Schön zusammengefasst, @Barbara62Ich liebe die kleinen Manesse-Bändchen mit der farbigen Fadenbindung und dem wertigen Papier. Der Umschlag ist wunderschön. Ein Glück, dass Penguin Random House sie immer noch macht, auch wenn sie wohl nicht der große Geldbringer sind. Nicht nur hier ist die Buchpreisbindung ein großer Segen, Verlustsparten können mit "Brottiteln" anderer Konzernteile ausgeglichen werden.
Der Name Grazia Deledda begegnet mir hier zum ersten Mal, obwohl sie 1926 den Literaturnobelpreis bekommen hat. Vermutlich liegt es daran, dass sie sich für Mussolini eingesetzt hat, was ihren Nachruhm deutlich schmälerte. "Schilf im Wind" ist allerdings schon 1913 erschienen und damit unverdächtig. Es spielt in ihrer Heimat Sardinien.
Die Hauptaufgabe im ersten Leseabschnitt ist die Ordnung der zahlreichen Figuren. Wir sind im Dorf Galte (eigentlich Galltelì) im Nordosten Sardiniens, einer armen, heruntergekommenen Siedlung im Landesinneren, überragt von einer Burgruine, Malariagebiet. "Die Vergangenheit herrschte immer noch über diese Gegend; die Gebeine der Toten waren ihre Blüten und die Wolken ihr Diadem" (S. 34). Den Ort kannte Grazia Deledda von Sommeraufenthalten im Hause von Damen, die die Vorbilder für die Hauptfiguren wurden.
Das ganze Tal gehörte einst der mächtigen Adelsfamilie Pintor, geblieben ist den drei unverheirateten Schwestern Ruth, Ester und Noemi allerdings nur noch ihr verfallendes Haus und ein kleines Gut hoch oben, das der Knecht Efix bewirtschaftet und das sie kaum ernährt. Sie haben sogar Schulden bei Efix, behandeln ihn jedoch wie einen weit unter ihnen stehenden Mann. Trotzdem holen sie sich Rat bei ihm, er gleicht bei Diffenzen unter den Schwestern diplomatisch aus.
Das Unglück kam vor 20 Jahren, als die Mutter der Schwestern, die sagenhafte Donna Maria Christina, starb, und der sittenstrenge, despotische Vater, Don Zame, sie fortan wie Sklavinnen hielt. Daraufhin ergriff die vierte der Schwestern, altersmäßig die dritte, Donna Lia, die Flucht. Sie lebte ihr Leben weit weg von Galte, war verheiratet und hatte einen Sohn, ist jedoch mittlerweile verstorben. Die drei zurückgebliebenen Schwestern konnten ihr die Flucht nicht verzeihen, denn ihr Ruf war dahin, sie waren entehrt und fanden keine Ehemänner. Ihr Vater wurde noch strenger und starb schließlich, nachdem er durch Prozesse den ganzen Reichtum eingebüßt hatte, auf der Landstraße. Das Geld besitzen inzwischen andere: der reiche Kaufmann Milese und der Verwandte Don Pedru.
Die Rolle von Efix bei Lias Flucht ist mysteriös. Er mochte sie jedenfalls sehr gern und freut sich, dass sich nun Lias Sohn, Don Giacinto, angekündigt hat. Die Schwestern sind über dessen Kommen uneins, vor allem Noemi lehnt es ab. Er trifft ausgerechnet ein, als sie allein zuhause ist. Ruth und Ester sind beim einzigen Fest in Galte, einem neuntägigen religiös begründeten Großereignis im Mai mit viel Tanz.
Sofort stürzen sich zwei junge Frauen auf Giacinto, die schöne Grixenda, Enkelin der alten Dienerin Pittoi, und Natòlia, Magd des Priesters. Wahrscheinlich ist er seit Menschengedenken der einzige Fremde in diesem verschlafenen Dorf.
Im Mittelpunkt des ersten Leseabschnitts steht Efix. Er hält die Damen durch seine Arbeit mehr schlecht als recht am Leben, aber er ist zufrieden mit seiner Armut und seinem Leben. Und er ist der Einzige, der sich auf Giacintos Kommen wirklich freute.
