1. Leseabschnitt: Kapitel 1 bis einschl. 3 (Seite 7 - 54)

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Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Die empathische Beschreibung von Jeanne´s Diagnose, wie sie damit umgeht und was es mit ihr macht, finde ich großartig - hier hat Sorj Chalandon alles richtig und gut gemacht.

Na aber definitiv. :)

Weil es hier ja öfters um Frauen und Männer geht.

Krebs ist vielfältig, betrifft den ganzen menschlichen Körper und Männer und Frauen. Von der Warte kann sich sicher auch jeder vorstellen, was die Diagnose Krebs in den Köpfen der Betroffenen anstellt, welche Gedanken sie hochkommen lässt. Gut die Diagnose Brustkrebs bei Frauen ist jetzt begrenzt, aber man kann sich sicher auch als Mann darüber informieren und ein Autor mit dieser Sprachbrillianz und Empathie wird das schon schaffen. :)
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Das erste, was mir auffiel war: Da trägt der Autor (ist es ein Mann?) ganz schön dick auf. Nicht nur eine Krebserkrankung, auch noch ein behindertes Kind, das auch erst nach Leidensjahren gestorben ist. Muss das sein. Reicht eine Krebserkankung nicht?

Findest du? Also wenn ich mir manche Familienanamnesen in meiner Laufbahn im Krankenhaus ansehe, könnte man auch denken, dies wäre dick aufgetragen. Ist es nur leider nicht. Das Leben spielt manchmal echt fies!
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Ich würde nicht ganz so hart mit ihm urteilen. Ja, Jeanne braucht Unterstützung und er sollte für sie da sein. Dass es Matt aber zu viel wird, kann ich irgendwie auch ein wenig verstehen. Erst verliert er seine Mutter an den Krebs, dann die Schwester. Dann ist sein einziges Kind seit Geburt schwerkrank und pflegebedürftig und dann verliert er es in so jungem Alter. Dieser Mann hat schon einiges durchgestanden und hat Jeanne bei ihrem gemeinsamen Sohn immer unterstützt. Wäre er bloß ein Arsch, warum hat er sich nicht damals schon aus dem Staub gemacht? Ich denke, er ist jetzt einfach überfordert und denkt, dass er nicht noch einmal die Kraft hat, einen solchen Verlust zu erleben und ein solches Leiden mitanzusehen.

Ich habe es im Verwandtenkreis selbst erlebt: Als eine Schwester schwer an Krebs erkrankt ist, haben sich zwei der drei Geschwister gekümmert, oft angerufen und sind regelmäßig zu Besuch gekommen. Ein Bruder hat sich zurückgezogen und nur selten gemeldet. Für viele war er erst mal der Arsch, dabei hat er sehr darunter gelitten und war jedes Mal aufs Tiefste erschüttert, wenn er seine Schwester gesehen hat. Bei der Trauerfeier hat er am heftigsten geschluchzt (und das war kein Schauspiel) und hat zugegeben, dass er einfach nicht damit umgehen konnte, sie langsam sterben zu sehen. Er war auch schon mehrfach in psychischer Behandlung, weil er zu Depressionen neigt und psychisch labiler ist als viele. Ich will damit sagen, dass es für Angehörige sehr, sehr hart sein kann, einen Todkranken zu begleiten, und es einigen noch schwerer fällt als anderen. Sie wollen da sein, drohen aber daran selbst zu zerbrechen. Gerade wenn man weiß, was auf einen zukommt, weil man die Situation schon kennt, ist die Angst vor einem Verlust riesig.

Ich bin hier sehr bei dir. Klar nervt mich Matts Verhalten auch sehr. Aber ich sehe es wie du, es gibt Gründe für sein Verhalten. Und im Text wird ja auch geschrieben, dass Matt eine gewisse Dunkelheit spürt, vielleicht depressiv ist und in diesem Zustand reagiert er nicht mehr wie ein Gesunder. Klar hätte er sich schon viel früher Hilfe suchen müssen. Aber Fehler macht ja wohl jeder Mensch. Dass er damit Jeanne keine Hilfe ist, ist gerade momentan echt sch... . Aber das wird er doch wohl auch sehen. Die Frage ist wie er damit umgehen wird.
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Mir gefällt, dass der Roman nicht auf die Tränendrüse drückt. Sehr sachlich und schnörellos wird geschildert, wie diese Erfahrung für Jeanne ist. Ich kann sie gut verstehen und halte sie für glaubwürdig. Morgens ist sie noch eine fröhliche Frau und am Nachmittag todkrank. Dennoch verfällt nicht in eine tiefe Depression, sondern wartet ab, was passiert.
Jeanne ist für mich bis jetzt ganz gut getroffen. Ich kann ihre Handlungen nachvollziehen und nachempfinden. Und das Beschriebene wirkt auf mich authentisch und berührend.
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Ich stimme mit allem überein!

