1. Leseabschnitt: Paula

Momo

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10. November 2014
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Genau das ist der Punkt. Ich habe mir den Kopf zerbrochen, warum ich kein klares Bild von Paula erhalte. Jetzt weiß ich, was mich stört. Dieser Teil wird zwar aus ihrer Sicht geschrieben. Aber sie gibt nur sehr wenig von sich Preis. Das, was man erfährt, ergibt sich aus der Interaktion mit anderen, allen voran Ludger. Ich erlebe Paula nur als Teil einer Beziehung, entweder zu Ludger oder zu ihrer Tochter. Aber, was den Menschen Paula ausmacht, kann ich nicht beschreiben.

Das geht mir mit Paula ähnlich. Vielleicht liegt es an ihrer Introvertiertheit. Eine sehr verschlossene Persönlichkeit, trotzdem hoffte ich, dass sie in den folgendenen Abschnitten wieder auftauchen wird.
 
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1. Leseabschnitt: Paula

Paula kommt aus dem Lateinischen und ist die weibliche Form von Paul. Paula bedeutet die Geringe, die Kleine. Paula hat auch eine griechische Herkunft, die Bedeutung ist dann die Schöne. (Wikipedia)

Die Namen im Buch sind alle sehr eigenwillig und damit drängt sich dem geneigten Leser förmlich eine gewisse Bedeutung bei der Vergabe der Namen auf. Schön finde ich die Veränderung der Person Paula, welche so wunderschön in dem Satz "Der Tag, an dem Paula feststellt, glücklich zu sein, ist ein Sonntag im März."
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Ich war übrigens ganz gerührt, als ich gemerkt habe, dass das Buch in Leipzig spielt. Der Auwald, die Wege am Fluss, die Seenplatte vor den Toren der Stadt und die Lofts im Kanalviertel habe ich alle vor Augen. Seufz...

Das ging mir ganz genauso!
 
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Sie lässt sich von Ludger (dem Namen nach ein Heiliger Missionar - das passt!) dominieren, schluckt ihre Wünsche und Vorstellungen herunter. Erst später muckt sie bewusst auf, als er zum kompletten Weltverbesserer mutiert. Da war sie auf einem richtigen Weg, doch dann starb das Kind, aus dieser Trauer kommt sie nicht heraus, zumal sie die Schuldgefühle nicht komplett wird abstreifen können. Ihre Mutter muss sich ja auch ewig um andere gekümmert haben, so dass nicht viel Liebe für sie und den Bruder blieb. Der Vater hatte wenig zu sagen, wie es scheint. Irgendwie habe ich schon ein Bild von Paula, aber kein vollständiges.


Wenzel heißt übrigens der Ruhmgekrönte oder Siegeskranz ;)

Ein riesengroßes Lob für das Herausfinden der Bedeutungen der Namen!

Für mich ist die Person Paula jemand, die sich über andere definiert, die eigentlich nicht wirklich weiß, wer sie ist. Durch den Tod des Kindes stürzt ihre mühsam erbaute Welt schon genug in sich zusammen. Die Schuldzuweisung ihres ach so tollen Mannes gibt ihr dann noch förmlich den Rest. Wäre nicht noch ihre andere Tochter da, wer weiß was sie getan hätte?!
 
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Der Sprachstil ist grandios. Für Formulierungen wie
"Paula hoffte, dass die Zeit die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit schließen würde." liebe ich dieses Buch. Die Autorin nennt die Dinge nicht beim Namen sondern greift zu Umschreibungen, die den Leser fordern. Das macht das Gelesene sehr eindringlich.

Auch ich empfinde den Sprachstil als grandios. Dies ist für mich ein Buch was man durchaus wieder lesen könnte. Je nachdem was man im Leben noch durchlebt, entwickelt man vielleicht noch ganz andere Blickpunkte auf das Buch. Bzw. nach dem erneuten Lesen evtl. auch auf das eigene Leben. Das Problem ist nur die Zeit. Weil Bücher die so etwas bei mir erreichen, begegnen mir viele. :):rolleyes:
 

Literaturhexle

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Für mich ist die Person Paula jemand, die sich über andere definiert, die eigentlich nicht wirklich weiß, wer sie ist
Sie hat dadurch von sich aus eine sehr hohe Anpassungsbereitschaft, übernimmt viele von Ludgers Ideen, auch diese offene Loft-wohnung die ihr eigentlich gar nicht zusagt... Sie liebt ihn und passt sich an.

Irgendwann übertreibt er es aber so sehr, dass sie spürt, wie wenig sie selbst in seinen Gedanken/Wünschen präsent ist. Da begehrt sie auf. Ohne Diskussion, sondern durch Widerstand. Dass das Kind dann sterben müsste, war harter Tobak. Dass Missionar Ludger die Impfung dafür verantwortlich macht (und damit Paula!), passt zu seinem Charakter.

Stimmt. Wäre Leni nicht, hätte sie sich bestimmt das Leben genommen.
 
