1. Leseabschnitt: Kapitel 1 und 2 (vom Beginn bis S. 90)

SuPro

Bekanntes Mitglied
28. Oktober 2019
1.865
4.112
49
54
Baden Württemberg
lieslos.blog
Das Lesen dieses Buches macht definitiv mehr Sinn in einer Leserunde als allein. Bis jetzt muss ich ganz ehrlich sagen, war es für mich ein "Na ja, es geht so"-Buch. Durch eure Sichtweisen, das reflektieren selbiger etc. wird bzw. ist es zu einem "Schwierig, aber genial"-Buch geworden :rolleyes:. DANKE!
...ich denke genauso darüber. Es ist eine Lektüre, die man nicht nur verschlingen kann. Ohne zu reflektieren, verpufft der Inhalt und es drängt nach Austausch.
Essen, verdauen, „auskotzen“ ;-)
Hier ist dieser Ablauf gesund und notwendig ;-)
Für mich jedenfalls...
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.444
49.884
49
Ich freue mich, dass der Roman bei euch dieselben positiv-fordernden Gefühle auslöst wie bei mir. Man muss durch den immerwährenden Blocksatz so aufpassen, dass einem keine wichtige Information entgeht. Der Text fließt förmlich, fast ohne Absatz. Normalerweise stößt mich eine solche Formatierung ab, hier passt sie aber auch ins Bild der Konformität. Eins passt zum anderen.
 

kingofmusic

Bekanntes Mitglied
30. Oktober 2018
7.311
18.967
49
48
Ich freue mich, dass der Roman bei euch dieselben positiv-fordernden Gefühle auslöst wie bei mir. Man muss durch den immerwährenden Blocksatz so aufpassen, dass einem keine wichtige Information entgeht. Der Text fließt förmlich, fast ohne Absatz. Normalerweise stößt mich eine solche Formatierung ab, hier passt sie aber auch ins Bild der Konformität. Eins passt zum anderen.
Wie gut, dass ich bei diesem Buch (erstmals) mit Textmarker arbeite, um mir die ein oder andere Passage anzustreichen :D.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.444
49.884
49
Bei dem Ort handelt es sich um das Land das zwischen dem Land auf der anderen Seite der See und dem Land auf der anderen Seite der Grenze liegt. sehr schön umschrieben!
Das habe ich mir auch gedacht und deshalb in der Zusammenfassung die Ortsangabe weggelassen. Wird es überhaupt je konkret? Im Grunde ist die Problematik ja in vielen Ländern zu sehen, in denen Minderheiten unterdrückt werden oder verschiedene Ethnien/Religionen sich bekämpfen. Auch das Frauenbild besteht an vielerlei Orten. Leider.
Diese Namenlosigkeit ist für mich im Grunde nur die Spitze des Eisbergs in Bezug auf die Art und Weise, wie hier erzählt wird. Es ist atmosphärisch ungemein dicht und stimmig. Die Autorin schafft eine entfremdete Umwelt, in der die Menschen sich auf einer Art ständigem Eiertanz befinden.
Sehr, sehr gut auf den Punkt gebracht!
 

SuPro

Bekanntes Mitglied
28. Oktober 2019
1.865
4.112
49
54
Baden Württemberg
lieslos.blog
...
Ich freue mich, dass der Roman bei euch dieselben positiv-fordernden Gefühle auslöst wie bei mir. Man muss durch den immerwährenden Blocksatz so aufpassen, dass einem keine wichtige Information entgeht. Der Text fließt förmlich, fast ohne Absatz. Normalerweise stößt mich eine solche Formatierung ab, hier passt sie aber auch ins Bild der Konformität. Eins passt zum anderen.