Ich kenne aus dem echten Lben einen umgekehrten Fall: Eine Freundin von mir war an Brustkrebs erkrankt und hat ihren Lebensgefährten von sich gewiesen, hat ihm die Schuld an ihrer Erkrankung gegeben (warum auch immer?). Es gab eine Gruppe von Frauen, die immer wieder nach ihr gesehen haben und es war ganz furchtbar mitanzusehen, wie sie letztlich sehr einsam gestorben ist.

Ich finde auch, jeder reagiert bei solchen gravierenden Diagnosen anders, wie auch das Umfeld unterschiedlich reagiert. Mancher möchte Nähe, mancher nicht. Die Reaktionen werden so unterschiedlich sein wie wir alle es sind. :)
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Ich weiß nicht so richtig, was ich davon halten soll, dass sich alle so auf die Haare fokusieren. Sind eigentlich nur Äußerlichkeiten.

Ja, aber vielleicht sind es stigmatisierende Äußerlichkeiten. So etwas fällt auf, zeigt den Anderen etwas. Auch eine Perücke kann das nicht vollkommen verstecken. :confused:
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Das stimmt schon, dass jeder seine Krankheit selbst erleiden muss und seinen Tod selbst sterben. Das kann einem niemand abnehmen. Aber Ehemann, Kinder, Freunde können einem beistehen, einem tröstend in den Arm nehmen, mit einem reden, in verschiedenster Weise unterstützen und einem einfach zeigen, dass man nicht allein ist und geliebt wird.
Ich denke auch nicht, dass Jeanne von ihrem Ehemann zu viel verlangt ( auch wenn die Ehe nach dem Tod des Kindes in Schieflage geraten ist ). In den Arm nehmen, sagen, ich bin für dich da, wir stehen das zusammen durch....zu viel Anspruch ?

Allein sind wir doch eigentlich immer. Klar, es gibt Menschen um uns herum und wir zeigen auch Teile von uns. Aber zeigen wir alles? Ist es nicht eine gewisse Illusion zu glauben man ist nicht allein? Klar gibt es ein Umfeld, was uns Liebe, Trost und Beistand gibt, was hilft, was einfach da ist. Aber letztendlich sehen diese Menschen nur was wir ihnen zeigen und denken sich ihren Teil. Aber jeder von uns kennt sich nur allein vollkommen. Dessen sollten wir uns bewusst sein. :)

Ich denke auch nicht, dass Jeanne von ihrem Ehemann zu viel verlangt. Ein bisschen Trost geben ist nie zu viel. Aber letztendlich kennt sie ihn ja und wirkt zwar enttäuscht, aber nicht überrascht.
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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[zitat] "Wir wussten wie vergänglich alles war. Dass es ein Davor gab, aber kein Danach mehr. Wir waren allein auf der Welt."[/zitat]
Und auch diese schönen Sätze gibt es wieder.
Hier noch einer
[zitat]Die Buchhändlerin mit der Kamelie war der Liebling ihres Herbstprogramms.[/zitat]
 
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Das war früher. Heute kann man mit Glatzenkopf ganz entspannt umgehen. Keiner guckt einen mehr doof an.

Nicht in jeder Welt.

Und vielleicht kommt es hier auch nicht unbedingt auf die Reaktion der Anderen an, sondern das eigene Denken hierzu steht im Vordergrund.
 
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MRO1975

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Ja, aber vielleicht sind es stigmatisierende Äußerlichkeiten. So etwas fällt auf, zeigt den Anderen etwas. Auch eine Perücke kann das nicht vollkommen verstecken. :confused:
Schon richtig, dass die Glatze zeigt, dass der Betroffene offenbar krank ist. Ich frage mich dennoch, warum das nicht erkennbar sein darf. Etwa weil man sich der Krankheit schämt? Das wäre kein guter Beweggrund und dann sollte man an seiner Einstellung arbeiten.

Du wirst bei der weiteren Lektüre noch sehen, womit der Autor die Glatze noch verbindet. Ich möchte hier nicht zu viel verraten.
 

ulrikerabe

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Na aber definitiv. :)

Weil es hier ja öfters um Frauen und Männer geht.

Krebs ist vielfältig, betrifft den ganzen menschlichen Körper und Männer und Frauen. Von der Warte kann sich sicher auch jeder vorstellen, was die Diagnose Krebs in den Köpfen der Betroffenen anstellt, welche Gedanken sie hochkommen lässt. Gut die Diagnose Brustkrebs bei Frauen ist jetzt begrenzt, aber man kann sich sicher auch als Mann darüber informieren und ein Autor mit dieser Sprachbrillianz und Empathie wird das schon schaffen. :)
Was ich lange nicht wusste, dass auch Männer Brustkrebs bekommen können.

https://www.krebsgesellschaft.de/on...arten/brustkrebs/brustkrebs-bei-maennern.html

Das fatale daran ist, dass bei Männern dazu keine Vorsorgeuntersuchungen vorgesehen sind, und daher die Diagnose zumeist sehr spät gestellt wird.
 

