1. Leseabschnitt (Kapitel I - VI)

Yolande

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13. Februar 2020
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Da ich in dieser Woche noch ein paar Tage unterwegs bin und im Juni schon wieder neue Leseverpflichtungen auf mich warten, fange ich einfach mal an :smileeye

Mir gefällt die Geschichte bis hierhin gut, das Buch liest sich ganz angenehm. Die Anmerkungen sind sehr informativ und ausführlich. Allerdings weiß ich nie so recht, wie ich damit umgehen soll. Lese ich die Anmerkungen sofort, wenn sie auftauchen, bin ich natürlich gleich im Bilde, werde aber in meinem Lesefluss gestört. Aber so hinterher lesen ist auch blöd :rolleyes:.
Es brodelt ziemlich in Sainte Dominque. Die Gesellschaft ist stark rassistisch geprägt und die weiße Oberschicht, die in der Minderheit ist, versucht ihre beherrschende Vormachtstellung mit allen Mitteln zu behaupten. Die Unterdrückung wird immer restriktiver und brutaler. Allerdings gibt es auch innerhalb der schwarzen Bevölkerung hierarchische Abstufungen und jeder, der auch nur eine kleinste gesellschaftliche Stufe höher steht, schaut auf die anderen herab. Minette macht einen klugen Eindruck auf mich, obwohl sie noch sehr jung und unerfahren ist. Aber sie wird sehr deutlich auf ihre Stellung verwiesen und fühlt die Ungerechtigkeit.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Minette wird als eine Figur aufgebaut, die die Möglichkeit haben könnte, die strengen rassistisch geprägten Gesellschaftsgrenzen zu durchbrechen. Das Theater als Hebel für diesen Ausbruch ist sicher ein typischer Ort, denn er ist unkonventionell und klassischerweise bevölkert mit Menschen, die ein bisschen außerhalb der Gesellschaft stehen und eben anders sind. die Fallstricke, die mit Minettes Möglichkeiten des Ausbruchs verbunden sind, werden aber auch immer wieder sehr deutlich gemacht: Rufverlust als Frau (bei permanent übergriffigen Männern) und Widerstand der oberen Gesellschaftsschichten ggü allem, was von unten nach oben drängen könnte. Sie wird zum Symbol aufgebaut und beginnt wahrscheinlich den im Titel angesprochenen Tanz auf dem Vulkan. Ich lese das alles sehr gerne!
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Ha ha ha, die Proben für die Aufführung von Minette (Anfang Kapitel IV) haben ja trotz der Tragik eine gewisse Komik (die improvisierte Bühne mit Möbeln als Darsteller - ich musste gerade herzhaft lachen :rofl). Weiter bin ich noch nicht; ich hab etwas gebraucht, um ins Buch zu kommen, was vermutlich an den vielen umfangreichen Anmerkungen liegt, mit denen ich in
komischerweise besser klar gekommen bin...Egal, ich bleib am Ball :cool:.
 

Renie

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19. Mai 2014
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renies-lesetagebuch.blogspot.de
Der Anfang ist gut gemacht: Von der lebhaften und fröhlichen Szenerie anlässlich der Ankunft des neuen Gouverneurs bewegen wir uns auf die zentrale Figur in diesem Roman zu: Minette, ein Wunderkind des Gesangs, zusammen mit ihrer Mutter Jasmine und Schwester Lise.
Die Rassentrennung gehört zum Alltag dazu, jeder lebt damit mehr oder weniger gut - je nachdem, welche Schattierung seine Hautfarbe hat.
Ich kann die einzelnen Farbschattierungen nicht auseinanderhalten. Für mich gilt daher: es gibt die Weißen, und es gibt alle Anderen, wobei die Weißen die "Bestimmer" und Unterdrücker sind.
Doch in der Gesellschaft Haitis scheint ein langsamer Wechsel stattzufinden. Zumindest brodelt es, einige Sklaven scheinen sich zur Wehr zu setzen, das bekommen wir zumindest am Rande mit. Damit wird wohl der Vulkan aus dem Titel gemeint sein, der hoffentlich irgendwann ausbrechen wird.

Minette und Lise scheinen in einer Blase aufgewachsen zu sein, von der aus sie die Hässlichkeit und Ungerechtigkeit dieser Welt beobachten, die insbesondere Minette mit zunehmendem Alter wahrnimmt und in Frage stellt. Lise ist da anders. Das, was Minette an Empathie und Gerechtigkeitssinn besitzt, besitzt sie an Ich-Bezogenheit und Gleichgültigkeit.
 