Toller Hinweis!
Nichts und niemand darf hervorgehoben werden. Nichts und niemand darf auffallen. Kein Wort, kein Satz, kein Abschnitt - keine Person...Es wäre riskant und gefährlich.
Es ist recht anstrengend, diesen Text zu lesen, weil er so gleichförmig ist. Es ist recht anstrengend da und dort zu leben, weil es so wichtig ist, sich innerhalb dieses engen Rahmens und unscheinbar zu bewegen.
Ab und zu gibt es dann doch einen Abschnitt. Ab und zu beginnt ein neues Kapitel.
Ab und zu gibt es Menschen, die über den Tellerrand hinaus schauen und die über die Konformität hinweg denken.
Bravourös, wie sieht das umgesetzt hat!
 

Anjuta

Bekanntes Mitglied
8. Januar 2016
1.639
4.794
49
62
Essen
Die Episode mit dem möglichen Flaggengewinn von Vielleicht-Freund finde ich köstlich. Sie ist an Absurdität kaum zu überbieten und vermittelt sehr anschaulich den täglichen Eiertanz in dieser politisch aufgeheizten Situation.
Im Grunde ist die Problematik ja in vielen Ländern zu sehen, in denen Minderheiten unterdrückt werden oder verschiedene Ethnien/Religionen sich bekämpfen.
Ich glaube es wird mit der Zeit doch sehr eindeutig, dass es sich hier nur um die Gesellschaft im Nordirland-Konflikt handelt/handeln kann. Das wird schon sehr spezifisch, wenngleich immer namenlos.
 

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.071
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
Obwohl es deutlich wird, dass es um den Nord-Irland-Konflikt geht erzeugt die Namenslosigkeit auch eine Allgemeingültigkeit. Dieses Korsett, die Anpassung betrifft immer noch viele Frauen und Männer, auch bei uns. Natürlich nicht mit dieser Konsequenz und in dieser Schärfe. Die Bedrohung wirkt ohne Namen noch stärker, so kommt es mir vor.
 

SuPro

Bekanntes Mitglied
28. Oktober 2019
1.865
4.112
49
54
Baden Württemberg
lieslos.blog
Obwohl es deutlich wird, dass es um den Nord-Irland-Konflikt geht erzeugt die Namenslosigkeit auch eine Allgemeingültigkeit. Dieses Korsett, die Anpassung betrifft immer noch viele Frauen und Männer, auch bei uns. Natürlich nicht mit dieser Konsequenz und in dieser Schärfe. Die Bedrohung wirkt ohne Namen noch stärker, so kommt es mir vor.
...dieser Konflikt zwischen Anpassung/Unterwerfung/Konformität versus Individuation/Individualität ist ubiquitär. Und nicht nur im örtlichen Sinn. Nordirland kann man durch zahllose andere Länder ersetzen.
Es ist ein Konflikt, der im Außen, aber auch im Innen stattfinden kann, wo das Außen kaum Begrenzung vorgibt.
Tgl habe ich mit Pat. zu tun, die sich genau mit diesem inneren Konflikt herumplagen, obwohl sie in ihrer Alltagsrealität sämtliche Freiheiten haben. Und man muss kein Pat. sein, um diesen Konflikt zu kennen, finde ich.
Es geht ja heruntergebrochen um die Frage: gehe ich meinen Bedürfnissen nach oder erfülle ich doch lieber (vermeintliche) Erwartungen, die von außen an mich gestellt werden oder die ich als Norm internalisiert habe. Was Konsequenzen und Schärfe betrifft sind es zwar andere, aber oft nicht weniger leidvolle.
 

MRO1975

Bekanntes Mitglied
11. August 2018
1.538
3.981
49
48
Frauen haben in dieser Gesellschaft eine untergeordnete Stellung, es gibt ein festes Rollenbild, sie müssen die männliche Überlegenheit anerkennen.
Die Frauen werden von ihrer eigenen Gruppe unterdrückt. Sie sind nicht einmal so wichtig, dass es verbotene Mädchennamen gäbe.

Das hatten wir in anderen Büchern auch schon. Ich erinnere mich an Baldwin, wo die Schwarzen von den Weißen diskriminiert werden, schwarze Frauen innerhalb ihrer eigenen Gruppen nochmals unterdrückt werden. Die Frauen sind jeweils in der schwächsten Position...
 