Mikka Liest

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Schon richtig, dass die Glatze zeigt, dass der Betroffene offenbar krank ist. Ich frage mich dennoch, warum das nicht erkennbar sein darf. Etwa weil man sich der Krankheit schämt? Das wäre kein guter Beweggrund und dann sollte man an seiner Einstellung arbeiten.
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Ich kann da nur wieder als nicht-Krebs-aber-chronisch-Kranke sprechen: ganz am Anfang, als es damit anfing, dass man mir meine Krankheit ansah, war mir das auch unangenehm. Ich würde es nicht mal Scham nennen... Ich glaube, es fiel mir erst einfach schwer, zu akzeptieren, dass das jetzt meine Realität war, ein Teil von mir, und vermute bei Jeanne Ähnliches. Und man zieht schon Blicke auf sich – ob jetzt mit Glatze, Gehstock oder Rollstuhl –, und auch Leute, die... wie soll ich das jetzt sagen, ohne das es undankbar klingt... Die einem vermeintliche Hilfe aufdrängen, oft sehr demonstrativ: schaut alle her, ich bin so selbstlos! (Ich finde, man merkt, ob jemand Hilfe anbietet oder sich selbst profiliert.)
 

KrimiElse

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Findest Du?
Ich halte den Mann für ein ausgesuchtes, egoistisches Arschloch (sorry!). Natürich ist das gut gemacht: Zunächst ist er nur beschäftigt, hat einen wichtigen Termin,...aber die Ausfälle werden häufiger. Im Grunde ist Jeanne immer allein. Kotz.
Daumen hoch, so sehe ich das auch.
Das Paar hatte schwere Zeiten, aber es hat sie offenbar nicht zusammengeschweißt - im Gegenteil. Matt zieht sich zurück und verschließt sich in seiner Dunkelheit, die ihm weiteren Schmerz erspart. Das ist egoistisch.
 

KrimiElse

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Das Buch ist der Wahnsinn! Zum Glück habe ich keine persönlichen Erfahrungen mit der Krankheit. Aber alles, was ich aus dem Umfeld darüber weiß, hat der Autor wirklich sehr sensibel und einfühlsam zusammengetragen. Diese Gefühlskurven, die Angst um die Haare....
Dass Jeanne nur für sich Erinnerungsfotos schießt - was für eine Frau!
Mich hat der Anfang auch umgehauen, so sensibel, so genau beobachtet, und den Leser sofort einnehmend für Jeanne, die verletzlich und sehr stark zugleich ist.
Ich habe jemanden beim Durchstehen der Krankheit ganz eng und täglich begleitet, und es trifft vieles so genau zu. Es ist irre aus gesunder Sicht, welch große Rolle zum Beispiel der Verlust der Haare spielt. Andere viel gravierendere Dinge machen im Vorfeld weniger Sorgen. Das habe ich damals und auch jetzt wieder beim Roman als Spiegel einer Gesellschaft empfunden, in denen Frauen einen bestimmten Platz zugewiesen bekommen (und viele genau diesen auch freiwillig annehmen).
 

KrimiElse

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Man muss sich fragen, wen möchte man an seinem Krankenbett sitzen haben? Es ist nicht immer derjenige, von dem man es vermutet, und was nahe liegt: Denke ich. Ehepartner sind nicht immer die Geeignetsten. Wichtig ist ein Arzt/Ärztin, zu dem / der man Vertrauen hat. Nie ist ein Arzt wichtiger als wenn man ernsthaft krank ist.
Du hast den Daumen drauf. Ich denke, Matt wäre sowieso keine Hilfe, und Jenannes Wunschdenken macht das nicht besser.
 
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KrimiElse

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Das stimmt schon, dass jeder seine Krankheit selbst erleiden muss und seinen Tod selbst sterben. Das kann einem niemand abnehmen. Aber Ehemann, Kinder, Freunde können einem beistehen, einem tröstend in den Arm nehmen, mit einem reden, in verschiedenster Weise unterstützen und einem einfach zeigen, dass man nicht allein ist und geliebt wird.
Ich denke auch nicht, dass Jeanne von ihrem Ehemann zu viel verlangt ( auch wenn die Ehe nach dem Tod des Kindes in Schieflage geraten ist ). In den Arm nehmen, sagen, ich bin für dich da, wir stehen das zusammen durch....zu viel Anspruch ?
Ich bin bei Wanda, die Ehe war vorbei schon vorbei, aber ich gehe mit dem Autor dennoch mit, der mich letztlich dazu bringt, Matt zu verurteilen.