1. Leseabschnitt: Kapitel 1 und 2 (Beginn bis Seite 104)

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Jetzt die Beispiele: S. 31
"Niemand konnte sagen, was einem siebenmonatigen Kind durch den Kopf ging. Eine schattige Leere, ein gleichförmiger Winterhimmel, über den Sinneseindrücke ... in hohen Schwüngen und Bögen explodierten, ein Feuerwerk in Primärfarben, sofort wieder vergessen, sofort durch Neues ersetzt und wieder vergessen." (Grauenhaftes Geschwurbel). Was ist eine schattige Leere, z.B.

S.41 "Sein Material war das Gehobene. Der obskuren Idee einer exquisiten Idee zu folgen, die zu einer freudigen Verengung führen mochte, einem glühenden Punkt, in dem sich reines Licht bündelte und der eine erste Zeile erhellte, die den geheimen Schlüssel zu allen weiteren Zeilen enthielt, die folgen mussten". Der Sinn lässt sich erraten, aber nicht verstehen. Vor allem das mit dem Licht, das sich in einem Punkt bündelt - was soll das hier? Blendwerk.

Das ist eine willkürliche Auswahl. Viele Adjektive, sehr ausladend, üppig gar, und völlig verschwurbelt. Oder aufgeblasen. Viel Worte, wenig Inhalt.
Ich mags gerne schlichter. Gehoben schlichter *grins*.
Aber ich kann mich noch einlesen.
 
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RuLeka

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30. Januar 2018
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Eine schattige Leere, ein gleichförmiger Winterhimmel, über den Sinneseindrücke ... in hohen Schwüngen und Bögen explodierten, ein Feuerwerk in Primärfarben, sofort wieder vergessen, sofort durch Neues ersetzt und wieder vergessen."
Er versucht sich bildlich vorzustellen, was im Bewusstsein eines Babys vorgeht. Es hat noch keine Worte, um seine Sinneseindrücke auszudrücken. Ist das Gehirn ein leerer Raum, in dem feuerwerkartig Eindrücke aufleuchten oder ist das Gehirn wie ein Teich, in dem die Eindrücke in die Tiefe einsinken, nicht weg, sondern die Basis bilden für das spätere Leben. So in die Richtung habe ich diese Passage verstanden.

Die nächste von Dir zitierte Textstelle. Erzieht sich auf den Prozess des Dichtens. Möglicherweise macht sich McEwan hier auch lustig über seinen Protagonisten, der sich zum Dichter berufen fühlt, nicht über das Profane schreiben will, aber keine Inspiration hat.

Mir gefällts.
 
G

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Gast
Was ist eine schattige Leere, z.B.
Ich hab mir mal die Leseprobe runtergeladen, und beide Stellen, die du zitierst, sind drin. Die "schattige Leere" beispielsweise ist eine 'shaded emptiness', das bedeutet schattiert oder schraffiert, aber nicht schattig.

Und in der zweiten Stelle spricht er davon, '(to) follow the obscure trail of an exquisite idea that could lead to a lucky narrowing ...', hier ist 'exquisite' positiv gemeint und die "freudige Verengung" sollte eher dazu führen, dass er seine Idee glücklich eingegrenzt hat.
Da hat der Übersetzer sich nicht genug Gedanken gemacht oder ist selbst nicht ausreichend poetisch veranlagt.
Wie RuLeka sagt, der Prozess des Dichtens. Sehr poetisch ausgedrückt.
 
G

Gelöschtes Mitglied 7863

Gast
aber bei mir stockt es hier doch noch extrem. Da ich McEwan bisher nur im Original gelesen habe, kann ich allerdings nicht ausschließen, dass ich wegen der deutschen Übersetzung Berührungsprobleme habe.
Siehe auch die Kommentare von Mikka und Wanda. Und deshalb lese ich - sofern ich es kann - Romane lieber im Original.
 

Wandablue

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Ist das Gehirn ein leerer Raum, in dem feuerwerkartig Eindrücke aufleuchten oder ist das Gehirn wie ein Teich, in dem die Eindrücke in die Tiefe einsinken, nicht weg, sondern die Basis bilden für das spätere Leben.
Hätte er das doch geschrieben! Ja, man kann da geteilter Meinung sein. Sicher, ich weiß, was der Autor damit versucht hat auszudrücken, man kann es poetisch nennen - oder verschwurbelt und viele leere Worte ...
 

Wandablue

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Ich hab mir mal die Leseprobe runtergeladen, und beide Stellen, die du zitierst, sind drin. Die "schattige Leere" beispielsweise ist eine 'shaded emptiness', das bedeutet schattiert oder schraffiert, aber nicht schattig.

