehen unter die Haut. Ich ertappe mich dabei, dass ich vieles mehrfach lese, weil es einfach nur schön und tiefgründig ist. :)
 

Anjuta

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Eine einfache Frage "Warum?" eröffnet de Geschichte und dann dieser Satz: "Diese Dokumente sind keinesfalls die Antwort auf das Warum, vielmehr wird man das Gegenteil erfahren."
Was nur ist das Gegenteil von warum????
Ich bin seeeehr gespannt nach diesen ersten Seiten.
 
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Momo

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Ich habe nun den Prolog gelesen und ich glaube, dass uns hier eine grausame Geschichte erwarten wird.
 

Momo

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Ich finde die Geschichte mittlerweile sehr packend, dass es mir schwer fällt, das Buch wegzulegen. Die Kindheit von dem Bildhauer finde ich sehr spannend, und wird dadurch deutlicher, weshalb der Bildhauer Bildhauer geworden ist, wobei seine Motive, seine Kunstfiguren grenzwertig sind, so finde ich.

Es gibt zwei Ichperspektiven, einmal von der Schriftstellerin erzählt, und einmal aus der Sicht des Bildhauers erzählt.
 
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Mikka Liest

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Ich habe gerade den Prolog gelesen. ich finde es immer immens spannend, wenn, so wie hier, die Ich-Erzählperspektive ein Alter Ego der Autorin sein könnte. Da stellt sich mir immer die Frage, hätte das, was jetzt kommt, auch tatsächlich passiert sein können.

Der Ort Gwangju spielt im Leben der Autorin eine große Rolle, und in ihrem Roman "Menschenwerk" stand er im Zentrum. Deswegen habe ich mich auch gefragt, wie viel Biographisches in diesem Roman steckt.
 

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"Warum ist die Mitte meines Lebens so absolut hohl?" (S. 27) Keine so ungewöhnliche Frage, die sich der Bildhauer stellt. Was er aber dann mit der Frage macht und zu erzählen beginnt, finde ich großartig.

Ich habe das Gefühl, fast alles lässt sich hier (jedenfalls bisher) auf den Gegensatz von Oberfläche (Schein) und Hohlraum (Sein), Außen- und Innenwahrnehmung reduzieren. Die Eltern hatten ihre Masken perfektioniert, und er hat schon als kleines Kind gelernt, es ihnen gleichzutun. Bei den Eltern hatte ich das Gefühl, dass sich hinter der Maske tatsächlich sehr wenig echte Persönlichkeit verbarg, aber er ist es, der sich hohl fühlt.

Damit ist wohl kein Wunder, dass sich seine Kunst später so entwickelt hat, wie sie es tat.
 

Mikka Liest

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Das stimmt. Bei ihr sitzt jeder Satz. Und manche Sätze gehen unter die Haut. Ich ertappe mich dabei, dass ich vieles mehrfach lese, weil es einfach nur schön und tiefgründig ist. :)

Das ging mir bei "Menschenwerk" schon so! Das war auch ein Grund, warum ich "Deine kalten Hände" unbedingt lesen wollte.
 
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Mikka Liest

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Eine einfache Frage "Warum?" eröffnet de Geschichte und dann dieser Satz: "Diese Dokumente sind keinesfalls die Antwort auf das Warum, vielmehr wird man das Gegenteil erfahren."
Was nur ist das Gegenteil von warum????
Ich bin seeeehr gespannt nach diesen ersten Seiten.

Eigentlich wäre das Gegenteil ja "warum nicht", aber das ergibt wenig Sinn.

Vielleicht soll es bedeuten, dass das Leben des Autors nicht die Antwort auf die Frage nach seiner Kunst ist, sondern die Kunst ist die Antwort auf die Fragen in seinem Leben?
 
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Mikka Liest

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Die Kindheit von dem Bildhauer finde ich sehr spannend, und wird dadurch deutlicher, weshalb der Bildhauer Bildhauer geworden ist, wobei seine Motive, seine Kunstfiguren grenzwertig sind, so finde ich.

Aber eigentlich ist es ja kein Wunder, dass er Figuren zeigt, die nur aus ihrer Hülle und der Leere in ihrem Inneren bestehen – von seinen Eltern hat er nie mehr kennengelernt als die Hüllen. Das leere Lächeln seiner Mutter, die falsche Gutmütigkeit seines Vaters, ich habe bisher nicht den Eindruck, dass sich irgendjemand in dieser Familie wirklich kannte.
 

Literaturhexle

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Aber eigentlich ist es ja kein Wunder, dass er Figuren zeigt, die nur aus ihrer Hülle und der Leere in ihrem Inneren bestehen
Die einzige Ausnahme mag der Onkel sein. Er wurde zum Wehrdienst gezwungen und verlor Teile der Hand, was er äußerst geschickt zu verbergen weiß. Seine Emotion, seine Meinung, seine Denke lässt er indes ungebändigt raus.
Er bezeichnet den Vater auch als "Heuchler". Aus dem, was wir bislang wissen, passt das auch. Doch viel wissen wir noch nicht.

Dass die Mutter den völlig durchgefrorenen Jungen sich selbst überlässt und ausschließlich auf die Fassade achtet, fand ich erschreckend. Ebenso die Reaktion der kleinen Tante auf das neue Kleid sowie die kalte Erwiderung des Vaters auf den Disput...

Bei einer solchen Familie muss man ja einen Knacks kriegen :confused:
 

Literaturhexle

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Ich bin auf Seite 63.
Diese Familie ist ja unglaublich es wird immer skurriler! Wie kann man die "Wahrheit" herausprügeln und das gepeinigte Kind dann als Mutig bezeichnen??? Den Eltern muss demnach doch klar gewesen sein, dass der Junge nicht der Dieb war?
Oder fanden sie es mutig, den Diebstahl zuzugeben? So ganz klar ist mir das nicht.

Aber mit normalem Menschenverstand kommt man an diese kalten, maskenhaften Gestalten ohnehin nicht ran. Mal sehen, ob sich mein Nebel noch lichtet.
 
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Literaturhexle

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Gerade habe ich gegoogelt und folgende Erklärung zu der Geschichte mit dem Kirschbaum gefunden (S.59)(Quelle swp .de)
[zitat] Ihm zufolge soll der spätere, erste US-Präsident als Kind seine neue Axt ausgerechnet an einem Kirschbaum seines Vaters getestet und das Obstgehölz dabei gefällt haben. Vom Vater zur Rede gestellt, habe der junge George geantwortet, ja, er sei es gewesen. Daraufhin erhält George Washington von seinem Vater Lob dafür, dass er so ehrlich war.[/zitat]
Demnach meint der Vater, was er sagt:confused:
 

Renie

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Ich habe das Gefühl, fast alles lässt sich hier (jedenfalls bisher) auf den Gegensatz von Oberfläche (Schein) und Hohlraum (Sein), Außen- und Innenwahrnehmung reduzieren. Die Eltern hatten ihre Masken perfektioniert, und er hat schon als kleines Kind gelernt, es ihnen gleichzutun. Bei den Eltern hatte ich das Gefühl, dass sich hinter der Maske tatsächlich sehr wenig echte Persönlichkeit verbarg, aber er ist es, der sich hohl fühlt.
Vielen Dank für den Erklärungsansatz, der mir hilft, U's Kunst ein kleines bisschen besser zu verstehen. Ohne Leserunde wäre ich mal wieder aufgeschmissen.:)