Mir gefällt das Cover so gar nicht, und im Buchladen hätte ich das Buch nicht in die Hand genommen.
Und dann gleich auf der ersten Seite - später wieder - die Verwechslung von dasselbe und das gleiche. Herrje. Dasselbe ist eben nicht das gleiche. Ein Übersetzungsfehler.
Der Prolog schafft gleich eine etwas wehmütige Stimmung, und er wirft jede Menge Fragen auf. Was will B vergessen (S. 14) und warum? Was heißt das: "die Trauer, als sie sie verloren hatte" (S, 15), was mag da passiert sein? Und wieso wünscht sie sich, für immer mit den Gregorys zusammen zu sein und nicht mit ihren eigenen Eltern?
Das macht die Autorin wirklich sehr geschickt: sie legt Köder aus, damit man weiterliest.
Mir gefallen die verschiedenen Blickwinkel, aus denen die Geschichte erzählt wird
Ja, das finde ich auch sehr gut gemacht. Sie nimmt damit jede Person ins Visier und lässt sie sprechen/denken. Da gibt es keine einzige Stelle, an der ein außenstehender Erzähler eine Erklärung gibt.
Die Charaktere sind bisher sehr schön gezeichnet, finde ich.
Ja, das sehe ich auch so. Die Personen charakterisieren sich durch ihr Denken oder dadurch, wie andere sie erleben. Das ist wirklich gut gelungen. Sie entwickelt die Charaktere sehr behursam und langsam.
Überhaupt wird in der Erzählung sehr deutlich, wie sehr die Männer das Leben der ganzen Familie bestimmt haben, ohne Rücksicht auf die Gefühle und Bedürfnisse ihrer Frauen und Kinder.
Da gibt es kaum Unterschiede zwischen USA und England
!
Einiges habe ich nicht so ganz verstanden. Beatrix (ungewöhnlicher Name für ein englisches Mädchen) wird in die USA nach Boston geschickt, weil das ihren Eltern sicherer vorkommt als die Verschickung aufs Land. Na gut. Das Problem scheint darin zu bestehen, dass niemand ihr gegenüber die Verantwortung dafür übernehmen will; ihr Vater stellt es so dar, als ob ihre Mutter sie weggeschickt hätte, aber auf der anderen Seite weigert er sich entschieden, sie nach Ende der Bombardierungen zurückzuholen: "Das war unsere Abmachung" (S. 79). Und sie wiederum versteckt das Gut-Angekommen-Telegramm vor ihrem Mann. Eine Art Rache oder Bestrafung.
Das sehe ich wie
@Gina_Lesefuchs : hier stimmt die Kommunikation nicht. Und es besteht ein deutliches Machtgefälle.
Und dieses familiäre Machtgefälle sieht man auch bei den Ersatzeltern, aber hier begehrt die Mutter schon mal auf: "Erzähl du mir nicht, wie ich meine Kinder großziehen soll, ... schließlich bin ich eine Mutter" (S. 87 ff.). Herrlich.
Zum Stichwort Kommunikation: Reginald und Millie entfremden sich, er lügt. Er öffnet seine Gefühle für seine Tochter in einem Brief, aber er schickt ihn nicht ab, weil sie "eine schwache Version seiner selbst" (S. 71) dokumentieren: er ist unfähig, sich "schwach" und gefühlvoll zu zeigen.
B. kommt in ein ganz anderes Milieu und vergleicht immer wieder ihre Wohn- und Familiensituation mit der in London: großzügiges Haus, Sommerhaus auf eigener Insel, Hund, Garten, Konzert, Weihnachtsparties, gebildete Familie. Sie fügt sich erstaunlich gut und problemlos in das andere Leben ein. Sie ist sogar "glücklich" (S. 77) wie schon länger nicht mehr. Hat sie kein Heimweh? Sie ist erst 11...Es fällt ihr auch zunehmend schwerer, den sonntäglichen Brief an ihre Eltern zu füllen, und wenn sie schreibt, dann idyllisiert sie: "Essen und Wanderungen und Tennis und Sonnenuntergänge" (S. 60). Sie will ihre Eltern nicht beunruhigen.
Sehr schön und disket wird die innere Abnabelung der Mutter von der Tochter beschrieben (Aufräumaktionen z. B.), und hier schafft die Autorin auch parallele Situationen z. B. mit dem Kleid.
Das mit dem Schachspiel ist mir nicht ganz klar. Die beiden Männer finden sich also über das Spiel, per Post. Pro Zug also eine Postkarte über den Atlantik. Aber die Post dauert doch unter Umständen Wochen?