Und in der zweiten Stelle spricht er davon, '(to) follow the obscure trail of an exquisite idea that could lead to a lucky narrowing ...', hier ist 'exquisite' positiv gemeint und die "freudige Verengung" sollte eher dazu führen, dass er seine Idee glücklich eingegrenzt hat.
Da hat der Übersetzer sich nicht genug Gedanken gemacht oder ist selbst nicht ausreichend poetisch veranlagt.
Wie RuLeka sagt, der Prozess des Dichtens. Sehr poetisch ausgedrückt.
Gerade dachte ich, ich würde vllt gerne mal die Originalzitate lesen - schon sind sie da! Danke Pengulina!! Herzlichst!
So schlecht finde ich die deutsche Übersetzung gar nicht. Allerdings meine ich, dass es im Original auch verschwurbelt klingt. Vllt ist es die Art des Autors, ein Gefühl einzukreisen, werde ich sehen. Bisher mag ich die Sprache eher weniger.
Was ich aber mag, ist, wie der Autor die Historie in seine Story einschreibt. Genau so muss man das machen, es kann sparsam sein, darf aber dennoch nicht nur ein (unwichtiges) Hintergrundsrauschen sein. Sicher ein Könner seines Fachs. Aber mögen muss man dennoch nicht alles. Wir sind ja noch am Anfang. Mal sehen, wie ich am Ende denke.
Zur Übersetzung: manchmal muss man, um eine wirklich gute Übersetzung hinzulegen, vom genauen Wortlaut abweichen und eine sinngemässe Übersetzung bringen. Ich weiß aber, hier scheiden sich die Geister.
 
G

Gelöschtes Mitglied 7863

Gast
Ja, natürlich. Das gilt bei mir für die meisten Sprachen ja auch, angefangen mit Spanisch, das ich nicht im Original lesen könnte. Ich wollte Wanda nur zeigen, dass ihr Unbehagen zum Teil an der Übersetzung liegt.
 

Literaturhexle

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So schlecht finde ich die deutsche Übersetzung gar nicht. Allerdings meine ich, dass es im Original auch verschwurbelt klingt.
Danke, Wanda! McEwan benutzt hier eine sehr poetische Schreibweise. Das hat dir bei dem Mädchen auf der Himmelsbrücke schon nicht gefallen...;)
Ich persönlich sehe zwischen einer schattigen Leere und einer schraffierten Leere nicht den großen Unterschied. Ich stimme mit RuLeka überein, dass es stärker um den Ausdruck eines Gefühls geht, das sich aus dem Zusammenhang gut erschließen lässt.
Siehe auch die Kommentare von Mikka und Wanda. Und deshalb lese ich - sofern ich es kann - Romane lieber im Original.
Das darf ja jeder halten, wie er mag. Ich bin bislang mit dieser Übersetzung sehr zufrieden. Die monierten Schwurbeleien habe ich auch gar nicht als solche wahrgenommen.
 

Wandablue

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Nochmal zum Dichten, Schwurbeln und Leere-Worte-Schreiben:
Ich habe Ian McEwan immer als Autor erlebt, der seine Sätze genau komponiert und sich jedes Wort gut überlegt. Und wenn er unsere Vielleser hier auch in der Übersetzung anspricht, dann kann er ja nicht so schlimm sein ... ;-)
Wir sind ja noch nicht weit. Inmitten von 700 und x Seiten kann man mal ein paar verschwurbelte Sätze haben ohne dass das Buch gleich "schlecht" ist - ich reagiere halt darauf, weil ich vieles nicht als so "klar" geschrieben empfinde. Ich habe gerade einige Romane gelesen, die "klar" geschrieben waren - da gibt es einen großen Gegensatz.
 

Barbara62

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Barbara62

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Ich hab mir mal die Leseprobe runtergeladen, und beide Stellen, die du zitierst, sind drin. Die "schattige Leere" beispielsweise ist eine 'shaded emptiness', das bedeutet schattiert oder schraffiert, aber nicht schattig.

Und in der zweiten Stelle spricht er davon, '(to) follow the obscure trail of an exquisite idea that could lead to a lucky narrowing ...', hier ist 'exquisite' positiv gemeint und die "freudige Verengung" sollte eher dazu führen, dass er seine Idee glücklich eingegrenzt hat.
Da hat der Übersetzer sich nicht genug Gedanken gemacht oder ist selbst nicht ausreichend poetisch veranlagt.
Wie RuLeka sagt, der Prozess des Dichtens. Sehr poetisch ausgedrückt.
Bernhard Robben gilt als einer der profiliertesten Übersetzer aus dem Englischen, umso erstaunlicher, dass er hier offensichtlich danebenliegt.

Abgesehen davon genieße ich diese Sprache gerade sehr, nachdem wir in der letzten Leserunde "Aufstieg in den Abgrund" ein sprachliches Desaster erlebt haben. Lieber mal ein verrutschtes Bild, ein Adjektiv mehr und ein bisschen Geschwurbel als eine völlig fantasielose Schreibe.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Bernhard Robben gilt als einer der profiliertesten Übersetzer aus dem Englischen, umso erstaunlicher, dass er hier offensichtlich danebenliegt.

Abgesehen davon genieße ich diese Sprache gerade sehr, nachdem wir in der letzten Leserunde "Aufstieg in den Abgrund" ein sprachliches Desaster erlebt haben. Lieber mal ein verrutschtes Bild, ein Adjektiv mehr und ein bisschen Geschwurbel als eine völlig fantasielose Schreibe.
Wobei mir schattige Leere vom Klang her besser gefällt.