MRO1975

Bekanntes Mitglied
11. August 2018
1.538
3.981
49
48
Dieser verehrt die Frauen und ist allseits beliebt und geachtet, aber scheinbar nicht im Bilde bzgl. der politischen Umstände. Das stellt sich jedoch als Fehleinschätzung der Ich- Erzählerin heraus. Er kritisiert sie für ihr Im-Gehen-Lesen, da es gefährlich und sie so schutzlos sei.
Ich war mir nicht sicher, ob das ein gut gemeinter Rat war - im Sinne von, sei umsichtig, sonst passiert dir was. Es könnte auch ein Vorwurf gewesen sein - wer nicht aufpasst, ist selbst schuld, wenn ihm was passiert. Dieser Vorwurf wird Frauen ja gern gemacht, wenn sie sich aufreizend anziehen. Wie hat der Schwager das hier gemeint?
 

MRO1975

Bekanntes Mitglied
11. August 2018
1.538
3.981
49
48
Sehr eindringlich verdeutlicht die Erzählerin den Unterschied zwischen wir und die, der sich auf alle Lebensbereiche auszudehnen scheint. In dem Zusammenhang werden auch die "verbotenen" (männlichen!) Namen genannt - ein Grund, warum die Autorin darauf verzichten wollte? Der Vater spricht seine Kinder auch mit Sohn und Tochter an...Austauschbarkeit? Will sie verdeutlichen, dass dies jeder hätte passieren können? Ihre eigene Erklärung dazu scheint mir nicht der einzige Grund zu sein.
Die Erklärung der Autorin zu dieser Namenlosigkeit finde ich auch nicht erschöpfend. Auf den ersten Blick dachte ich daran, dass die Namenlosigkeit die Individualisierung erschweren sollte. Also den Eindruck erwecken soll, dass die Geschichte jedem hätte passieren können.

Die Namen hätten aber auch von vornherein angezeigt, wer zu welcher Gruppe gehört. Ohne die Namen bleibt die Gruppenzugehörigkeit offen. Jeder könnte Feind oder Freund sein. Eine Situation, in der sich viele Personen damals ganz real befunden haben.

Außerdem geht meines Erachtens der Einzelne und das Individuum in der Gruppe schneller unter, wenn er nicht mal einen Namen hat. Bin gespannt, was ihr dazu denkt.
 

MRO1975

Bekanntes Mitglied
11. August 2018
1.538
3.981
49
48
Die Unterschiede zwischen uns und denen werden immer deutlicher. Ich fühlte mich an totalitäre Staaten erinnert, die ihre Bürger bespitzeln und überwachen. Es werden regelrechte Feindbilder aufgebaut. Beispiel für einen Spitzel ist der Nachbar, der die (fehlende) Flagge zum Landesverrat hochstilisiert. Ich bin sicher, dass das noch Folgen für den armen Vielleicht-Freund haben wird.
Den Eindruck hatte ich auch. Die Orte, unsere Seite der Hauptstraße usw., wirken wie Gefängnisse, jeder wird überwacht und schottet sich deshalb ab.
 

MRO1975

Bekanntes Mitglied
11. August 2018
1.538
3.981
49
48
Mir gefällt die Namenlosigkeit seit ich mir meine Erklärung dafür zurechtgelegt habe. Ich halte sie aufgrund der dahintersteckenden Bedeutung für einen meisterhaften Kunstkniff: in dieser angespannten und gefährlichen Situation im Nordirland der 70er Jahre, war es wichtig, unauffällig, unsichtbar, NAMENLOS, zu sein. Wurde man sichtbar, lief man Gefahr, als Verräter oder „übergeschnappt“ abgestempelt oder gar ermordet zu werden. Der Name macht einen zum Individuum. Zu einer Person. Zu einer Persönlichkeit. Es war sicherer, in der Masse unterzugehen, also keinen Namen zu haben.
Das sehe ich ganz wie du. Man musste seine Individualität abgeben, weil man sonst riskierte zur Zielscheibe zu werden. Anonymität als Schutz.
 