Renie

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19. Mai 2014
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Anmerkungen sind sehr informativ und ausführlich. Allerdings weiß ich nie so recht, wie ich damit umgehen soll. Lese ich die Anmerkungen sofort, wenn sie auftauchen, bin ich natürlich gleich im Bilde, werde aber in meinem Lesefluss gestört. A
Mut zur Lücke! Ich glaube, man muss nicht alle Anmerkungen lesen. Bei den ersten Seiten habe ich mir auch die Mühe gemacht nachzuschlagen. Mittlerweile lese ich nur das, was mich wirklich interessiert. Natürlich geht dadurch manch Information über geschichtliche Hintergründe o. ä. verloren, aber besser das, als dass ich die Lust verliere, weil der Lesefluss ruckelt.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Die Autorin entwirft ein sehr lebendiges Bild vom Leben und Treiben auf Haiti zu dieser Zeit. Verschiedene gesellschaftliche Gruppen und Ethnien stehen sich gegenüber. Alles sehr hierarchisch aufgebaut, mit den unterschiedlichsten Abstufungen je nach Hautfarbe und nach Stellung.
Mit brutaler Gewalt werden die Sklaven niedergehalten und unterdrückt, doch der Widerstand dagegen wird größer.
Minette als Hauptfigur ist eine sympathische Figur, klug und empathisch. Nicht nur ihre Gesangskunst und ihre Schähnelt machen sie zu etwas Besonderem. Sie hat auch ein starkes Unrechtsgefühl und ist jetzt schon bereit, dafür einzutreten.
Die Mutter hat bisher ihre Töchter beschützt, auch vor der Realität, die sie schmerzhaft erleben musste. Für Minette sind die Narben ihrer Mutter ein weiterer Grund, sich zu empören.
Ich gehe davon aus, dass sie bei der Widerstandsbewegung eine tragende Rolle spielen wird.
Ihrer Schwester dagegen geht es mehr um Äußerlichkeiten.
Deutlich wird auch, in welcher Gefahr sich junge hübsche Mädchen befanden, leichte Beute für jeden Mann. Manche Frau kann sich zwar ein Leben in Luxus leisten als Geliebte eines weißen Mannes, aber letztlich sind auch sie nur bessere Prostituierte. Die Mutter will sie vor einem solchen Schicksal bewahren.
 

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
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Allerdings gibt es auch innerhalb der schwarzen Bevölkerung hierarchische Abstufungen und jeder, der auch nur eine kleinste gesellschaftliche Stufe höher steht, schaut auf die anderen herab.
Das findet sich in jeder Gesellschaft.
Minette macht einen klugen Eindruck auf mich, obwohl sie noch sehr jung und unerfahren ist. Aber sie wird sehr deutlich auf ihre Stellung verwiesen und fühlt die Ungerechtigkeit.
Sie hat das Potential zur Heldin dieser Geschichte. Ob und mit welchem Ende wird sich zeigen.
Das Theater als Hebel für diesen Ausbruch ist sicher ein typischer Ort, denn er ist unkonventionell und klassischerweise bevölkert mit Menschen, die ein bisschen außerhalb der Gesellschaft stehen und eben anders sind.
Das natürlich, aber auch ihr großes Talent lassen sie zu einer Ausnahmefigur werden.
 

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29. März 2022
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Mainz
So, ich bin nun auch dabei. Ich halte erst mal meine Gedanken zum 1. Kapitel fest, meinen allerersten Eindruck.
wir befinden uns in Port-au-Prince. Die Menschen haben sich . und erwarten freudig den neuen Gouverneur. Die Autorin verwendet viel Sorgfalt darauf die Rassenunterschiede zwischen den Einheimischen und den "Weißen" zu beschreiben. Diese Schilderungen sind sehr atmosphärisch. Ein bißchen stößt mir hier die Beschreibung der Bewohner auf, da sie recht stereotyp ist und in der Tradition des Exotismus steht. Für die Geschichte selbst ist dies natürlich sehr funktional, da so die Unterschiede zwischen ihnen und den Weißen deutlich werden. 'Weiße' haben einerseits dafür gesorgt, dass die Einheimichen ihnen nicht zu ähnlich werden, weswegen sie beispielsweise nun barfuß sein müssen. Andererseits ist es gerade die dadurch betonte Andersartigkeit, die einen besonderen Charme auf manch 'Weißen' ausübt.
Ich kenne das aus den Kulturwissenschaften.
Minette scheint - zumindest vom ersten Eindruck her- eine Figur, die darauf angelegt ist, möglw. diese Unterschiede und daraus folgende Benachteiligungen anzuprangern. Ich bin gespannt!
Das erste Kapitel ließ sich gut lesen.
 