Das Buch macht mir bisher Spaß, vor allem die ausgiebigen Schilderungen des Dorfes und die Charakterisierung der Figuren. Die meisten Anmerkungen schenke ich mir allerdings. Das titelgebende Schilf taucht immer wieder auf: als Grundstoff für Matten, als Charakteristikum der Natur und als Geldquelle für die armen Damen Pintor. Interessant sind auch die Rolle der Religion und des tief verwurzelten Aberglaubens.
Nun bin ich gespannt, was ihr sagt!
Im normalen Buchhandel habe ich dieses Format bislang nicht gesehen? Übersehen?
Jetzt aber zum eigentlichen Roman. Tja. Ich habe für den ersten Abschnitt jetzt zwei Tage gebraucht, weil ich mich mit dem Schreibstil ehrlich gesagt schwertue. Es liest sich - vermutlich erwartungsgemäß - altertümlich. Der erste Abschnitt stellt die Landschaft und die Menschen ausführlichst vor. Wenn man sich darauf einlässt: sehr bildhaft und stellenweise poetisch - aber die teilweise langen Sätze mit den vielen (Farb-)Details bei den zahllosen Beschreibungen sind durchaus auch anstrengend. Für mich. Auch die vielen Fußnoten: ich verstehe die Absicht dahinter, mich stresst das aber. Mein Problem, klar. Folge ich den Fußnoten nicht, habe ich Sorge, wichtiges Wissen zu verpassen. Schaue ich aber hinten nach (jedesmal ein Suchen), stört das meinen Lesefluss gewaltig. Da fehlt mir wohl der nötige Pragmatismus.
Die Stimmung der Erzählung ist leise, melancholisch, und oftmals fast traumhaft (im Sinne von: wie in einem Traum). Ich habe den Eindruck, in etwas Vergangenem festgehalten zu werden, gemeinsam mit den Figuren. Ein karges, armes Leben, abgesehen von den täglichen Ritualen gibt es kaum Erwähnenswertes. Viel Kirche, viele Lästereien, viel Tradition. Jetzt kommt der Neffe (Sohn der Schwester, die sich durch ihre Flucht zur Persona non grata gemacht hat) und bringt vermutlich frischen Wind in die ganze Angelegenheit...
Kann man es Autoren/Menschen wirklich übelnehmen, wenn sie eine politische Bewegung nicht auf Anhieb richtig einschätzen?Vermutlich liegt es daran, dass sie sich für Mussolini eingesetzt hat, was ihren Nachruhm deutlich schmälerte.
Kann man es Autoren/Menschen wirklich übelnehmen, wenn sie eine politische Bewegung nicht auf Anhieb richtig einschätzen?
Ich brauche auch vergleichsweise lang (gemessen an meinem sonstigen Lesetempo) Ich habe estern die ersten beidne Kapitel in diesem Abschnitt glesen und werde heute Abend Kapitel III und IV lesen. Es ist ein Buch, das sprachlich nicht so "flutscht", aber ich mag diese altertümliche Schreibweise, vor allem die genauen Beschreibungen der Umgebung. Ich war einmal auf Sardinien und dort gibt es Ecken, in denen die Zeit scheinbar stillgestanden ist, wenn ich diesen doch über 100 Jahre alten Text lese.Jetzt aber zum eigentlichen Roman. Tja. Ich habe für den ersten Abschnitt jetzt zwei Tage gebraucht, weil ich mich mit dem Schreibstil ehrlich gesagt schwertue. Es liest sich - vermutlich erwartungsgemäß - altertümlich. Der erste Abschnitt stellt die Landschaft und die Menschen ausführlichst vor. Wenn man sich darauf einlässt: sehr bildhaft und stellenweise poetisch - aber die teilweise langen Sätze mit den vielen (Farb-)Details bei den zahllosen Beschreibungen sind durchaus auch anstrengend. Für mich. Auch die vielen Fußnoten: ich verstehe die Absicht dahinter, mich stresst das aber. Mein Problem, klar. Folge ich den Fußnoten nicht, habe ich Sorge, wichtiges Wissen zu verpassen. Schaue ich aber hinten nach (jedesmal ein Suchen), stört das meinen Lesefluss gewaltig. Da fehlt mir wohl der nötige Pragmatismus.
Da bin ich ganz deiner Meinung, wobei der Preis dieses Bändchens wirklich etwas für Liebhaber und ausgesprochene Sammler sein dürfte.Nicht nur hier ist die Buchpreisbindung ein großer Segen, Verlustsparten können mit "Brottiteln" anderer Konzernteile ausgeglichen werden.