Leseglück

Aktives Mitglied
7. Juni 2017
543
1.272
44
67
Nachdem ich nun eure Kommentare gelesen habe, bleibt mir nur, euch in Allem Zuzustimmen.
Der Autorin gelingt es super, die beklemmende und explosive Athmosphäre im Irland der 70er Jahre lebendig werden zu lassen.
Ihre langen atemlosen Sätze, in denen häufig Aufzählungen vorkommen, gefallen mir gut. Sie machen etwas mit uns Lesern...sie stehen, neben der Notwendigkeit zu Verschleiern, für mich auch für die undurchschaubaren Regeln und aufgeladenen Symbolen, durch die sich die Protagonistin wie durch einDickicht bewegen muss.
Nichts kann oder wird direkt ausgesprochen. Da passt es stilistisch gut, dass die Namen der Personen und auch der Länder umschrieben werden. Die Athmosphäre erinnert mich auch, wie @Literaturhexle an einen totalitären Staat.
Aber auch Gefühle werden nicht benannt. Es gibt (noch) keine Worte für Angst, Scham oder für eine "unerwünschte Annäherung". Hier glaube ich, dass dies allgemein typisch für die Vergangenheit war, also nicht nur in Irland. Die Protagonistin bezieht sich immer mal wieder auf ihre Zukunft in dem Sinne, dass sie später Worte wie Messi oder Depression hatte, die sie früher nicht hatte.

Die Situation mit dem Milchmann ist wirklich bedrohlich. Die Protagonistin vermutet, dass er ein staatfeindlicher Verweigerer ist (ich denke eine Bezeichung für einen Widerstandskämpfer, der zu massiver Gewalt bereit ist). Das allein ist schon beängstigend. Der Milchmann ist jemand, der eine Wafffe abfeuern kann. Von so einem Menschen möchte niemand gestalkt werden (auch ein Wort, das es damal nicht gab).
Interessant der Satz S. 12: ich erschrak, so wie ich bei jeder Begegnung mit dem Mann erschrecken sollte, bis auf die letzte.

Ihr "Vielleicht Freund kommt auch in Schwierigkeiten. Sein Nachbar scheint ihm schaden zu wollen, vielleicht aus Eifersucht auf das tolle Autoteil...Obwohl der Freund allgemein beliebt ist und seine Freunde ihn verteidigen, bleibt doch eine latente Bedrohung, denn es geht nicht nur um Gerede. Mitten in der Nacht konnte jemand mit Sturmhaube und Waffe in der Hand vor der Tür stehen.

Teilweise ist der Ton der Protagonistin auch leicht sarkastisch, typisch für eine 18 jährige...z.B. wenn sie von ihrer ständig betenden Mutter erzählt...
 

Mikka Liest

Bekanntes Mitglied
14. Februar 2015
1.513
2.403
49
Hilter am Teutoburger Wald
wordpress.mikkaliest.de
@Literaturhexle

Ja, Schwager 1 war mir auch höchst suspekt.
Mir war sehr sympathisch, dass die Erzählerin im Gehen liest, das habe ich als Kind und Teenager gemacht und bin öfter irgendwo gegen gelaufen. Meine Eltern hatten da ähnliche Ansichten drüber wie Schwager 3, die fanden auch, das sollte ich lieber lassen.

@Querleserin

Die Situation mit dem Kompressor bringt die Absurdität des Ganzen wirklich auf den Punkt. Auch die verbotenen Namen wären fast lachhaft, wenn es nicht verdeutlichen würde, wie eingeschränkt die Gesellschaft ist und wie gefährlich Nichtigkeiten hier sein können. Bleiben viele der Figuren deswegen namenlos, ist es eine Verweigerung dieser sinnlosen Unterdrückung – oder wie du sagst, um deutlicher zu machen, dass diese Dinge in der Zeit jedem hätten passieren können? Im Moment ist das für mich noch ganz offen.