Lesehorizont

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29. März 2022
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Mainz
Nun habe ich den ersten Abschnitt beendet und bin sehr gut drin im Geschehen.
Wir erfahren noch mehr über die Umstände, v.a., dass 'Schwarzen' Bildung verwehrt bleibt. Minette und ihre Schwester werden heimlich unterrichtet von dem jungen Joseph. Sie werden ihnen zum Freund, der Mutter fast zu einem Sohn. Als die Acqaires den Plan schmieden, Minette wegen ihres Talents nicht nur heimlich zu unterrichten, sondern verbotenerweise im Schauspiel dingen zu lassen, hegen alle Befürchtungen: ihre Mutter, Joseph, auch Minette selbst. Doch Mrs Acqaire ist überzeugt, dass alles gut gehen wird.
So kommt der große Tag, an dem Minette glänzt und gefeiert wird. Tatsächlich wird sie in die Schauspielgruppe aufgenommen, und auch die Zeitungen berichten positiv.
Ich muss sagen, ich hatte Schlimmes befürchtet.
Aber ich denke schon, dass da noch was kommt...
Bislang mag ich das Buch sehr. Als Charaktere gefallen mir besonders Joseph, sowie auch Minette. Letztere ist sehr idealistisch veranlagt. Sie hofft zu Reichtum zu gelangen, um alle Sklaven frei kaufen zu können, deren Schreie sie so oft schon hat vernehmen müssen, als sie öffentlich ausgepeitscht wurden.
Ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht!
 

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29. März 2022
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Minette macht einen klugen Eindruck auf mich, obwohl sie noch sehr jung und unerfahren ist. Aber sie wird sehr deutlich auf ihre Stellung verwiesen und fühlt die Ungerechtigkeit
Das stimmt. Sie fühlt die Ungerechtigkeit aber nicht nur, sondern sie will ihren Teil dazu beitragen, dass diese ein Ende hat.
Hahaha, die Proben für die Aufführung von Minette (Anfang Kapitel IV) haben ja trotz der Tragik eine gewisse Komik (die improvisierte Bühne mit Möbeln als Darsteller - ich musste gerade herzhaft lachen
Das fand ich auch erheiternd...
Ich kann die einzelnen Farbschattierungen nicht auseinanderhalten. Für mich gilt daher: es gibt die Weißen, und es gibt alle Anderen, wobei die Weißen die "Bestimmer" und Unterdrücker sind.
Die Mestizzen (bin zu faul nachzugucken, wie der Begriff im Buch genau verwendet wird) stehen dazwischen. Wir haben hier keine Differenzierungen von Wir und die Anderen, sondern eine von Weißen gegen Farbige, die widerum auch hierarisch angeordnet sind.
Mut zur Lücke! Ich glaube, man muss nicht alle Anmerkungen lesen. Bei den ersten Seiten habe ich mir auch die Mühe gemacht nachzuschlagen. Mittlerweile lese ich nur das, was mich wirklich interessiert. Natürlich geht dadurch manch Information über geschichtliche Hintergründe o. ä. verloren, aber besser das, als dass ich die Lust verliere, weil der Lesefluss ruckelt.
schön, dass Du das so offen schreibst. Ich halte es genauso.
Sie hat das Potential zur Heldin dieser Geschichte. Ob und mit welchem Ende wird sich zeigen.
ja, es könnte aber auch eine tragische Heldin werden...
 

Renie

Moderator
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19. Mai 2014
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renies-lesetagebuch.blogspot.de
Letztere ist sehr idealistisch veranlagt.
.. was sicherlich auch ihrem zarten Alter geschuldet ist. Mit 14/15/16 ist man noch nicht auf dem Boden der Tatsachen angekommen und träumt von einer besseren Welt, an der man sich natürlich einen großen Einfluss erhofft. Damit unterscheidet sie sich nicht von anderen Jugendlichen, egal in welcher Zeit. :)