Die Rolle von Efix ist durchaus interessant. Formal ist er ein unbezahlter (!) Diener. Man legt auf beiden Seiten Wert auf die Standesunterschiede, die durch die Herkunft festgelegt sind. De facto sind die Damen aber fast so arm wie Efix. Würde er das Land nicht mit Herzblut bearbeiten, wären sie noch schlechter dran. Dass er sich nicht traut, den ausstehenden Lohn anzusprechen und stattdessen zu einer Wucherin gehen muss, die ihn auch noch verspottet, hat mich empört.Sie haben sogar Schulden bei Efix, behandeln ihn jedoch wie einen weit unter ihnen stehenden Mann. Trotzdem holen sie sich Rat bei ihm, er gleicht bei Diffenzen unter den Schwestern diplomatisch aus.
Absolut. Man kann sich alles sehr gut vorstellen. Ich mag die altertümliche Sprache der Klassiker. Die Dorfbewohner muss ich noch sortieren. Wie die beiden jungen Frauen um den Neuzugang buhlen, hat etwas Klischeehafte, ist aber auch amüsant zu lesen.Das Buch macht mir bisher Spaß, vor allem die ausgiebigen Schilderungen des Dorfes und die Charakterisierung der Figuren.
Aufgefallen ist mir noch der omnipräsente Aberglauben: leere Häuser könnten von Geistern Verstorbener oder von Kobolden bevölkert werden... Man hat im Dunklen viele Ängste in dieser Richtung.
Dabei ist Italien doch erzkatholisch? Da muss ich wohl auch nochmal nachforschen.
Seit der Gründung des Königreiches Italien1861 war die Lira offizielles Zahlungsmittel. Die alte Münzbezeichnung Scudo wurde weiter für silberne 5- Lire Münzen benutzt.Mich irritiert, dass "Peseten" das Zahlungsmittel sind. Ich habe ja keine erklärenden Anmerkungen zum Text - könnte vielleicht eine von denen, die das Buch haben, kurz etwas dazu schreiben? Wann spielt die Geschichte? Gibt es einen Hinweis auf spanische Spuren in der Verwaltung? Bei Wiki habe ich gelesen, dass vor Ewigkeiten Sardinien mal spanisch war, aber so weit zurück wird der Roman doch wohl nicht gehen.
Im Palast nebenan ist die älteste Tochter, Caterina, endlich nach Hause gekehrt. Der Conte stellt zu seinem eigenen Befremden fest, dass er sich plötzlich mit Heiratsgedanken trägt und sich verliebt hat. Doch Caterinas Vater hat andere Pläne; sie wird die Frau des jüngeren Bruders des Conte. Während der Conte sich damit tröstet, dass er Andrea und sein künstlerisches Talent fördert, verlieben sich Caterina und ihr Cicisbeo unsterblich ineinander -- aber ihr Glück ist nicht von langer Dauer. Denn als der Conte dies erfährt, weiß er etwas dagegen zu unternehmen....
Ein nettes Buch, das sich vor allem durch eine schöne, dem Sujet, der gezeigten Gesellschaftsschicht und der Zeit angepassten Sprache auszeichnet. Die Geschichte selbst holpert hin und wieder; die Herkunft Andreas, sein angeblich so außergewöhnliches Talent -- und dabei seine Unfähigkeit, zu erkennen, woher er eigentlich ist -- passen irgendwie nicht richtig zusammen. Auch seine Bindung an den Conte erscheint ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Wirklich wunderbar beschrieben sind jedoch die Bilder, und Andreas Ausführungen zu dem, was er vor sich sieht -- vor allem die Beschreibungen dessen, was er gemalt hatte, als er schon im Gefängnis saß.... Insgesamt gute Unterhaltung, die aber nicht unbedingt ein zweites Mal gelesen werden muss. --Daniela EckerKaufen
Ich habe hier bzw. bei Efix eher an "Was vom Tage übrig blieb" gedacht . Aber du hast Recht; der letzte Prinz passt auch!(Mich erinnert das Buch an den letzten Prinz: auch er genoss obwohl verarmt großes gesellschaftliches Ansehen auf seiner Insel Lampedusa)