Das Verhältnis der Erzählerin zu ihrer Mutter ist sehr problematisch, weil die Mutter sie meines Erachtens gar nicht als eigenständige Person wahrnimmt, sondern auf sie die eigenen Vorstellungen und Ängste sowie die gesellschaftlichen Erwartungen projiziert.

@Literaturhexle

Ich ahne auch Böses, was den Vielleicht-Freund betrifft. An dieser Situation kann man Vieles sehen, was an vielen Orten und zu vielen Zeiten passiert ist. In der DDR zum Beispiel konnte man ja auch nicht sicher sein, wer der Stasi Informationen zuträgt. Immer wieder das gleiche Spiel... Warum müssen Menschen sich gegenseitig immer das Leben schwer bis unmöglich machen?

Bei Chefkoch fühlte ich mich an "Miroloi" erinnert, in dem Buch dürfen Männer auch nicht kochen, singen oder andere "weibische" Dinge tun. Bisher liebe ich diesen Charakter. Auf mich wirkt er ein wenig so, als wäre er im autistischen Spektrum angesiedelt. Auch Atomjunge könnte da zu finden sein.

Ich denke auch, dass der Vater da nicht wirr im Kopf war, sondern dass das wirklich passiert ist. Mit Crombie bezeichnet man meist diese klassischen irischen Mäntel, und ich frage mich die ganze Zeit, wer so etwas am wahrscheinlichsten trägt.

@SuPro

Deine Erklärung für die Namenlosigkeit macht Sinn! Das erklärt für mich auch mehr als das Interview...

Die Vielleicht-Beziehung finde ich gleichzeitig schlüssig und rätselhaft. Man glaubt ja meist, wenn zwei sich lieben, dann wollen sie auch zusammenleben und sich ganz offiziell binden. Aber für diese beiden funktioniert das einfach nicht, und ich spüre oft, dass dieses "Vielleicht" die Beziehung in meinem Kopf als weniger innig erscheinen lässt, als sie sicher ist.

Das Lesen-im-Gehen bringt wirklich auf den Punkt, wie gefährlich das Leben in dieser Zeit tatsächlich war. Fall bloß nicht aus der Reihe, benimm dich so, wie alle sich benehmen.

@Anjuta

Ich habe die Geschichte tatsächlich lange nicht "verorten" können und habe schon erwogen, ob es vielleicht gar kein realer Ort ist, sondern ein fiktiver Ort, in dem reale Konflikte quasi versammelt sind. Aber wenn man erstmal auf Nordirland gekommen ist, macht es absolut Sinn.

Aber ich stimme denen von euch zu, die sagen, es hat Allgemeingültigkeit und kann für viele Orte und Zeiten stehen.

Ja, Atmosphäre schreiben kann Anna Burns absolut! Und sie macht das auf eine sehr eigene, unverwechselbare Art, die es den Übersetzern sicher nicht einfach gemacht hat.

@kingofmusic

Ich habe den Eindruck, dass sie in Vielem sehr aufmerksam ist, aber in manchen Dingen ist sie auch etwas kurzsichtig und unterschätzt Menschen, wie zum Beispiel Schwager 3, dem sie keine politischen Kenntnisse zugetraut hätte. Ich glaube, sie beginnt auch gerade erst, WIRKLICH zu verstehen, wie brisant die ganze Situation ist, weil das wiederholte Kameraklicken ihr verdeutlicht hat, dass es Leute gibt, die sie rund um die Uhr und überall überwachen.

@kingofmusic @SuPro

Ich stimme euch zu, das ist wirklich ein Buch, das man besser zusammen liest!

Ich bin ja auch froh, dass ich bei meinem eBook-Reader ganz bequem Sätze farblich hinterlegen kann, das hilft mir dabei, nicht durcheinander zu kommen!

@MRO1975

Ich finde es immer erstaunlich, dass Frauen in solchen Situationen nicht unbedingt zusammenhalten, sondern manchmal die Unterdrückung untereinander sogar noch verstärken. Sie sind so verwurzelt in einer Welt, in der Frauen keinen Wert haben, dass sie das widerspiegeln, ohne zu erkennen, was sie da tun. So auch die Mutter, die versucht, ihre eigene Tochter zu deckeln, bis sie ins Raster passt.