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Und dann suche ich wie immer nach einem Bezug zu dem Titel. Im Fall von Paula sehe ich ihn. Der Ernstfall war der Tod der Tochter, bei dem die "Liebe" zwischen Ludger und Paula (leider?) nicht gehalten hat. Ich bin gespannt, auf welche Lieben wir sonst noch treffen.

Wobei ich teilweise auch denke, dass eine richtig heftige Liebe eigentlich einem Ernstfall gleichkommt! Oder? ;)
 
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Sie hat dadurch von sich aus eine sehr hohe Anpassungsbereitschaft, übernimmt viele von Ludgers Ideen, auch diese offene Loft-wohnung die ihr eigentlich gar nicht zusagt... Sie liebt ihn und passt sich an.

Irgendwann übertreibt er es aber so sehr, dass sie spürt, wie wenig sie selbst in seinen Gedanken/Wünschen präsent ist. Da begehrt sie auf. Ohne Diskussion, sondern durch Widerstand. Dass das Kind dann sterben müsste, war harter Tobak. Dass Missionar Ludger die Impfung dafür verantwortlich macht (und damit Paula!), passt zu seinem Charakter.

Stimmt. Wäre Leni nicht, hätte sie sich bestimmt das Leben genommen.

Für mich persönlich eine zu hohe Anpassungsbereitschaft, Anpassung und Kompromisse sollten in der Interaktion zwischen Menschen definitiv vorkommen. Aber eine Selbstaufgabe geht mir zu weit. Man sollte hoffen, dass diese Menschen irgendwann auch eigene Wünsche erkennen. Denn jeder Verlust eines nahen Menschen bedeutet auch ein kleines eigenes Sterben. Und irgendwann ist der Weg zur psychischen Erkrankung vorgezeichnet.
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Sprachlich hat mich der erst Abschnitt sofort in seinen Bann gezogen. Die Sätze haben einen Rhythmus, der eingängig ist und leicht runter geht. Gleichzeitig sind viele Sätze einfach nur schön. Ich habt die besten Beispiele oben schon zitiert. Stilistisch wirklich ein Highlight.

Paulas Geschichte hat mich getroffen. Gut, dass gleich am Anfang klargestellt wird, dass sie mit Wenzel wieder glücklich sein kann. Ansonsten hätte mich die Erzählung von Johannas Tod wohl zu sehr mitgenommen. Diese Erzählung in Rückblenden ist also ein guter Kniff, hier die Schwere etwas rauszunehmen.

Ich teile eure Einschätzung, dass Ludger ein Unsympat ist. Er ist einer dieser Gutmenschen, der sich anderen überlegen fühlt. Von Paula fordert er, seine Ansichten zu teilen und ihm zu folgen. Paula passt das nicht, aber sie kann es ihm nicht ins Gesicht sagen. Ihre Strategie, ihn zu provozieren, indem sie gezielt Dinge tut, die ihm missfallen, ist eine Art stummer Protest. Auf lange Sicht hätte diese Beziehung keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Fraglich ist nur, wie lange Paula um der Töchter Willen die Fassade aufrecht erhalten hätte.

Die Sache mit dem Steak hatte aber durchaus auch etwas Härteres an sich, was zu dem passiven Charakter nicht ganz passt, bzw. auch eine gewisse Veränderungsfähigkeit erkennen lässt.
 

Literaturhexle

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Mich hat im Nachgang die Symbolik der Vögel noch interessiert. Ganz am Anfang, nach der Hochzeit fliegt ein Vogel ins Loft und bleibt unauffindbar. "Später verirren sich immer wieder Vögel in das Loft. Nicht alle finden den Weg hinaus."
"Vögel sind in der allgemeinen Symbolsprache ein Sinnbild für geistige Inhalte, wie z. B. für Gedanken und Ideen. Im Aberglauben unserer Vorfahren haben die Vögel ebenfalls vielfältige Bedeutungen. Pickte ein Vogel ans Fenster oder flog sogar ins Haus, so befürchtete man einen Sterbefall." (Quelle: symbolonline.de)

Dann tauchen die Mauersegler häufiger auf. Für eine Figur war es wichtig, ob die Mauersegler noch/schon da waren, sie sind Zugvögel.
Da habe ich folgendes gefunden: Mauersegler Geschwindigkeit und Agilität, auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, Weibliche Energie.
(Quelle: horstweyrich.de). In der britischen Mythologie wurden sie auch als Teufelsvögel bezeichnet.

In dem kleinen Buch kann man noch vieles entdecken!
 

MRO1975

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Dann tauchen die Mauersegler häufiger auf. Für eine Figur war es wichtig, ob die Mauersegler noch/schon da waren, sie sind Zugvögel.
Die Mauersegler und die blühenden Linden werden mehrfach erwähnt - ein wiederkehrendes Bild. Interessant - was wird die Autorin sich dabei gedacht haben? Die Vögel kann man ja vielfältig deuten. Ihre Rückkehr aus dem Süden zeigt den kommenden Sommer an. Sie sind frei und sterben, wenn sie eingesperrt werden. Aber Menschen sind keine Vögel...