Ich tendiere noch dazu, Schwager 3 als aufgeschlossen und wohlmeinend einzuschätzen, also den Rat wirklich als Rat und nicht als Vorwurf zu lesen. Aber wer weiß! Ich vermute, dass da noch was passieren wird, dass ihr vielleicht wirklich was Schlimmes geschieht, weil sie zu sehr auf ihr Buch fixiert war.

@Leseglück

Ja, ich stimme dir zu, der Schreibstil passt perfekt zur beschriebenen Situation, das ist der Autorin großartig gelungen.
Angst, Scham und unerwünschte Annäherung, darüber kann man tatsächlich noch gar nicht so lange offen sprechen, und zwar überall auf der Welt. Entweder, weil die Gesellschaft den Betroffenen unterdrückt, oder weil ihm oder ihr dann der Stempel "anders", "hysterisch", "überempfindlich" oder "zickig" (oder Ähnliches) aufgedrückt wird.

Ich habe auch lange überlegt, was genau ein Verweigerer ist. Wen oder was verweigert derjenige, das kann in Nordirland zu der Zeit ja ganz unterschiedliche Bedeutungen haben, je nach Perspektive.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.444
49.884
49
Ich bin ja auch froh, dass ich bei meinem eBook-Reader ganz bequem Sätze farblich hinterlegen kann, das hilft mir dabei, nicht durcheinander zu kommen!
Das ist ein Grund, warum ich lieber auf Papier lese: Da kann ich nach Herzenslust markieren oder Zettelchen einkleben. Bei meinem Tolino kann ich nämlich nur einzelne Worte grau unterlegen. Mehr nicht.
Mit der Tolino App auf dem Tab geht das schon besser.

Toll, dass du auch mitliest! Und Hut ab, dass du das im Original tust. Dieser Text wäre ganz klar zu hoch für mich. Da muss man schon in der Muttersprache sorgfältig lesen.
 

ulrikerabe

Bekanntes Mitglied
14. August 2017
3.050
7.678
49
Wien
www.facebook.com
Über die Namenlosigkeit der Personen ist oben schon einiges gesagt. Ich möchte den Blick darauf noch etwas erweitern. Denn nicht nur die Personen sind namenlos, sondern auch die Orte. Nordirland kommt (bis jetzt) nicht vor und sicher hätte ich ohne vorherigem Lesen von Rezensionen/Interviews mit der Autorin lange Zeit nicht an einen so konkreten sondern eher allgemein gültigen Handlungsort gedacht. Bei dem Ort handelt es sich um das Land das zwischen dem Land auf der anderen Seite der See und dem Land auf der anderen Seite der Grenze liegt. sehr schön umschrieben!
Ähnlich geht die Autorin auch mit kleineren Handlungsorten der Geschichte vor. "der Park mit den Stauteichen",die "Rotlichtstraße", die "Häuser auf der anderen Seite der Hauptstraße".

Diese Namenlosigkeit ist für mich im Grunde nur die Spitze des Eisbergs in Bezug auf die Art und Weise, wie hier erzählt wird. Es ist atmosphärisch ungemein dicht und stimmig. Die Autorin schafft eine entfremdete Umwelt, in der die Menschen sich auf einer Art ständigem Eiertanz befinden. Ständig in Gefahr anzuecken und sich auszugrenzen (es ist eine "permanent alarmbereite Gesellschaft" (S. 13), eine "psychopolitische Atmosphäre" (S. 36) und die Namenlosigkeit ist verstärkender, unterstützender Teil dieser geschaffenen Atmosphäre der psychotischen Entfremdung.

Durch diese konsequent durchgehaltene Namenlosigkeit hatte ich auch sehr stark das Gefühl, gar nicht von einer "echten Welt" zu lesen. Es wirkt auf mich fast so wie Spielfiguren auf einem Spielbrett, Spieler 1, Spieler 2...